Schwesternaltenheim der Barmherzigen Schwestern in München Berg am Laim
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Schwesternaltenheim der Barmherzigen Schwestern in München Berg am Laim

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Berg am Laim: Nazi-Lager für Juden auf Klostergelände

Im Münchner Stadtteil Berg am Laim errichteten die Nationalsozialisten von 1941 bis 1943 ein Sammellager für jüdische Bürgerinnen und Bürger. Nicht irgendwo, sondern in einem beschlagnahmten Teil eines Klosters.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Das Altenheim St. Michael im Münchner Stadtteil Berg am Laim – hier stand früher das Juden-Internierungslager. Mitten auf dem Gelände der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul. Das alte Eingangsportal zeugt noch von diesem Kapitel der Ordensgeschichte. Für die Archivarin des Ordens, Susanne Kaup, ein Ort der Erinnerung und Mahnung:

"Durch dieses Portal sind in den Jahren 1941 bis 1943 auch die jüdischen Personen gegangen, die hier interniert waren." Archivarin Susanne Kaup

"Heimanlage für Juden" im Kloster Berg am Laim

Für die sogenannte "Heimanlage für Juden" hatte die NSDAP das Haus beschlagnahmt. Fotos aus dem Inneren des Lagers gibt es nicht. Nur Einträge aus dem Tagebuch der damaligen jüdischen Heimleiterin Else Behrend-Rosenfeld.

Sie schreibt: "Es war ein sehr beengtes Leben, es war voller Angst, weil man sehr schnell auch wusste, dass es Deportationen geben wird. Die erste Deportation war im November '41, die zweite im April '42, auch das hat man hier sehr wohl mitbekommen, und was Deportation heißt und hieß, hat man ahnen können."

Bis zu 700 Juden von hier in Vernichtungslager geschickt

Bis zu 700 Juden wurden von hier aus in die Konzentrations- und Vernichtungslager im Osten deportiert. Die Arisierungsstelle der Nazis in München trieb ihr Ziel der sogenannten Entjudung des Wohnraums voran, vertrieb jüdische Familien aus ihren Wohnungen und pferchte sie in Lager.

Ernst Grube kam als Zehnjähriger zunächst nach Milbertshofen, später nach Berg am Laim. Zuvor lebte die Familie neben der Synagoge. Wasser, Gas und Strom wurden der Familie abgestellt: "Die Nazis haben die Synagoge zerstört und haben den Juden die drei Häuser, die ihnen gehört haben, weggenommen, und die Mieter mussten nun alle das Haus oder die zwei Häuser verlassen."

Begegnungen mit Nonnen "waren immer sehr gut"

Der 88-jährige Ernst Grube ist einer der letzten Zeitzeugen. Er kam ins KZ Theresienstadt und überlebte. Sein Schicksal erzählt er bis heute in Schulen und Bildungsstätten: "Was es heißt, wenn man in einem Lager lebt, wenn man wie in Milbertshofen keine Toiletten hat, da gab es dann Latrinen, für uns Kinder."

Bei den Barmherzigen Schwestern durften er und die anderen Kinder wenigstens im Garten spielen. Ernst Grube erinnert sich, wie er vom Internierungslager in Milbertshofen nach Berg am Laim kam: "Nach einigen Monaten war nun dieses Ghetto für die Nazis nicht mehr so wichtig, weil sie die Mehrzahl der Juden schon deportiert und umgebracht hatten, und wir waren noch zwölf Kinder und kamen nach Berg am Laim. Die wenigen Begegnungen, an die ich mich erinnern kann mit Nonnen, die waren immer sehr gut."

Ordensfrauen öffneten Kirche für Gebete

Die Ordensfrauen öffneten gläubigen Juden unter den Insassen die angrenzende Kirche für deren Gebete, brachten Obst und Gemüse, erlaubten geheime private Besuche in der Kirche oder im Eingangsbereich des Klosters. Alles festgehalten im Tagebuch der jüdischen Heimleiterin, wie Archivarin Kaup erzählt: "Frau Dr. Behrend-Rosenfeld beschreibt das in ihren Tagebuchaufzeichnungen mehrmals, dass die Schwestern, die hier waren, nie ohne einen freundlichen Gruß, nie ohne ein Lächeln an den jüdischen Bewohnern vorbeigegangen sind. Es wurde von der damaligen Hausoberin ein Keller zur Verfügung gestellt, in dem Lebensmittel, Kartoffeln gelagert werden konnten."

Nazis übten großen Druck auf Klöster und Orden aus

Ein historischer Nutzungsvertrag und dessen erster Entwurf zeigen, wie aus der zwangsweisen Nutzung eines Klosterflügels in der Endfassung eine "freiwillige" Nutzung wurde, eine Umformulierung auf Druck der Nazis. Gegen all das konnten die Schwestern wenig ausrichten, so Historikerin Kaup: "Mit dem geheimen Erlass von Martin Bormann Anfang 1941 kam es dann tatsächlich zu einem sogenannten Klostersturm, das heißt, viele Klöster in Deutschland wurden aufgelöst, das heißt das Vermögen eingezogen und die Ordensleute aus den Häusern vertrieben, so dass man in der Tat vonseiten des Ordens Angst haben musste, dass auch dieses Anwesen beschlagnahmt würde und den Schwestern komplett weggenommen werden würde."

An das Schicksal der jüdischen Mitbürger in Berg am Laim wird am 24. November gedacht, mit einem Lichtergang zum Mahnmal gegen das Vergessen.

gedemütigt.deportiert.ermordet: Die Dokumentation "gedemütigt.deportiert.ermordet." handelt von der Deportation der Juden aus München und Würzburg. Andreas Bönte begibt sich in dem Film auf Spurensuche, spricht mit der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Dr. h. c. Charlotte Knobloch, und diskutiert mit Wissenschaftlern in München und Würzburg über Ansätze zur Aufarbeitung dieses dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte.
Bildrechte: Staatsarchiv Würzburg
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Die Dokumentation "gedemütigt.deportiert.ermordet." handelt von der Deportation der Juden aus München und Würzburg.

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