Eine Frau zeigt Märchenfiguren als Christbaumschmuck aus Lauscha.
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Eine Frau zeigt Märchenfiguren als Christbaumschmuck aus Lauscha.

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Die Erfindung der Christbaumkugel – eine runde Sache?

Der Christbaum steht gerade in fast jedem Wohnzimmer. Leuchtend, mit bunten Kugeln geschmückt. Doch woher kommen die Christbaumkugeln überhaupt? Begonnen hat alles in Lauscha: Einem kleinen Ort, nicht weit von der nordbayerischen Grenze entfernt.

Christbaumkugeln in allen möglichen Größen, Formen und Farben – durchsichtig, glitzernd, verspiegelt in Silber und Gold: Das zeigt die Ausstellung "Eine runde Sache? Wie Lauscha die Weihnachtskugel erfand" im Historischen Museum Bamberg. Der Christbaumschmuck gehört dazu, seitdem Weihnachtsbäume aufgestellt wurden.

Das begann in Deutschland vor rund 500 Jahren. "Die Weihnachtsbäume standen zuerst nur auf öffentlichen Plätzen und erst im 18. Jahrhundert hat man angefangen, die Weihnachtsbäume zu Hause aufzustellen", erklärt Eleonora Cagol, Kuratorin der Ausstellung. "Im 19. Jahrhundert hat die Popularisierung des Baumes ihren Rang gefunden."

Gebäck war typischer Christbaumschmuck in Süddeutschland

Der Weihnachtsbaum in der Stube wurde natürlich auch damals schon geschmückt. Bevor es Kugeln gab, vor allem mit essbaren Dingen. Zuerst mit Äpfeln und Nüssen, sagt Eleonora Cagol und zeigt auf eine Nuss, die an einem Weihnachtsbaum hängt. "Irgendwann hat man angefangen, die Nüsse zu vergolden." Typisch für Süddeutschland sei außerdem Gebäck gewesen. "Die Kinder konnten diese Kekse essen."

Auch selbstgebastelter Weihnachtsbaumschmuck aus Papier in Form von Sternen wurde an die Bäume gehängt. Bis dann im 19. Jahrhundert in Lauscha in Thüringen mit dem technischen Fortschritt die Glasbläser die ersten Christbaumkugeln herstellten. Am Anfang waren die Kugeln noch nicht besonders groß.

Älteste Kugel stammt von 1850

Die älteste Kugel aus der Ausstellung – eine kleine, braune – stammt aus dem Jahr 1850. "Die ist fast voll, die ist wirklich schwer", erklärt Cagol. Die Kugel sei mit Blei verspiegelt worden, sagt sie, eine ältere Art und Weise Kugeln zu verspiegeln. Wenig später wurde eine neue Methode entwickelt, um Glasobjekte zu verspiegeln: mit einer dünnen Silberschicht.

Die Christbaumkugeln aus Lauscha wurden Anfang des 20. Jahrhunderts zum Exportschlager und verkauften sich vor allem in die USA. In Heimarbeit wurden sie zwischen Mai und Dezember von Glasbläsern hergestellt. Auch die Frauen und Kinder halfen beim Verzieren und Verpacken. Schwarz-Weiß-Fotografien zeigen in der Ausstellung, wie Frauen mit unzähligen Verpackungen auf dem Rücken über Feldwege laufen.

"Die haben die ganzen Formen nach Sonneberg gebracht, tatsächlich zu Fuß. Das sind 20 Kilometer auf Schotterwegen. Und sie haben auf großen Gestellen hunderten von Kugeln in Packschachteln verpackt", erzählt die Kuratorin. Von Sonneberg aus, das an der Grenze zu Bayern in der Nähe von Coburg liegt, wurden die Kugeln in die ganze Welt exportiert.

Herstellung von Christbaumkugeln war nicht ungefährlich

Einige Familien sind aus Thüringen ins benachbarte Bayern gezogen. Deswegen werden auch in Oberfranken rund um Coburg heute noch Christbaumkugeln hergestellt. Obwohl die Kugeln sich damals schon gut verkauften: reich wurden die Glasbläserfamilien nicht.

Und die Herstellung war nicht ungefährlich. In jeder Glasbläserwerkstatt habe es einen Wildvogel im Käfig gegeben, sagt Cagol. "Und die haben sozusagen als Rauchmelder gedient. Die Glasbläser haben mit Gas gearbeitet und nicht gemerkt, wenn die Konzentration zu hoch in der Luft war. Vögel spüren das und hören auf zu singen."

Die Vögel waren überlebenswichtig. Deshalb ist der Vogel aus Glas zu einer berühmten Weihnachtsdekoration aus Lauscha geworden. Seit dem 20. Jahrhundert ist der Weihnachtsschmuck nicht mehr nur rund. Neben christlichen Symbolen ließen sich die Glasbläser schon immer von Trends aus aller Welt inspirieren. In einer Vitrine der Ausstellung hängen kleine, glitzernde Bretzeln und Bierdosen oder Einhörner als Christbaumschmuck.

In Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen

Man könne sehen, wie sich die Mode und der technische Fortschritt bei der Dekoration widerspiegelt. "Da sieht man, dass es nicht mehr nur mit christlichen Symbole zu tun hat. Da ist wirklich alles dabei: Hamburger, Frida Kahlo, Klopapier, ein Weihnachtsbaum, der Yoga macht", zählt Eleonora Cagol auf.

Das Handwerk der Glasbläserei ist eine Kunst. Das zeigt die Ausstellung und auch die Unesco hat das anerkannt. Vor zwei Jahren wurde die handwerkliche Kunst der Herstellung von Christbaumkugeln aus Lauscha in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. In diesem Dezember hat die Unesco die manuelle Glasfertigung sogar zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt.

Im Video: Nachhaltiges Fest – "Zweihnachtskugeln" aus Fürth

Die Zweihnachtskugeln von Matthias Drechsler und Hendrik Dietrich von reThing.
Bildrechte: BR/Tobias Burkert
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Matthias Drechsler und Hendrik Dietrich von reThing mit einigen Zweihnachtskugeln.

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