Bayern 2 - Nachtmix

Neuerscheinungen der Woche Neue Alben von Girl Ray, Hans-A-Plast und Annie Hart

Die Neuheiten der Woche im kompakten Überblick. Neue Platten gibt's von Unsolicited Joints, Emil Amos, Hans-A-Plast, Homeboy Sandman, Cato, Annie Hart, Girl Ray, The Highmarts und Bethany Cosentino.

Von: Matthias Hacker

Stand: 03.08.2023

Girl Ray - Prestige | Bild: Moshi Moshi

Bethany Cosentino – Natural Disaster

Bethany Cosentino ist bekannt geworden als Sängerin der Indieband Best Coast. Sie wollte eigentlich nie ein Soloalbum machen und hat es nun doch getan. Inmitten all der Krisen – Pandemie, Klimakatastrophe, Kriege – hat sich Cosentino gefragt: Warum mache ich gerade eigentlich keine Musik? Sie brauchte wohl einen kreativen Kanal für ihre Gedanken und Gefühle. Da fing sie an, ihr erstes Soloalbum zu schreiben. Machte sie mit Best Coast noch eher bittersüßen, surfigen 60er Jahre Lofi-Rock, kommen die Einflüsse auf Natural Disaster eher aus der Country- und Poprock-Ecke. Das ist deutlich mehr Middle-Of-The-Road, und Sheryl Crow lässt grüßen. Auch wenn ich im Zweifel immer wieder zu den Best Coast Platten greifen würde, Bethany Cosentino hat ihren eigenen Sound gefunden. (6,5 von 10 Punkten)

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Bethany Cosentino - Natural Disaster (Official Video) | Bild: Bethany Cosentino (via YouTube)

Bethany Cosentino - Natural Disaster (Official Video)

Girl Ray – Prestige

Die bittersüße Sommermelancholie spürt man viel mehr im neuen Album des Londoner Indietrios Girl Ray. Es ist eine Ode an die Musik der 70er und 80er Jahre. Hier treffen Le Chic-Disco-Gitarren, funky Bassläufe und hedonistisch gehauchte Sommermelodien aufeinander. Girl Ray spielen mit Glitzer, Glamour und Uptempo Disco. Das Trio verneigt sich vor der frühen Discomusik der 70er, weil sie diese sexuell befreiende Musik feiern. Liebe ist dabei das bestimmende Thema der Platte. Das unterstreicht auch der knapp achtminütige Track am Ende, der mit seinem repetitiven Beat an Giorgio Moroder und Donna Summer erinnert. Da ist der typische Moroder-Vokoder, und der Song heißt zwar nicht „I Feel Love“, aber immerhin „Gimme Your Love“. Produziert wurde er übrigens von Hot Chip Joe Goddard. Girl Ray setzen allerdings nicht nur auf High-Energy-Discopop, sondern nehmen das Tempo auch mal raus. Etwa mit dem synthielastigen Space Song, der dann schon den Übergang in die 80er, zu Dance und House markiert. Klingt dann auch mal schnell nach Kate Bush. (8 von 10 Punkten)

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Girl Ray - Hold Tight (Official Video) | Bild: GirlRayVEVO (via YouTube)

Girl Ray - Hold Tight (Official Video)

The Highmarts –  World Tour – Greatest Hits + Dodgy Demo

Die japanische Garage-Rockband mag es gerne krachend und laut. Sie mischen viel Fuzz, Psychedelic, Rock’n’Roll und 70er-Jahre-Punk. Sie sind „bereit, um alle Männer im japanischen Garage Rock auszustechen“ – so schreiben sie es selbstbewusst auf ihrer Bandcamp Seite. Seit 2013 machen sie gemeinsam Musik, aber morgen erscheint erst ihre erste LP, der sie schmunzelnd folgenden Titel gegeben haben: World Tour – Greatest Hits + Dodgy Demo. Übersetzt: Welttournee – Greatest Hits Album + windige Single. Die Rechnung geht auf. Der japanische Gesang und die fernöstlichen Melodien verleihen der Rockmusik besonderen Charme. (7,5 von 10 Punkten)

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【Official Teaser】The Highmarts/ DODGY DEMO | Bild: The Highmarts (via YouTube)

