Der ehemalige Papst Benedikt XVI.
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Brief an Ex-Papst: "Stellen Sie sich dem weltlichen Gericht!"

Am Wochenende hat der ehemalige Papst Benedikt Post aus Bayern bekommen. Gläubige aus Garching an der Alz fordern darin den früheren Oberhirten der katholischen Kirche auf, sich in einem Missbrauchsprozess zu äußern. Eine Frist läuft diese Woche ab.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. bekommt noch häufig Post aus seiner bayerischen Heimat in den Vatikan. Doch über diesen Brief dürfte er sich wohl eher nicht gefreut haben. Gläubige des Pfarrverbands Garching-Engelsberg haben ihn am vergangenen Freitag geschickt. In dem Schreiben, das BR24 vorliegt, fordern sie das ehemalige Oberhaupt der katholischen Kirche auf, an der gerichtlichen Aufarbeitung eines Missbrauchsfalls mitzuwirken.

Missbrauchsopfer klagt auch gegen Ex-Papst Benedikt

Dabei geht es um die Klage eines 38-jährigen Mannes aus Bayern, der als Kind in den 1990er-Jahren im Landkreis Altötting von seinem Gemeindepfarrer Peter H. missbraucht wurde. Das Missbrauchsopfer hatte die Klage Ende Juni beim Landgericht Traunstein eingereicht – und zwar nicht nur gegen den Täter. Beklagt sind auch der Papst im Ruhestand sowie der ehemalige Münchner Erzbischof, Kardinal Friedrich Wetter, und das Erzbistum München und Freising.

Der Kläger sieht die Kirchenmänner in einer institutionellen Verantwortung. Seine Argumentation: Peter H. wurde eingesetzt, obwohl er wegen sexueller Übergriffe auf Kinder bereits aktenkundig war. Strafrechtlich ist der Missbrauchsfall bereits verjährt. Deshalb will der Betroffene das Gericht mit einer zivilrechtlichen Feststellungsklage die Sache rückwirkend klären lassen. Das Gericht soll prüfen, ob auch die damals in der Verantwortung stehenden Kirchenmänner verpflichtet sind, für den Schaden des Opfers zu haften.

  • Zum Artikel: "Wer trägt die Verantwortung im Fall des Pfarrers H.?"

Gerichtliche Frist läuft Ende der Woche ab

Das Landgericht Traunstein leitete am 26. September ein zivilrechtliches Vorverfahren ein und forderte die Beklagten auf, sich zu äußern. Für den emeritierten Papst Benedikt XVI. heißt das, dass er binnen einer Frist durch einen Anwalt mitteilen muss, ob er sich in der Sache verteidigen will. Diese Frist läuft am Sonntag ab.

Die Autorinnen und Autoren des offenen Briefs gehören der "Initiative Sauerteig" an, die sich nach eigenen Angaben seit mehr als zwei Jahren ehrenamtlich für die Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs im Fall Pfarrer H. einsetzt. Sie fordern von Benedikt, "an der gerichtlichen Aufarbeitung durch das Landgericht Traunstein konstruktiv mitzuwirken" und dabei über seine "bisherigen Stellungnahmen hinauszugehen".

Benedikts Stellungnahme "vage und unbefriedigend"

Benedikt hatte sich bereits im Rahmen des Missbrauchsgutachtens der Erzdiözese München und Freising Anfang des Jahres zu dem Fall geäußert. "Für Betroffene und Gläubige" seien allerdings einige Punkte der Stellungnahme "vage und unbefriedigend", so die Briefschreiber.

Zwar bitte Benedikt in dem Schreiben vom Februar um Vergebung für seine Schuld, doch dies sei nicht ausreichend, finden die Verfasser des Briefes: "Nach unserem Verständnis setzt Vergebung tatkräftige Reue voraus und mündet in konkretes Bemühen um Wiedergutmachung für die Betroffenen." Sie appellieren an den ehemaligen Papst "den Gläubigen weiterhin ein Vorbild" zu sein. Die "vorbehaltlose Mitwirkung bei einer gerichtlichen Klärung wäre ein bedeutender Schritt", der zeigt, "wie die Institution Kirche mit dieser 'Schuld' zukünftig umgehen" könnte.

  • Zum Artikel: "Missbrauchsgutachten: Wie auch Ratzingers Ruf gelitten hat"

Gläubige: "Bitte stellen Sie sich dem weltlichen Gericht!"

Benedikt hatte in seiner Stellungnahme nach dem Missbrauchsgutachten betont, dass ihn das Thema Missbrauch jeden Tag umtreibe und er Gott um Vergebung für seine "übergroße Schuld" bitte. Die Briefschreiber werfen ihm vor, dass es bei einer solchen Vergebungsbitte nur um ihn gehe, aber die Opfer außen vor blieben.

Sie fordern deshalb: "Bitte bringen Sie Ihr Mitgefühl auf eine Weise zum Ausdruck, die die Lebenssituation der Betroffenen verbessert." Der Brief schließlich endet mit dem eindringlichen Appell: "Sehr geehrter Papst em. Benedikt, bitte stellen Sie sich dem weltlichen Gericht!"

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