Schon im 15. Jahrhundert bauten die Menschen auf dem Ochsenkopf Proterobas ab: ein dunkles, fast schwarzes Gestein.
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Schon im 15. Jahrhundert bauten die Menschen auf dem Ochsenkopf Proterobas ab: ein dunkles, fast schwarzes Gestein.

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Die vergessenen Schmuckperlen aus dem Fichtelgebirge

Jahrhundertelang wurden aus dem Fichtelgebirge Schmuckperlen in alle Welt verkauft. Sogenannte "Paterlmacher" fertigten dort bis ins 20. Jahrhundert Glasperlen an - einst ein wichtiger Exportartikel, den heute kaum noch jemand kennt.

Heimatforscher Adrian Roßner stapft über den verschneiten Ochsenkopf, auf den Spuren eines längst untergegangenen Handwerks: dem der Paterlmacher. Plötzlich entdeckt er, was er gesucht hat. Einen schmalen, lang gezogenen Steinbruch, der mit Wasser vollgelaufen ist.

Für Roßner ist das Spannende an solchen Steinbrüchen, dass sie nicht so sehr in die Breite ausgedehnt sind, wie beispielsweise ein Granitsteinbruch. Stattdessen sind sie sehr lang und äußerst schmal. Das liegt daran, erklärt Roßner, dass dort das seltene Gestein Proterobas abgebaut wurde. Und das zieht sich wie ein Streifen, einmal quer über den Ochsenkopf.

Perlen aus Proterobas

Schon im 15. Jahrhundert bauten die Menschen auf dem Ochsenkopf Proterobas ab. Ein dunkles, fast schwarzes Gestein, das sich leicht schmelzen und so gut verarbeiten ließ. Im Glasmuseum in Warmensteinach lässt sich die Geschichte nachvollziehen. Dort sind kleine, schwarze Perlen ausgestellt, die schon vor Jahrhunderten aus Proterobas gefertigt wurden. Kleine Perlen, die schon damals im Volksmund "Paterla" genannt wurden. Roßner weiß, woher der Name kommt.

Es gebe zwar verschiedene Deutungen. Aber am nachvollziehbarsten sei die, dass es Perlen waren, die man auch von der Paternosterkette, also vom Rosenkranz gekannt habe und dass daraus im fränkischen Dialekt "Baderla" geworden sei.

Aus dem Fichtelgebirge bis nach Afrika

Im 17. Jahrhundert wurden die Perlen nicht mehr aus Proterobas, sondern aus Glas gefertigt. Rund um den Ochsenkopf entstanden sogenannte Paterlmacher-Hütten. Dort schmolzen die Handwerker Glas und drehten daraus über dem offenen Feuer Schmuckperlen. Die wurden unter anderem nach Russland, Südamerika und sogar bis nach Afrika verkauft.

Noch heute könne man die historischen Fichtelgebirgs-Glasperlen im Schmuck von afrikanischen Ureinwohnern finden. "Wenn man heute traditionellen Schmuck afrikanischer Stämme oder indigener afrikanischer Stämme erwirbt, der ja relativ häufig mit Glasperlen hergestellt wurde, findet man darin oft noch die ursprünglich aus dem Fichtelgebirge stammenden Glasperlen."

Der Preis bestimmt, wo eingekauft wird

Heute klingt es fast unglaublich, doch es war bis ins 20. Jahrhundert hinein billiger, die Glasperlen aus dem Fichtelgebirge nach Afrika zu exportieren und sie dort zu traditionellen Schmuckwerken zu verarbeiten, als sie dort vor Ort herzustellen. Das erklärt, warum die Perlen aus dem Fichtelgebirge bis ins 20. Jahrhundert hinein ein wahrer Verkaufsschlager waren.

Die "Bayerische Perle" ging bis nach Indien

Die Bayreuther Firma "Scharrer und Koch" gehörte zu den Exporteuren, die die Perlen in alle Welt verkauften. Sigrid Gottstein kann sich erinnern, dass ihr Großvater Theo Köhler, damals der Firmenchef bei "Scharrer und Koch", noch bis in die 1950er Jahre Perlen nach Übersee verkaufte. Einer der wichtigsten Exportartikel sei die sogenannte "Bayerische Perle" gewesen. Eine blaue Glasperle, die unter anderem nach Indien geliefert und dort zu Schmuck-Gehängen verarbeitet wurde, erinnert sich Gottstein.

Diese Gehänge wurden dann den Elefanten über den Kopf gehängt. Sie sollten gegen den sogenannten "Bösen Blick" helfen. Daneben wurden die Perlen von "Scharrer und Koch" auch an Native Americans nach Nordamerika geliefert. Doch über die Jahrzehnte sei das immer weniger geworden, bis die Bayreuther Firma kurz nach dem Zweiten Weltkrieg den Perlenhandel ganz einstellte.

Das Ende der Paterlmacher

In den 1960er Jahren machten die letzten Paterlmacher-Hütten dicht. Es bestand kaum noch Nachfrage nach den handgemachten Glasperlen, die mittlerweile deutlich teurer waren als die maschinell hergestellten Produkte. Zudem gab es immer weniger Handwerker, die die Kunst des Perlendrehens noch beherrschten.

Heute ist das Handwerk im Fichtelgebirge Geschichte und gerät mehr und mehr in Vergessenheit. Im Glasmuseum in Warmensteinach versucht man, mit vielen Ausstellungsstücken und alten Fotos zumindest die Erinnerung an die Paterlmacher lebendig zu halten. Im ersten Stock des Museums lässt sich sogar ein originalgetreuer Nachbau eines traditionellen Paterlmacher-Ofens bestaunen.

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