Bundespräsident Steinmeier spricht beim Festakt zum 75. Jahrestag des Verfassungskonvent im Spiegelsaal des Schlosses auf der Insel Herrenchiemsee.
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Bundespräsident Steinmeier spricht beim Festakt zum 75. Jahrestag des Verfassungskonvent im Spiegelsaal des Schlosses auf Insel Herrenchiemsee.

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75 Jahre Verfassungskonvent: Ernste Mahnungen auf Herrenchiemsee

Vor 75 Jahren hat auf Herrenchiemsee der Verfassungskonvent getagt. Dabei wurden die Grundlagen für das Grundgesetz geschaffen. Am Donnerstag begingen Politiker das Jubiläum mit einem Festakt - und mahnten, die Demokratie zu schützen.

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Es ist fast ein Superlativ, den Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Beginn des Festakts auf Herrenchiemsee wählt: "Der Verfassungskonvent von Herrenchiemsee ist unter den wichtigen Momenten in der Geschichte der deutschen Demokratie wohl einer der unbekanntesten. Dabei ist er einer der bedeutendsten."

Im August 1948 fand der Verfassungskonvent im Alten Schloss auf Herrenchiemsee statt, einberufen von den westlichen Besatzungsmächten. Innerhalb von zwei Wochen erarbeitete das Gremium aus rund 30 Delegierten der Länder eine Verfassung, die als Grundlage für das deutsche Grundgesetz diente. "Es ist erstaunlich, wie in so kurzer Zeit man damals zu einem Ergebnis kam", so Steinmeier.

Steinmeier: "Verfassungsfeinde wollen ihre Gegner vernichten"

Unsere Verfassung vertrage harte und härteste Auseinandersetzungen, ist sich Steinmeier sicher. Verfassungsfeinde allerdings könne die Verfassung nicht integrieren. "Politische Gegnerschaft ist eines, Verfassungsfeindlichkeit etwas ganz anderes. Verfassungsfeinde wollen ihre politischen Gegner vernichten, ihr Ziel ist Herrschaft ohne Widerspruch." Deshalb heiße es wehrhaft zu sein, die Lügen von Freiheitsfeinden nicht mit Schweigen und Beschwichtigungen hinzunehmen. Widerspruch sei immer dann gefordert, wenn Agitatoren von "System", "Unrechtsregime" oder "Diktatur" sprächen.

Dann wird Steinmeier noch deutlicher und ruft - ohne die Partei beim Namen zu nennen - dazu auf, nicht die AfD zu wählen: Kein mündiger Wähler könne sich auf mildernde Umstände herausreden, wenn er sehenden Auges politische Kräfte stärke, die zur Verrohung unserer Gesellschaft und zur Aushöhlung der freiheitlichen Demokratie beitrügen. "Politisch müssen wir uns immer im Klaren sein: Unsere Verfassung verliert ihre Gültigkeit an dem Tag, an dem sie uns gleichgültig wird."

Aigner: Auf Herrenchiemsee wurden die "wichtigen Weichen gestellt"

"Hier auf Herrenchiemsee sind vor 75 Jahren die wichtigen Weichen gestellt worden." Mit diesen Worten war zuvor Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) im Spiegelsaal des Neuen Schlosses Herrenchiemsee ans Rednerpult getreten. Aigner erinnert an die "Errungenschaften, die hier nach der Katastrophe des Nationalsozialismus in Worte gefasst worden sind." Deutschland habe am Boden gelegen, auf Herrenchiemsee hätten Politiker, Staatsrechtler, Beamte um den zentralen und unantastbaren Wert der Menschenwürde herum einen Gegenentwurf erarbeitet. "Diese Verfassung unseres Landes (...) ist für uns die beste Verfassung, die es gibt", so Aigner.

"Wehret den Anfängen"

Nach dieser positiven Rückschau wirft Aigner einen Blick in die Gegenwart. Dieser Blick kann ihrer Meinung nach nicht nur zuversichtlich stimmen. Autokraten hätten der Demokratie und der westlichen Lebensart den Kampf angesagt. Dann schaut Aigner nach Deutschland. Auch hier gelte es, um die Demokratie zu ringen. Das Schüren von Wut sei brandgefährlich. Die Menschenwürde ganzer Personenkreise werde vermehrt durch Vertreter einer Partei verletzt - durch Verschwörungstheorien, Hass und Hetze. Aigner appelliert deshalb: "Wehret den Anfängen - das müssen wir ernst nehmen!" Auch sie nennt die AfD nicht direkt beim Namen. Aber: Die Menschen in Deutschland hätten die Wahl, die Menschen in Bayern schon am 8. Oktober, so die Landtagspräsidentin.

Söder: Keine "formale" Demokratie

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fordert: "Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit", denn die deutsche Demokratie sei die beste, die man sich vorstellen könne. Sie sei eben keine "formale" Demokratie - deshalb müsse man gegenüber ihren Feinden Stärke zeigen.

Ausstellung "Der Wille zu Freiheit und Demokratie"

Am Vormittag hatten Steinmeier, Söder und Aigner die neue Ausstellung im Alten Schloss eröffnet. Dort hatten vor 75 Jahren rund 30 Delegierte aus den westlichen Bundesländern die Grundlagen für eine neue Verfassung erarbeitet. Man habe ein modernes und ein Mit-Mach-Museum schaffen wollen, sagten die beiden Kuratorinnen zu Beginn. Ziel der Ausstellung sei es zu zeigen, was in den 14 Tagen des Konvents passiert sei. Wer waren die Akteure? Was hat die Menschen damals bewegt?

Protest der "Letzten Generation"

In Sichtweite des Alten Schlosses hielt die "Letzte Generation" eine Protestveranstaltung ab. Ihrer Meinung nach verstößt die Bundesregierung mit ihrer "unzureichenden Klimapolitik" gegen das Grundgesetz, weil sie die menschlichen Lebensgrundlagen untergrabe und damit auch Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Freiheit gefährde.

Im Video: 75 Jahre Verfassungskonvent mit Experteninterviews

Aufnahme vom Verfassungskonvent vor 75 Jahren
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Aufnahme vom Verfassungskonvent vor 75 Jahren

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