Wer in letzter Zeit auf der Suche nach einem Gebrauchtwagen war, hat es sicher gemerkt: Der Markt ist leergefegt.
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Wer in letzter Zeit auf der Suche nach einem Gebrauchtwagen war, hat es sicher gemerkt: Der Markt ist leergefegt.

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Begehrte Gebrauchtwagen: Darum ist der Markt fast leergekauft

Der Gebrauchtwagenmarkt in Deutschland ist momentan so leer wie schon lange nicht mehr. Gründe gibt es dafür mehrere: Das Coronavirus und ein Mangel an technischen Bauteilen gehören dazu. Eine Spurensuche in Niederbayern.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Nach ihrem Traum-Gebrauchtwagen hat Familie Stellner aus dem oberbayerischen Mühldorf am Inn lange gesucht. Doch weder in Ruhpolding, noch in Markt Schwaben oder München wurde sie fündig. Erst eine lange Internetrecherche und eine eineinhalbstündige Autofahrt nach Straubing in Niederbayern brachte den Erfolg. Ein Beispiel für den angespannten Gebrauchtwagenmarkt, der Käufer und Verkäufer belastet.

Kaufen was da ist

Auf dem Hof von Auto Seubert in Straubing kann Familie Stellner an einem kalten Novembervormittag endlich ihr Wunschfahrzeug besichtigen. Unter einer dünnen Schneeschicht versteckt sich ein hellblauer VW-Up mit Elektroantrieb und wenigen gefahrenen Kilometern. Der Wunsch nach einem gebrauchten Elektrofahrzeug hat die Suche nochmal zusätzlich erschwert.

Nach einer genauen Sichtprüfung und einem kurzen Verkaufsgespräch wechselt der Kleinwagen den Besitzer. Doch erst in der kommenden Woche kann Familie Stellner den Wagen holen - und reist dafür nochmal von Mühldorf an.

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Familie Stellner aus Mühldorf am Inn vor ihrem neuen Auto

Angebot schrumpft täglich

Ein schneller Autoverkauf, der Bernhard Seubert, den Chef von Auto Seubert, eigentlich froh machen könnte. Doch so einfach ist es nicht: Momentan ist das Angebot an Gebrauchtwagen kleiner als die Nachfrage der Kunden, erklärt er. "Wir haben normalerweise im Bestand zwischen 4.200 und 4.500 Fahrzeuge und aktuell haben wir 600. Es waren in den letzten Wochen aber auch schon deutlich unter 500." Die Lage sei nicht einfach, es sei alles sehr angespannt. Die Anfragen der Kunden seien da, aber sie könnten nicht alle erfüllt werden, "das ist eigentlich schade", so Seubert.

  • Zum Artikel: Lust auf Neuwagen so groß wie zuletzt 2003

Mit seinem Angebot gehört Auto Seubert in Straubing zu den größten Gebrauchtwagenhändlern in Bayern. Der Hof scheint auf den ersten Blick gut gefüllt mit verschiedenen Fahrzeugen - doch der Schein trügt: Jedes dritte Auto ist bereits verkauft und Nachschub kaum in Sicht.

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Der Hof von Auto Seubert in Straubing scheint gut gefüllt, doch der Schein trügt

Fehlende Bauteile bremsen die Produktion

Auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks liefert der Verband des Kraftfahrzeuggewerbes Bayern eine ausführliche Erklärung zu der angespannten Situation auf dem Gebrauchtwagenmarkt.

Zum einen hat die Autoindustrie schon seit längerer Zeit mit Lieferengpässen bei Halbleitern zu kämpfen. Halbleiter sind der Hauptbestandteil der Mikrochips und kommen in jedem modernen Auto vor. Deswegen werden schon seit geraumer Zeit weniger Neuwagen produziert und verkauft. Somit kommen auch weniger Gebrauchtwagen zurück auf den Markt. Leasingfahrzeuge werden teilweise länger gefahren als eigentlich vom Kunden eingeplant, da Ersatzfahrzeuge schlichtweg nicht zu bekommen sind. Lieferzeiten für manche Fahrzeuge betragen aktuell bis zu einem Jahr und mehr.

