Bamberger Living-Lab Demenz, das Demenzlabor an der Uni Bamberg
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Bamberger Living-Lab Demenz, das Demenzlabor an der Uni Bamberg

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Bamberger Demenzlabor: Auf der Suche nach Hilfe für Betroffene

Das Gesundheitsministerium geht von 270.000 Demenzerkrankten in Bayern aus. Bis 2040 wird ein Anstieg auf 380.000 diagnostiziert. Jeder Zweite hat Angst vor dieser Krankheit. In Bamberg will man Betroffene verstehen und ihnen im Alltag weiterhelfen.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Jeder Zweite in Deutschland hat Angst, einmal an Demenz zu erkranken. Das mag einerseits daran liegen, dass es noch immer keine Heilung gibt, andererseits macht vielen der Erinnerungsverlust Angst: irgendwann sein eigenes Kind nicht mehr zu erkennen, weder zu wissen, was ein Schirm noch ein Kochtopf ist, die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren.

Im Bamberger Living-Lab Demenz, kurz BamLiD, versuchen Wissenschaftler Demenzerkrankte besser zu verstehen. Sie wollen weiterhelfen, in dem sie die Mimik und andere Körpersignale von Patienten deuten lernen. Das kann vor allem bei der Pflege eine bedeutende Rolle spielen.

Zwölf Kameras beobachten Bewegungen

Seit drei Jahren gibt es das Bamberger Living-Lab Demenz, BamLiD. Es liegt etwas unscheinbar in der Hainstraße in einem Hintergebäude. Im Untergeschoss befindet sich ein großes Zimmer, ausgestattet mit einem Bett, einer kleinen Küche, Sitzecke, Tisch und Bewegungsbereich. Der Boden ist ein sogenannter Smart Floor. Mit über 70 Sensoren wird gemessen, wie sich eine Person im Raum bewegt und mit welcher Geschwindigkeit. So kann zum Beispiel festgestellt werden, wenn sie einen schwankenden Gang hat, Unsicherheit in ihren Bewegungen zeigt.

An den Wänden und Decken sind zwölf Kameras und 16 Mikrofone installiert, um das Verhalten, die Bewegungen, die Laute von Probanden genau analysieren zu können. An der Decke wurde eine spezielle Lichtanlage mit 46 LED-Panels installiert. Damit wird getestet, wie die Teilnehmer auf bestimmtes farbiges Licht reagieren, auf sonniges oder kaltes Licht, auf Nacht oder Tag und ob kalte Lichtduschen die Aufmerksamkeit steigern.

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Bamberger Living-Lab Demenz, Demenzlabor, Uni Bamberg

Biosignale werden gemessen

Die Teilnehmer werden auch mit Elektroden ausgestattet, um ihre Biosignale wie Herzfrequenz oder Hautleitfähigkeit zu erfassen. Das Herzstück des Labors ist ein Kontrollzentrum. Hier laufen alle Signalströme zusammen, werden erfasst und danach ausgewertet. Dieser Technikraum ist ausgestattet mit Bildschirmen mit vielen Einzelbildern der 12 Kameras. Jede Bewegung und Regung der Probanden wird aufgezeichnet, um alles später auswerten zu können.

Wird zum Beispiel eine Drucksimulation durchgeführt, so ist eine der Kameras direkt auf das Gesicht des Teilnehmers ausgerichtet. "Also Schmerz und andere Emotionen, die kommen ja immer in Sekundenbruchteilen, bilden sich ab und sind dann wieder weg. Deswegen müssen wir ja auch diese vielen Kameras nutzen", erklärt Prof. Dr. Stefan Lautenbacher von der Uni Bamberg. Er ist Begründer des BamLiDs. "Ein frontales Gesicht, dass produziert andere Meldungen als ein laterales Gesicht, also von der Seite. Es ist wichtig, dass wir uns dann eben auch so viele Mühe geben es aufzunehmen und dann sehen wir es."

Wenn man sich nicht mehr mitteilen kann

Oft können sich die Patienten ab einem gewissen Krankheitsstadium nicht mehr direkt äußern. Sie seufzen oder sind komplett regungslos, obwohl sie vielleicht Schmerz empfinden. "Wir können die sogenannte Vokalisation sehr genau untersuchen. Das sind so Laute, die nicht unbedingt eine verbale Botschaft vermitteln, sondern eher ein Stöhnen oder Gemurmel. Das ist dann interessant, wenn es einer Person nicht so gut geht. Wir wollen wissen: gibt es solche Einschränkungen im Empfinden, die sich dann eben auch durch Vokalisationen ausdrücken, durch Lautieren, wie man auch sagt."

