Interne Whats-App-Gruppe, in der der Schlachthof laut MDR Fakt vor einer Kontrolle gewarnt wird
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Die Soko Tierschutz erhebt schwere Vorwürfe gegen den Schlachthof in Aschaffenburg wegen Tierquälerei. So reagiert die Stadtverwaltung.

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Tierärztin soll Schlachthof vor Kontrollen gewarnt haben

Personal ohne Sachkunde, unzureichende Betäubungen, Tierquälerei: Die Tierschutz-Organisation SOKO Tierschutz erhebt schwerwiegende Vorwürfe gegen den Aschaffenburger Schlachthof. Eine Veterinärin soll vor Kontrollen der Landesbehörde gewarnt haben.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

"Schonendster Umgang mit den Tieren, tierschutzgerechte und hygienische Schlachtung sind kein Muss sondern eine Selbstverständlichkeit." Das schreibt der Schlachthof Aschaffenburg auf seiner offiziellen Internetseite. Die Realität sah wohl anders aus. Das legen Aufnahmen der Tierschutzorganisation SOKO Tierschutz nahe, die am Dienstagabend (25.07.2023) im ARD-Magazin "Fakt" ausgestrahlt wurden. So versucht ein Mitarbeiter mehrfach erfolglos, ein Rind mit einem Bolzenschuss in den Kopf zu töten. Doch der Kopf ist nicht richtig fixiert. "Man kann sich das eigentlich nicht anschauen. Das sind Momentaufnahmen aus einem Schlachthof, wo eigentlich ein Veterinäramt drüber wachen sollte, wo Landesbehörden drüber wachen sollten und wo die Leute das Fleisch kaufen, weil es ja vom Metzger nebenan ist", sagt Friedrich Mülln von SOKO Tierschutz.

Amtsveterinär: Zustände ein "Desaster"

"Das Personal muss dann wissen, was zu tun ist - und das weiß es hier nicht", kommentiert die Szene Kai Braunmiller von der Bundesarbeitsgemeinschaft Fleischhygiene. Das Urteil des Amtsveterinärs: Die Missstände im Schlachthof Aschaffenburg seien ein Desaster und völlig inakzeptabel. Ein weiterer Vorwurf von SOKO Tierschutz ist, dass "die amtliche Veterinärin den Schlachthof mehrfach vor Kontrollen der Landesbehörde KBLV gewarnt hat". Im ARD-Beitrag von "Fakt" wird eine interne Whatsapp-Gruppe gezeigt, in der eine konkrete Kontrolle Anfang April verraten wird, Zitat: "Am Freitag kommt KBLV zur Kontrolle". Die Stadt habe daraufhin eingeräumt, dass die Kontrolle – so wörtlich – "versehentlich" von der amtlichen Tierärztin verraten wurde. Sie sei daraufhin belehrt worden.

Tierärztin gab Kontrollen weiter

Amtsveterinär Kai Braunmüller hat dazu eine klare Meinung: "Das geht gar nicht. Wir sind hoheitlich tätig, ob als amtlicher Tierarzt oder Amtstierarzt. Wenn ich so jemanden hätte, den würde ich fristlos entlassen, weil das Vertrauen, das ich als Behörde in ihn setze, nicht gegeben ist." Die Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) hatte zuvor auf Anfrage von BR24 mitgeteilt, dass die Betriebe grundsätzlich "unangekündigt und objektiv" kontrolliert werden. Und: "KBLV-Mitarbeiter geben keine Informationen über anstehende Kontrollen an Betriebe weiter, da dies den Kontrollzweck gefährden würde."

Glauber fordert hartes Eingreifen

Der Bayerische Verbraucherschutzminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) hat kein Verständnis für die Vorgänge im Schlachthof. Er teilte der ARD mit: "Ich erwarte ein hartes und konsequentes Eingreifen der zuständigen Behörden. Der Sachverhalt muss umfassend aufgeklärt werden." Auch die Aschaffenburger Kommunalpolitik hatte in dieser Woche quer durch alle Parteien Aufklärung und mehr Transparenz gefordert. Oberbürgermeister Jürgen Herzing (SPD) sagte am Abend im BR Fernsehen, er könne sich die Vorfälle im Moment nicht erklären. "Wir sind sehr verwundert darüber, dass dieses gesamte System der Eigenkontrolle, so ist das angelegt über die EU, nicht funktioniert hat, obwohl es einen Tierschutzbeauftragten gibt." Die amtlichen Tierärzte seien zuständig für die Fleischhygiene, müssten aber eingreifen, wenn sie etwas feststellen, so Herzing. Ermittlungsbehörden seien aber die KBLV und die Polizei.

Fehlbetäubungen und Stromstöße

Am Dienstag haben die Tierschützer der SOKO Tierschutz dem Bayerischen Rundfunk Aufnahmen aus dem Aschaffenburger Schlachthof zur Verfügung gestellt. Es soll sich dabei um Bildmaterial aus den letzten vier Wochen handeln. Die Aufnahmen hatten die Tierschützer zuvor bereits der ARD und den Behörden zur Verfügung gestellt. Zu erkennen sind dabei unter anderem massenhafte Fehlbetäubungen und Tiere, die mit zig Stromstößen hintereinander gequält werden. Arbeiter treten und schlagen die Tiere teilweise. Wenn die Betäubung nicht klappt, werden die Tiere laut den Aufnahmen bei vollem Bewusstsein geschächtet. Das seien "illegale Eingriffe", hebt die Tierschutzorganisation hervor.

Tierärztin und Tierschutz-Mitarbeiter

Die einzelnen Personen in den Aufnahmen sind zensiert und nicht zu erkennen. SOKO Tierschutz beschreibt allerdings, dass teilweise die amtliche Tierärztin und ihre Mitarbeiter nur wenige Meter entfernt stehen und von den Vorfällen mitbekommen. Außerdem sei ein Täter, der schon vor 10 Jahren bei der ersten Aufdeckung Tiere quälte, weiter im Schlachthof beschäftigt. Auch damals dokumentierte ein Tierschutz-Mitarbeiter die Straftaten. Weiter heißt es in einer Pressemeldung der Tierrechts-Organisation: "Auch der Tierschutzbeauftragte ist in die Quälereien direkt involviert."

Stand der Ermittlung

Die KBLV hat daraufhin vergangene Woche den Schlachthof unangekündigt durchsucht und geschlossen. Auch die Staatsanwaltschaft durchsuchte letzte Woche den Schlachthof und ermittelt nun. "Wer Tiere quält, der darf nie wieder mit Tieren zu tun haben. Wir fordern Schlachtverbot für immer für alle Verantwortlichen", fordert SOKO Tierschutz. Einigen Mitarbeitern wurde bereits gekündigt, die Betriebsleitung spricht von einem neuen Tierschutz-Konzept. Ob und wann der Schlachthof wieder den Betrieb aufnimmt, ist derzeit noch unklar.

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