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Demenz bekämpfen Mit dem richtigen Lebensstil gegen Demenz

Demenz ist weit verbreitet und nicht heilbar. Doch ob die Erkrankung uns trifft und wie schnell sie voranschreitet, können wir mit unserem Verhalten beeinflussen. Reporterin Veronika Keller begegnet Experten und Betroffenen und erlebt mit, wie sie gegen die Erkrankung vorgehen.

Von: Veronika Keller

Stand: 05.12.2023

Demenz lässt sich durch den Lebensstil beeinflussen. Man sollte dafür folgende Punkte beachten: körperlich aktiv sein, Schwerhörigkeit ernst nehmen, nicht Rauchen, soziale Kontakte pflegen, Übergewicht vermeiden, sich gesund ernähren, auf Alkohol verzichten, den Kopf vor Verletzungen schützen und das Gedächtnis trainieren.

Hans-Joachim Klages spielt mit seinem Sohn Nils gerade Tischtennis. Bewegung und soziale Kontakte kann er also schon mal abhaken. Der Rentner nimmt an einer Studie für Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen teil. Denn: Im Alltag stellte er irgendwann fest, dass etwas nicht stimmt. Er vergaß Erledigungen, kaufte völlig falsche Zutaten ein.

Lebensstil beeinflusst Demenz

Dinge, die vielen Menschen passieren können. Doch die Häufigkeit machte ihn stutzig. Krank fühlte er sich nicht. Dann hörte er von einer Studie: Der Versuch, mit kognitivem Training und guter Ernährung eine Demenz aufzuhalten. Er ließ sich untersuchen, und tatsächlich: Er hat ein sogenanntes "mild cognitive impairment". Eine Diagnose, die ihm Angst macht.

"Ich bin ein Mensch, der bisher immer alleine zurechtgekommen ist. Ich habe immer alles alleine gemacht. Und das ist das, was mich am meisten stört: Wenn ich auf andere angewiesen bin."

Hans-Joachim Klages

Demenzforscher Prof. Wolfgang Hoffmann erklärt, inwieweit der Lebensstil die Demenz beeinflussen kann.

"Man weiß ziemlich viel darüber und es ist auch ein wichtiges Thema in der Forschung. Wir glauben, dass insgesamt Risikofaktoren, die potenziell veränderbar sind, bis zu 40 Prozent des Demenzgeschehens erklären. Sodass wir tatsächlich nur etwa die Hälfte der Demenzen unvermeidlicherweise bekommen - und gegen den Rest etwas tun können."

Prof. Dr. med. Wolfgang Hoffmann, Epidemiologe und Demenzforscher, Dt. Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen Greifswald

Gesundes Essen: Wichtig nicht nur wegen Demenz

Ein wichtiger Faktor ist das Essen. Doch kann man wirklich so viel verändern, indem man zum Beispiel auf mediterrane Ernährung setzt?

"Wichtig ist, dass man nicht so viel isst. Denn zu dick zu sein, ist ein Risiko für Demenzerkrankungen. Und: Alle anderen Konsequenzen von schlechtem Essen sind Risikofaktoren für Demenz - wie die Gefäßveränderungen, Veränderungen am Herzen und Diabetes."

Prof. Dr. med. Wolfgang Hoffmann, Epidemiologe und Demenzforscher, Dt. Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen Greifswald

Mit gesunder Ernährung aktiv gegen Demenz

Seit einem halben Jahr beugt Hans-Joachim Klages nun aktiv vor: Als Teilnehmer der Erlanger Studie "Brainfit Nutrition" wird er zu gesunder Ernährung geschult und soll das Gelernte umsetzen. Da er Diabetes hat, ist sein Demenzrisiko erhöht.

"Obwohl ich immer gerne Wurst und Käse gegessen habe, esse ich jetzt nur noch Käse oder auch mal sowas wie Hummus. Und das fällt mir erstaunlicherweise nicht schwer."

Hans-Joachim Klages

Neuerdings gibt es bei ihm auch täglich Müsli und er setzt auf Vollkornprodukte. Inzwischen hat er abgenommen und den Diabetes im Griff.  

Demenz: Gedächtnistraining und kein Stress

Der zweite Ansatzpunkt der Studie: Regelmäßiges Gedächtnistraining. Dazu gehören Bilderpuzzle und verschiedene Quiz-Programme. Aber können solche Spielchen wirklich gegen Demenz wirken?

