Finanzielle Belastungen für Verbraucher steigen. Eine Folge ist die Vielzahl von Tarifauseinandersetzungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern.
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Finanzielle Belastungen für Verbraucher steigen. Eine Folge ist die Vielzahl von Tarifkonflikten zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern.

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"Geiselhaft" Arbeitskampf? So wird ums Streikrecht gestritten

Gestreikt wurde häufig in letzter Zeit: bei privaten Bahnen, an Flughäfen, in Krankenhäusern. Die Arbeitgeber fordern das Streikrecht zu begrenzen – Gewerkschaften reagieren erbost.

Über dieses Thema berichtet: Interview der Woche am .

Öffentlicher Dienst, Handel, Verkehr – in all diesen Bereichen gibt es wegen der Belastungen durch die Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine Tarifkonflikte zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Zuletzt und aktuell mündet das immer wieder in Warnstreiks. Arbeitskämpfe sind als Grundrecht im Grundgesetz verankert – doch Arbeitgeber fordern nun eine Anpassung.

Arbeitskämpfe als Ausnahmen? BDA-Chef spricht von "Geiselhaft"

Nachdem Streiks an sieben deutschen Flughäfen in der vergangenen Woche für zahlreiche Ausfälle und Verspätungen sorgten, dringt die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) auf gesetzliche Regelungen für Arbeitskämpfe. "Dieser Ausstand macht einmal mehr deutlich: Unser Arbeitskampfrecht wird zunehmend unberechenbar", sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

"Gesetzliche Regelungen für den Arbeitskampf sind daher überfällig. Ein Gesetz, das klar macht, dass Arbeitskämpfe Ausnahmen bleiben sollen, kann auch ein Beitrag zur Stärkung der Tarifbindung sein." Ein Streik, der den Flugverkehr in Deutschland zum Erliegen bringe, sei kein Warnstreik mehr. "Fluggesellschaften und Passagiere wurden für überzogene Streikziele in Geiselhaft genommen." Gerade in dieser geopolitisch und wirtschaftlich komplizierten Lage müsse die Balance gehalten werden.

Kampeter fordert "gesetzlichen Rahmen für Arbeitskämpfe"

Kampeter begrüßte die Einigung zwischen der Deutsche Bahn und der EVG vom Wochenende. "Dass hierfür erst die Gerichte bemüht werden mussten, ist kein Ruhmesblatt für die Tarifautonomie", kritisierte Kampeter jedoch. Dies zeige noch einmal, "dass ein gesetzlicher Rahmen für Arbeitskämpfe erforderlich ist", fügte er hinzu. "Dies kann die Eskalation schon am Beginn einer Auseinandersetzung erheblich dämpfen." Nach einer Verständigung vor Gericht hatte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) im Tarifkonflikt mit der Bahn auf den angekündigten 50-stündigen Warnstreik ab Sonntagabend verzichtet. Nun soll in weiteren Verhandlungen eine Tarifeinigung gesucht werden.

Verdi sieht Forderung nach Streikrecht-Begrenzung mit Sorge

Bei der Vereinten Dienstleistungs­gewerkschaft (Verdi) betrachtet man die aktuelle politische Diskussion zur Streikrechtseinschränkung mit großer Sorge. "Die Bundesrepublik Deutschland ist eines der streikärmsten Länder der Erde. Regelmäßig belegt die Bundesrepublik bei der jährlichen Statistik der Ausfallzahlen durch Arbeitskampftage einen der hinteren Plätze", heißt es in einem Statement von Verdi Bayern gegenüber BR24.

Das allein zeige schon, dass die bundesdeutschen Gewerkschaften mit dem Streikrecht besonnen und überlegt umgingen. "Im Gegenteil müssen sich eine ganze Anzahl von Arbeitgebern (und deren Verbände) vorhalten lassen, dass sie mit ihrer Outsourcing-Politik, mit Betriebsabspaltungen, Tarifflucht und weiteren Aktionen selbst für die Verhältnisse gesorgt haben, die sie jetzt so lautstark bedauern", heißt es in dem Statement.

DGB-Chefin Fahimi erteilt Regulierung eine Absage

Die Forderung von BDA-Hauptgeschäftsführer Kampeter sind nicht neu. Die Bundesvorsitzende des Unions-Verbands "Mittelstands- und Wirtschaftsunion", Gitta Connemann (CDU), brachte bereits Vorschläge ein. So sollen Arbeitskämpfe in der kritischen Infrastruktur stärker regulieren werden, zum Beispiel in Krankenhäusern oder bei der Bahn. Neben einer rechtzeitigen Streikankündigung und der Gewährleistung einer Grundversorgung solle nach Connemann zunächst ein Schlichtungsverfahren abgeschlossen werden, bevor Streikmaßnahmen ergriffen werden könnten.

Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi, wies die Forderungen nach strikteren Spielregeln bei Arbeitskämpfen in Deutschland, zurück. Im Interview mit BR24 hatte Fahimi vor zwei Wochen gesagt, es gebe bereits ein funktionierendes und verhältnismäßiges Streikrecht in Deutschland. Forderungen nach einem Arbeitskampfrecht mit strikteren Spielregeln für Verhältnismäßigkeit nannte sie wörtlich: "einen Versuch, das Streikrecht als solches auszuhebeln um damit am Ende dem Interesse einiger Arbeitgeber gerecht zu werden, die sich ohnehin schon seit vielen Jahren auf die Tarifflucht begeben und Beschäftigte der eigenen Willkür unterwerfen wollen."

Tarifverhandlungen ohne Streikrecht "wie kollektives Betteln"

Die DGB-Chefin fügte hinzu, dass die Gewerkschaften ihre Aktionen in der kritischen Infrastruktur und systemrelevanten Bereichen ohnehin vorsichtig planten und es schon immer entsprechende Notfallpläne bei Streiks und Warnstreiks gegeben habe. Fahimi erinnerte in diesem Zusammenhang an eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Tarifverhandlungen ohne Streikrecht "wie kollektives Betteln" wären.

Von Verdi Bayern heißt es zur Debatte abschließend, "den von Herrn Kampeter geforderten gesetzlichen Rahmen für Arbeitskämpfe gibt es aus unserer Sicht bereits: Das Grundgesetz."

Beitrag zum Hören: Fahimi gegen striktere Regeln beim Streikrecht

Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Yasmin Fahimi
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Christoph Soeder
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

DGB-Chefin Fahimi gegen striktere Regen beim Streikrecht

Mit Informationen von Reuters und dpa

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