Harry Rack kämpft um die Anerkennung als Contergan-Geschädigter. Rechts sieht man ihn als kleines Kind.
Bildrechte: BR

Harry Rack kämpft um die Anerkennung als Contergan-Geschädigter. Rechts sieht man ihn als kleines Kind.

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Contergan-Opfer: Der Kampf um Anerkennung

Die Contergan-Stiftung wurde 1972 gegründet, um den Opfern des Medikamenten-Skandals ein würdiges Leben zu ermöglichen. Doch bis heute müssen Menschen mit schweren Behinderungen darum kämpfen, als Contergan-Geschädigte anerkannt zu werden.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Harry Rack ist schwerstbehindert zur Welt gekommen, nachdem seine Mutter das Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan in der Schwangerschaft eingenommen hatte. 1967 wird er von einem ARD-Kameramann im Krankenhaus gefilmt. Das Thema: Contergan-Kinder. Zu sehen ist Rack, der einen ledernen Schutzhelm trägt und mit einem Leiterwagen den langen Gang der Kinderstation entlangläuft. Gegenüber dem BR-Politikmagazin Kontrovers erklärt Rack, dass er sich noch an die Dreharbeiten erinnern kann und auch den Arzt der Klinik hat er nicht vergessen.

"Er hat auch zu mir gesagt: Du bist Contergan. Lass Dir das niemals wegsprechen. Wo ich so klein war, habe ich mir das gemerkt." Harry Rack

Rack hat von Geburt an Hüft- und Schulterschäden, an der linken Schulter befindet sich nur ein einzelner Finger, an der rechten ein kurzer Arm und drei Finger.

Stiftung sieht keinen Contergan-Zusammenhang

Seit langem kämpft er darum, als Contergan-Geschädigter anerkannt zu werden. Für ihn geht es darum, eine monatliche Rente zu bekommen. Doch seine Bemühungen sind vergeblich. Die Stiftung erkennt Harry Rack nicht an, seine Behinderungen seien nicht auf die Einnahme von Contergan zurückzuführen, erklärt sie gegenüber dem BR-Politikmagazin Kontrovers. Obwohl Harry Rack sie von der Schweigepflicht entbunden hat, will sich die Contergan Stiftung nicht zum konkreten Fall äußern. Stattdessen teilt sie ganz allgemein mit:

"Die Contergan Stiftung schaltet eine medizinische Kommission ein, die unabhängig und ausschließlich auf der Grundlage ihrer medizinischen Expertise zu einer Bewertung des Antrags kommt." Contergan Stiftung

Doch Harry Racks Rechtsanwalt, Michael Heidrich, zweifelt immer mehr daran. Für ihn sind die Behinderungen seines Mandanten eindeutig auf Contergan zurückzuführen. Besonders der einzelne Finger an der linken Schulter.

"Eigentlich der typischste Contergan Schaden ist Phokomelie, auf Deutsch, man nennt das Robben-Gliedrigkeit. Robbengliedrigkeit deshalb, weil die langen Armknochen fehlen. Das haben ganz viele anerkannte Contergan-Behinderte. Auf diese Schäden geht man überhaupt nicht ein." Michael Heidrich, Rechtsanwalt von Harry Rack

Auch auf den Fernsehfilm, der nun nach Jahren aufgetaucht ist, geht die Stiftung nicht ein. Dazu kommt: Gutachten und Röntgenbilder aus Harry Racks Kindheit, die seine Contergan-Schädigungen belegen, sind offenbar aus seiner medizinischen Akte verschwunden.

Kommt die Stiftung ihrem Zweck immer nach?

Rechtsanwalt Michael Heidrich geht davon aus, dass Hunderte Contergan-Geschädigte nicht die Unterstützung bekommen, die ihnen zusteht. Auch er hat Contergan-Schädigungen – und bei ihm wollte die Stiftung die Rente kürzen. Er klagte. Erfolgreich. Im Urteil hieß es, dass Untersuchungsergebnisse im Gutachten der Contergan-Stiftung nicht der Realität entsprächen. Deutlicher geht es kaum.

Harry Rack wird bald 60 Jahre alt. Er ist fest entschlossen, gegen die Contergan-Stiftung zu klagen. Von der Rente würde er das dringend benötigte behindertengerechte Badezimmer bezahlen und sich endlich die Hilfe leisten, die ein Mensch mit Contergan-Schädigung braucht.

💡 Contergan-Stiftung

1968 begann der Prozess gegen den Hersteller des Präparats Contergan, die Firma Grünenthal aus Köln. 312 Geschädigte wurden als Nebenkläger zugelassen. 1970 wurde mit den Geschädigten ein Vergleich geschlossen. Sie willigten ein, auf jegliche Ansprüche zu verzichten, weil zugleich eine Stiftung von Grünenthal gegründet wurde, mit dem Zweck den Geschädigten eine lebenslange Rente zu zahlen. 100 Millionen DM zahlte Grünenthal ein, der Bund insgesamt 320 Millionen DM. 1997 war das Stiftungsvermögen aufgebraucht. Seitdem werden die Zahlungen durch den Bund finanziert, das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend führt die Rechtsaufsicht. Die Stiftung besteht aus einem ehrenamtlichen Vorstand und einem Stiftungsrat. Eine medizinische Kommission prüft die Anträge.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!