"Es gibt Studien, die zeigen, dass man mit dem richtigen Nutzen des Gehirns vorteilhafte Effekte erzielen kann. Wichtig ist aber, dass man sich nicht stresst. Training in dem Sinne, 'ich muss jetzt ganz viel Sudoku spielen oder Dinge tun, die mich eher belasten und stressen', das ist dann wieder negativ."

Prof. Dr. med. Wolfgang Hoffmann, Epidemiologe und Demenzforscher, Dt. Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen Greifswald

Wenn Angehörige an Demenz erkranken

Besonders stark kann das Bedürfnis, sich vor Demenz zu schützen, dann werden, wenn Angehörige betroffen sind. Diese Erfahrung hat Örjan Silfwergard gemacht. Vor vier Jahren bekam seine Frau Rosemarie die Diagnose Alzheimer-Demenz. In den Jahren davor war sie still geworden, hatte sich zurückgezogen. Auf einer Reise in seiner Heimat Schweden passierte dann etwas Ungewohntes:  

"Dann sitzen wir im Auto und meine Frau sagt plötzlich: Ich möchte nach Hause zu meinem Mann. Ja, ich bin doch dein Mann. Nein, mein Mann ist zu Hause. Was? Da habe ich gedacht, was ist jetzt? Dann sind wir zum Hausarzt gegangen und der hat gesagt, das ist so ein Aussetzer."

Örjan Silfwergard

Früher spielte seine Frau Gitarre. Heute kann sie auf einem vereinfachten Zupfinstrument noch Melodien erklingen lassen. Örjan Silfwergard versucht, den Alltag so zu gestalten, dass die Erkrankung möglichst langsam voranschreitet – und er selbst gesund bleibt. Gemeinsam in ihrem Haus.

"Wenn ich in ihrer Situation wäre, wenn es umgekehrt wäre, dann möchte ich auch gerne, dass sie mich so pflegen würde. Dass ich hier solange wie möglich wohnen könnte. Man hat ja auch eine Verantwortung füreinander. Vor allem, wenn man sich gerne mag. Und ich mag ja meine Frau."

Örjan Silfwergard

Gibt es "gehirngesunde Lebensmittel"?

Dreimal die Woche bringt er sie in eine Tagespflege, damit er sich um den Haushalt kümmern kann - und ein wenig auch um sich. Seit der Diagnose versucht er durch Bewegung und eine besonders gute Ernährung etwas gegen die Demenz zu tun. Gesund und fleischlos hat das Ehepaar schon vor der Diagnose gegessen. Er wollte es nun noch besser machen.

"Man denkt: Wenn ich das jetzt umstelle und genauso mache wie es vorgeschlagen wird, dann muss es ja besser werden."

Örjan Silfwergard

Über bestimmte Lebensmittel las er, sie seien angeblich besonders wertvoll, wenn es darum geht, "gehirngesund" zu essen: Nüsse, Öle, manche Obst- und Gemüsesorten, Gewürze. Doch stimmt das, gibt es wirklich Lebensmittel, die gut gegen Demenz sind?

"Das kann man hoffen, dass es die gibt. Aber verlässliche Belege gibt es noch nicht. Man kann sich ja vorstellen, warum: Ich muss das über viele Jahre verfolgen, weil die Demenz ja lange dauert, bis sie sichtbar wird. Das heißt, das ist wissenschaftlich relativ schwer nachzuweisen."

Prof. Dr. med. Wolfgang Hoffmann, Epidemiologe und Demenzforscher, Dt. Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen Greifswald

Wichtig: Soziale Kontakte

Örjan Silfwergard bleibt trotzdem zuversichtlich. Auch beim Thema soziale Kontakte. Früher war das Paar viel zu Hause. Seit der Diagnose bemüht er sich um mehr Austausch. Gemeinsam waren sie bei Tanz- und Sportveranstaltungen und sogar beim Improtheater. Anschluss und Austausch haben die Silfwergards bei der Alzheimer Gesellschaft gefunden. Sie unterstützt Betroffene und deren Angehörige. Hier findet auch regelmäßig eine Kochgruppe für Menschen mit Demenz statt.

Vier Teilnehmer machen dort heute mit. Es soll Fleischpflanzerl mit Kartoffelgurkensalat geben, danach Obstsalat. Koch Werner Weis bespricht mit der Gruppe, was es zu tun gibt. Als Betreuerin ist Demenzhelferin Dagmar Aimer dabei. Erstmal geht’s zum Einkaufen. Richard und Joachim sind selbst betroffen, Gerhard begleitet seine demenzkranke Frau Rosemarie.

