Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf beim Rundgang auf der Consozial 2022.
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Sozialministerin Ulrike Scharf beim Rundgang auf der Sozialmesse Consozial. Ihr Vorschlag nach längeren Arbeitszeiten erntete viel Kritik.

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12-Stunden-Tag: Sozialverbände kritisieren Ministerin Scharf

Bis zu zwölf Stunden am Tag arbeiten – das soll nach Ansicht von Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf in der Sozialwirtschaft möglich sein. Ihr Vorschlag stößt auf Widerstand in der Branche: Auf Dauer hätte eine solche Regelung fatale Folgen.

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Der Vorschlag von Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) schmeckt den Sozialverbänden überhaupt nicht. Zum Auftakt der Sozialmesse ConSozial in Nürnberg erteilten sie Scharfs Forderungen nach längeren Wochenarbeitszeiten und einem möglichen Zwölf-Stunden-Tag eine Absage.

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Zwölf-Stunden-Schichten bereits negativer Alltag

Zwölf-Stunden-Schichten seien in der Medizin "längst an der Tagesordnung", sagte der Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtpflege e.V, Ulrich Lilie. Dazu brauche es keine Flexibilisierung der Arbeitszeiten im Sozialbereich.

Wenn Scharfs Vorschlag umgesetzt würde, würde man vielmehr "etwas legitimieren, was auf Dauer fatale Folgen hat." Wegen der hohen Arbeitsbelastung in Kliniken, Altenheimen und anderen sozialen Einrichtungen spreche man schon jetzt nicht mehr von "Burnout", sondern von "Coolout" – die Beschäftigten stumpften ab, "weil sie ständig überbelastet sind. Sie verlieren ihre Empathie", so Lilie.

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Längere Arbeitszeiten sind abschreckend

Statt einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten müsse man alles dafür tun, den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen, meint Ulrich Lilie. So brauche es in den kommenden Jahren in Deutschland allein im Pflegebereich 500.000 Fachkräfte. Wilfried Mück, Verwaltungsdirektor des Deutschen Caritasverbands im Landesverband Bayern, befürchtet im Fall einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten gar eine weitere Abwanderung von Mitarbeitenden. "Ich kann niemanden in einem Bereich, der jetzt schon mit einem Fachkräftemangel kämpft, sagen: Dann begegnen wir dem Ganzen, indem wir die Arbeitszeiten hochsetzen", so Mück.

AWO plädiert für 35-Stunden-Woche

Aus Sicht der Arbeiterwohlfahrt (AWO) sollte die Arbeitszeit in der Sozialwirtschaft vielmehr abgesenkt werden. Um den Mangel an Fachkräften in der Branche zu mindern, seien "mutige Maßnahmen" nötig - zum Beispiel "die 35 Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, gute Arbeitsbedingungen und mehr Personal, aber keine endlosen Schichten, die zum Hamsterrad für die Fachkräfte werden", erklärten die beiden AWO-Landesvorsitzenden Nicole Schley und Stefan Wolfshörndl in einer Mitteilung. Längere Arbeitszeiten seien das falsche Signal. "Das wäre nicht nur ein Schritt, sondern ein Spurt nach hinten".

Ausbildungen ausländischer Fachkräfte anerkennen

Auch das Bayerische Rote Kreuz (BRK) kritisierte den Vorstoß der Sozialministerin. "Eine 48-Stunden-Woche in der Sozialwirtschaft ist unrealistisch, unattraktiv und nicht mehr zeitgemäß", sagte BRK-Vizepräsidentin Brigitte Meyer. "Zudem eröffnet eine 48-Stunden-Woche Tür und Tor für eine 60-Stunden-Woche durch Überstunden und Mehrarbeit." Um die Personalnot in der Pflege zu lindern, müssten stattdessen zum Beispiel Berufsausbildungen ausländischer Fachkräfte einfacher anerkannt werden.

Ministerin Scharf: Längere Arbeitszeiten sinnvoll

Bayerns Sozialministerin Scharf hatte im Vorfeld der ConSozial in Nürnberg ihre Forderungen nach flexibleren Arbeitszeiten in der Sozialwirtschaft noch einmal bekräftigt. Sie sagte: "Wir müssen offen über eine längere Arbeitszeit an einzelnen Tagen von bis zu zwölf Stunden und eine Wochenarbeitszeit von 48 Stunden diskutieren – flexibel und auf freiwilliger Basis." Die Kritik an ihrem Vorschlag wies Scharf auf BR-Anfrage zurück: Flexiblere Arbeitszeiten seien vielmehr eine "Win-win-Situation."

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