Durch die vielen Messungen entsteht eine immense Menge an Daten, die dann mithilfe des Fachbereichs Informatik ausgewertet wird. In Zusammenarbeit mit der Abteilung Biologische Psychologie der Uni Augsburg soll die Demenzforschung vorangetrieben werden. "Am Ende wollen wir wissen, was sind Indikatoren für ganz bestimmte Zustände: für Ängste, für Schmerz, für andere Formen des Unwohlseins, für Ekel", so Prof. Lautenbacher von der Uni Bamberg, "weil wir davon ausgehen müssen, dass bestimmte Personen das nicht mehr mitteilen können. Und für solche Personen, die immer mehr werden unter uns, und es immer mehr Menschen gibt, die nicht mehr kommunikationsfähig sind am Ende des Lebens, versuchen wir jetzt diese Verhaltensindikatoren herauszukriegen: an was erkennt man bestimmte Zustände ohne eine Person fragen zu können."

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Bamberger Living-Lab Demenz, Demenzlabor, Uni Bamberg

Ziel: Erkrankte besser verstehen lernen

All die Daten aus dem BamLiD sollen helfen, Demenzkranke besser zu verstehen. Nur so kann auch die Pflege auf Patienten mit dieser Erkrankung besser abgestimmt werden. In Bamberg werden dazu regelmäßig Untersuchungen mit Demenzpatienten im Living-Lab durchgeführt. Rund 25 Probanden wurden in den letzten Jahren Aufgaben gestellt, wie beispielsweise eine Jacke anziehen oder einen Teller abspülen. Hier wird getestet, ob er die Namen einzelnen Gegenstände noch weiß oder ob sich der Pulsschlag und die Hautreaktion verändert, wenn ihm dies nicht mehr einfällt.

Ist Alzheimer und Demenz identisch?

Ein klares Nein. Unter dem Begriff Demenz werden mehr als 50 Erkrankungen zusammengefasst. Die häufigste und bekannteste Form ist Alzheimer. Rund zwei Drittel der Demenz-Erkrankten leidet unter dieser Krankheit. Daneben gibt es noch die vaskuläre Demenz, die Lewy-Körperchen-Demenz oder auch die Frontotemporale Demenz. Ihre Ursache, die Symptomatik und der Verlauf unterscheiden sich jeweils. In weniger als einem Prozent der Fälle ist die Krankheit erblich bedingt. In diesen Fällen bricht die Alzheimer-Krankheit bereits sehr früh aus, zwischen dem 30. und 65. Lebensjahr. Demenzpatienten, so zeigen Studien, leiden oft an Teilnahmslosigkeit, verspüren Angst, leiden unter Depressionen, innerer Anspannung und Unruhe, sind reizbar und zeigen verminderten Appetit.

1906 entdeckte der Arzt Alois Alzheimer eine "eigenartige Krankheit der Gehirnrinde". Bei einer verstorbenen Patientin hatte er Eiweißablagerungen im Gehirn gefunden. Die Betroffene war vor ihrem Tod äußerst verwirrt und vergesslich. Alzheimer forschte erst in Frankfurt, dann an der Königlich Psychiatrischen Klinik in München weiter an der Krankheit. Dabei stellte er fest, dass die Hirnrinde seiner damaligen Patientin geschrumpft war und er entdeckte Eiweißablagerungen in und zwischen den Nervenzellen.

Der Krankheit Demenz vorbeugen

Bei der Alzheimer-Demenz kommt es zum Verlust von Nervenzellen im Gehirn. Die Hirnatrophie (Schrumpfung) kann bis zu 20 Prozent betragen. Die verschiedenen Krankheitsstadien gehen fließend ineinander über bis zur kompletten Pflege. Alzheimer ist bis jetzt nicht heilbar, es stehen jedoch verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, die helfen sollen, den geistigen Abbau zu verzögern. Medikamente sollen auftretende Persönlichkeitsveränderungen mildern, andere dienen der Aufrechterhaltung der geistigen Leistungsfähigkeit.

Letztendlich sind die Ursachen der Erkrankung nicht abschließend geklärt und deshalb fehlen auch Möglichkeiten der Vorbeugung. Klar ist aber, dass eine gesunde Lebensführung von Vorteil ist. Dazu gehört körperliche und geistige Aktivität und eine ausgewogene Ernährung. Es gibt Hinweise, dass vor allem mediterrane Kost mit Gemüse, Obst, Fisch und wenig Fleisch einen positiven Einfluss hat.

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