"Alles, was wir machen, ist natürlich auch gut fürs Gehirn. Also wenn wir uns die Rezepte überlegen, zusammen einkaufen gehen, die Sachen im Supermarkt suchen, ist das gut für unsere Denkfähigkeit. Und wenn wir dann zusammen schneiden und schälen, ist das gut für unsere motorischen Fähigkeiten. Und am wichtigsten ist natürlich, einfach in Gesellschaft zu sein."

Dagmar Aimer, Demenzberaterin, Alzheimer Gesellschaft München

Demenz: Motorik eingeschränkt

Alle helfen zusammen, da klappt das Einkaufen problemlos. Zurück in der Küche geht es ans Zubereiten. Die Gruppe schneidet Zwiebeln und Gurken. Richard übt sich im Pflanzerl-Formen. Er geht regelmäßig zur Kochgruppe.

"Weil es nette Leute sind, weil es lustig ist, zusammen zu arbeiten. Daheim esse ich eigentlich hauptsächlich Haferflocken mit Kakao. Das ist hier eine ganz gute Abwechslung."

Richard

In der Kochgruppe für Demenzkranke wird der Nachtisch fertig. Hier läuft alles etwas gemächlicher als in anderen Küchen – aber es scheint bestens zu funktionieren. Doch mit manchen Aufgaben sind einige schon mal überfordert.

"Es ist eben so, dass die Motorik eingeschränkt ist. Das ist auch ein Symptom der Demenz. Und es kann im Lauf der Erkrankung passieren, dass man nicht mehr fein schneiden kann. Das ist aber kein Problem, dann finden wir eine andere Tätigkeit. Und sonst ist es auch nicht dramatisch, wenn das Apfelstück etwas größer ist."

Dagmar Aimer, Demenzberaterin, Alzheimer Gesellschaft München

Inklusion ist gesund

Und wie genau kann Geselligkeit vor Demenz schützen?

"Menschen mit vielen sozialen Kontakten haben ein niedrigeres Demenzrisiko. Das ist erwiesen. Wie das stattfindet, ist viel weniger klar. Tatsache ist, dass soziale Inklusion gesund ist. Das gilt nicht nur für Demenz, sondern noch für viele andere Krankheiten. Und deswegen ist es ganz wichtig, dass man darauf achtet. Gerade wenn man älter wird, dass man sich mit anderen verbindet und austauscht."

Prof. Dr. med. Wolfgang Hoffmann, Epidemiologe und Demenzforscher, Dt. Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen Greifswald

MoCa-Test: erkennt kognitive Einbußen

Zurück nach Franken. Am Uniklinikum Erlangen wurde letztes Jahr festgestellt, dass Hans-Joachim Klages eine leichte kognitive Einschränkung hat – und zwar mit dem so genannten MoCa-Test. MoCa-Test steht für Montreal Cognitive Assessment Test. Der Test soll leichte kognitive Einbußen erkennen. Nach einem halben Jahr mit kognitivem Training und Ernährungsanpassung wird Hans-Joachim Klages heute nochmal getestet, um zu sehen, ob sich etwas verändert hat.

Die Studie wird von Prof. Elmar Gräßel geleitet - gemeinsam mit einem Berliner Kollegen. Gerade bereitet er schon die nächste Studie zur Demenzprävention vor, für die er noch Teilnehmer sucht. Warum ist der MoCa-Test ein gutes Instrument für diese Studien?

"Die Aufgaben sind so konstruiert, dass man vom Schwierigkeitsgrad her zwischen geistig unauffällig und leichten Beeinträchtigungen unterscheiden kann. Bei schweren Beeinträchtigungen sind die Aufgaben dann fast schon zu schwer. Da braucht man dann wieder andere Verfahren."

Prof. Dr. med. Elmar Gräßel, Demenzforscher, Universitätsklinikum Erlangen

Kognitives Training und Ernährungsumstellung helfen

Bei Hans-Joachim Klages läuft es heute gut. Sein Ergebnis zeigt eindeutig: Er hat sich während des letzten halben Jahres deutlich verbessert.

"Ich freue mich. Es ist ein Aufwand, und ich finde, dass es durch dieses Ergebnis belohnt wird und sich auch zukünftig lohnen wird, das weiter zu tun."

Hans-Joachim Klages

"Heilen kann man Demenz zwar noch nicht – aber in der Forschung tut sich viel. Und: Wir sind der Erkrankung nicht hilflos ausgeliefert. In jeder Altersstufe kann man etwas tun, um sich zu schützen."

Veronika Keller, Reporterin


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