  • Zum Artikel: Lange Wartezeiten bei Neuwagen: Lieferengpässe erreichen Kunden

Den Halbleitermangel haben auch schon die bayerischen Autobauer BMW und Audi zu spüren bekommen. Teilweise wurden deswegen die Produktion gedrosselt und ganze Schichten gestrichen.

Coronavirus macht die Menschen vorsichtig und sparsam

Zum anderen führt die Coronakrise dazu, dass viele Autobesitzer aus finanzieller Unsicherheit heraus ihre alten Fahrzeuge lieber behalten anstatt neue zu kaufen. Wenn doch eine Neuanschaffung ansteht, greifen viele dann eher zum günstigeren Gebrauchtwagen als zum Neufahrzeug, das vielleicht noch nicht einmal lieferbar ist. In Zeiten einer Pandemie bevorzugen viele das eigene Fahrzeug als Transportmittel gegenüber Bus und Bahn, um das Risiko einer Ansteckung zu minimieren.

Preise von Gebrauchtwagen steigen

Das fegt den Gebrauchtwagenmarkt leer und macht die übriggebliebenen Fahrzeuge teurer - bis zu 18 Prozent sind die Preise im Vergleich zwischen 2019 und 2020 gestiegen, so der Verband des Kraftfahrzeuggewerbes Bayern. Im Schnitt stehen Gebrauchtwagen, die neu beim Händler eingetroffen sind, kürzer als früher. Während der Standzeit ist oft sogar eine Wertsteigerung erkennbar. In normalen Zeiten verlieren die Wagen dagegen an Wert, wenn sie lange stehen.

  • Zum Artikel: Preise für Gebrauchtwagen ziehen an

Internetportale vermelden Rekordwerte

Auch im Bereich der Privatverkäufe zeigt sich ein ähnliches Bild. Auf BR-Anfrage teilt die große Online-Verkaufsplattform autoscout24.de mit Sitz in München mit, dass das Angebot stetig sinkt. Die Auswahl geht über alle Fahrzeug-Segmente hinweg zurück, die Preise ziehen an.

Betrug der Durchschnittspreis eines Kleinwagens auf der Plattform im Januar 2020 noch rund 11.000 Euro, ist er bis zum Oktober 2021 auf gut 12.000 Euro angestiegen. Bei den Kombis ist der Durchschnittspreis sogar von 18.000 Euro im Juni 2020 auf 23.000 Euro im Oktober 2021 gestiegen.

Werkstätten merken gestiegene Nachfragen an Reparaturen

Während das knappe Angebot auf dem Gebrauchtwagenmarkt für die Händler und Verkäufer ein Problem ist, bemerken die Kfz-Werkstätten in Bayern häufig eine gesteigerte Nachfragen an Reparaturen. Gerade im Niedrigpreisbereich unter 5.000 Euro gibt es momentan kaum Angebote. Deswegen werden momentan Fahrzeuge noch einmal in Stand gesetzt und repariert, die früher häufig direkt im Ausland oder in der Schrottpresse gelandet sind.

Das bestätigt auf BR-Anfrage auch Josef Heigl, KFZ-Meister und Werkstattbesitzer aus Offenberg bei Deggendorf: "Man merkt schon, dass viele, die ein Auto um die 3.000 Euro suchen, fragen: 'Hast du nicht irgendeins zu Verfügung'. Sie lassen mittlerweile ihr Fahrzeug wieder bereitwillig reparieren, stecken nochmal 1.000 bis 1.500 Euro rein, um damit nochmal fahren zu können, weil es einfach schwierig ist, an gebrauchte Fahrzeuge zu kommen".

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Kfz-Meister Josef Heigl aus Offenberg bei Deggendorf: Kunden lassen mehr reparieren

Besserung nicht in Sicht

Der Verband des Kraftfahrzeuggewerbes Bayern rechnet nicht mit einer schnelle Entspannung auf dem leeren Gebrauchtwagenmarkt - im Gegenteil: Gerade die Halbleiter-Krise wird das Angebot an Neufahrzeugen weiter reduzieren - deswegen werden viele Kunden wieder auf Gebrauchtwagen zurückgreifen und den Markt weiter "leerkaufen".

Gebrauchtwagen verkauft
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Gebrauchtwagen verkauft

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