Ein Mann trägt in einer Synagoge eine Kippa mit einem aufgenähtem Davidstern.
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Bayern: Mehr antisemitische Vorfälle – auch durch Corona-Protest

Die Zahl antisemitischer Vorfälle in Bayern ist im vergangenen Jahr um 55 auf 239 gestiegen. Das meldet die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern. Besorgniserregend sei der Anstieg von verschwörungsideologisch geprägten Vorfällen.

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Ein Nürnberger Amateur-Rapper verbreitete via Instagram antisemitische Verschwörungserzählungen. An der Uni Bayreuth wird eine Corona-Information mit den Worten "Jew World Order" überklebt. Bei Anti-Corona-Protesten tragen Teilnehmer gelbe Sterne. 2020 hat sich Antisemitismus im Rahmen von Corona-Demonstrationen offener als sonst in der Öffentlichkeit gezeigt, sagt RIAS-Bayern-Leiterin Annette Seidel-Arpacı bei der Vorstellung des Jahresberichtes.

Antisemitismus als "verschwörungstheoretische Kitt"

Antisemitismus sei zum "verschwörungstheoretische Kitt" der Protestteilnehmer geworden, analysiert Seidel-Arpaci. Gleichzeitig müsse der alltägliche Antisemitismus, der auch vor Corona da war und der ein Fundament für die antisemitischen Inhalte auf den Demos bildet, im Blick behalten werden.

Rund ein Viertel mehr Angriffe

RIAS Bayern hat für das vergangene Jahr mit 239 rund ein Viertel mehr antisemitische Angriffe verzeichnet als noch 2019. Im Einzelnen dokumentiert der Jahresbericht einen Angriff, zehn Bedrohungen, 13 gezielte Sachbeschädigungen, 27 Massenzuschriften und 188 Fälle von verletzendem Verhalten.

Antisemitismus vermehrt auf der Straße

Auffällig sei die hohe Zahl von 108 Vorfällen, die einen Bezug zur Corona-Pandemie hatten. Und diese spielten sich bedingt durch die Corona-Proteste am häufigsten auf der Straße ab. Den größten Zuwachs verzeichnete dabei der moderne Antisemitismus, der sich verstärkt in Verschwörungserzählungen mit Corona-Bezug äußerte. 2019 hatten die meisten antisemitische Vorfälle noch einen rein rechtsextremen oder rechtspopulistischen Hintergrund.

Schuster fordert konsequentes Vorgehen

Dass der Antisemitismus unverhohlen in der Öffentlichkeit getragen werde, sei ein frappierender Trend, sagt Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden und des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. Die Relativierung des Nationalsozialismus und der Shoa gehörten zum Standard-Repertoire der sogenannten Corona-Rebellen. Schuster fordert ein konsequentes Vorgehen von Polizei und Justiz "gegen alle radikalen Kräfte".

RIAS will Dunkelfeld beleuchten

Schuster begrüßt daher, dass einzelne Kommunen wie München das Tragen von gelben Sternen bei Corona-Protesten ausdrücklich verboten haben. Gerade Vorfälle, die keinen Straftatbestand erfüllen, sollen und können bei RIAS Bayern gemeldet werden, sagt Bayerns Sozialministerin Caroline Trautner. Damit sei die Recherche- und Informationsstelle eine Ergänzung zu den von staatlich erhobenen Stellen Zahlen um das Dunkelfeld zu beleuchten. "Denn genau diese Fälle sind es, die das Alltagsleben prägen und das müssen wir sehr ernst nehmen."

Aufklärung und Prävention fördern

Trautner wie auch der Antisemitismusbeauftragte der Staatsregierung Ludwig Spaenle betonen, wie wichtig Aufklärung und Prävention gerade auch bei jungen Menschen ist. Der Chef der Bayern FDP Daniel Föst fordert, Lehrkräfte müssten verstärkt für die Thematik des Antisemitismus und Extremismus vorbereitet werden – auch mit Hinblick auf Corona-Verschwörungstheorien.

SPD: Querdenker-Szene rundum beobachten

Florian Ritter, der Rechtsextremismusexperte der SPD Fraktion im Landtag, mahnt eine stärkere Beobachtung der Querdenker- und Verschwörungstheorie-Szene an. Wenn diese Personengruppen erst beobachtet würden, sobald sie zu Straftaten aufriefen, wie es im aktuellen Verfassungsschutzbericht stehe, sei es zu spät.

RIAS Bayern: Antisemitische Vorfälle, auch solche unterhalb der Strafbarkeitsschwelle, können unter www.rias-bayern.de oder per Telefon unter 089 1 22 23 40 60 gemeldet werden. RIAS Bayern existiert seit 2019, befindet sich in der Trägerschaft des Vereins für Aufklärung und Demokratie e.V. (VAD) und wird vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.

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