【Official Teaser】The Highmarts/ DODGY DEMO

Annie Hart – The Weight Of A Wave

Die New Yorkerin Annie Hart kennen Indiefans noch über ihre frühere Band. Sie spielte im Synthesizer-Trio Au Revoir Simone. Vor zehn Jahren ist deren letztes Album erschienen. Seitdem macht Annie Hart solo Musik, und „The Weight of a Wave“ ist ihr viertes Album. Die Songs sind sehr spontan und intuitiv entstanden. Annie Hart nennt das „Song Challenges“. In jeder Session müssen dabei mindestens drei Songs entstehen. Das Ergebnis sind direkte, schnörkellose Ad-Hoc-Lieder zwischen Synthie-Pop und Post Punk. Wir hören ihre musikalische Sozialisation in den Nullerjahren klar heraus: als der Synthesizer in den Indie kam und wir auf der Tanzfläche zu den Drummachines feministischer Electroclasherinnen wie Peaches tanzten. Ich mag diesen spontanen Kunstansatz. Annie Hart lässt das Gefühl der Nullerjahre hier nochmal schön auflodern, ohne dabei altbacken zu klingen. Es ist angenehm unverkrampft, sehr klar produziert und nicht so überladen wie kürzlich das Comeback der Yeah Yeah Yeahs, die zu ähnlicher Zeit wie Au Revoir Simone angesagt waren. Annie hat mir geschrieben, dass sie sich sehr freut, dass ihre Musik wieder im deutschen Radio läuft. Sie erinnert sich auch gern an die vielen Shows mit Au Revoir Simone in München zurück. Heute noch erzähle sie vielen Leuten, wie gut das Wasser in Bayern geschmeckt habe. Sie würde auch gerne für ein paar Shows aus den USA nach Deutschland kommen, allerdings gibt es dafür bisher keine Pläne. Schade. (7,8 von 10 Punkten)

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What Makes Me Me Annie Hart Official Video | Bild: Annie Hart (via YouTube)

What Makes Me Me Annie Hart Official Video

Cato – The Wind That Was Blown

Ein kreativer Tausendsassa: er malt, produziert, komponiert, singt und rappt. Was es noch beeindruckender macht: Cato ist gerade mal 23 und hat sich alles selbst beigebracht. Er lebt im Südösten Londons und veröffentlicht jetzt seine erste EP. Hier zeigt er schon seine Bandbreite mit sanftem Rap und Gesang. Dazu mischt er mal rätselhafte, düstere Soundteppiche. An anderer Stelle klassische HipHop und RnB-Beats. Das macht die EP anspruchsvoll und eingängig zugleich.  (7 von 10 Punkten)

Homeboy Sandman - Rich

Der New Yorker Homeboy Sandman ist einer der talentiertesten Rapper des sogenannten Abstracts Hip Hop. Das ist eine avantgardistische und experimentelle Unterform des Rap. Homeboy Sandman und sein Producer Mono En Stereo setzen auf ungewöhnliche Beats und Sounds. (ohne Wertung, Album lag nicht komplett vor)

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Homeboy Sandman - Off the Rip | Bild: HomeboySandmanVEVO (via YouTube)

Homeboy Sandman - Off the Rip

Hans-A-Plast – Hans-A-Plast, 2, Ausradiert (Reissues)

Im Juni veröffentlichte „Die Benjamins“ eine EP. Die Benjamins sind das Projekt von Max Gruber aka Drangsal: Eine Supergroup zu Ehren der früheren Punksängerin Annette Benjamin. Und neben Charlotte Brandi, Mitgliedern von Die Nerven und der Beatsteaks, sang Annette Benjamin selber mit. Die neue Aufmerksamkeit für sie und ihre frühere Punkband Hans-A-Plast führten nun dazu, dass die drei einflussreichen Hans-A-Plast Alben nochmal neu erscheinen. Zum Hintergrund: Annette Benjamin hatte mit ihrer Punkband Hans-A-Plast Anfang der 80er den deutschen Punk maßgeblich mitgeprägt. Der Sound war hart, schnell, rotzig. Die Botschaft: Anarchisch, feministisch, kapitalismuskritisch und unangepasst. Es ging gegen die Unterdrückung der Frauen im Song „Für ne Frau“; es ging gegen die Unterdrückung durch den Staat in „Polizeiknüppel“, es ging um die die sexuelle Befreiung und Selbstbestimmung wie in “Lederhosentyp” oder in „Hau ab du stinkst“.

Das Debüt „Hans-A-Plast“ wurde erst in einer kleinen Auflage produziert, dann immer erfolgreicher und verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Szene. Die Plattenindustrie wollte damals auch ein Stück vom Kuchen abhaben und Hans-A-Plast unter Vertrag nehmen. Doch die Band wollte unabhängig bleiben und gründete ihr eigenes Label, das sie programmatisch „No Fun“ tauften. Während die Hans-A-Plast Fans noch zur ersten Platte Pogo tanzen, erscheint 1981 schon der Nachfolger „2“. Die Entwicklung der Band ist unüberhörbar. Auch klangästhetisch waren sie noch stärker gegen den Strich gebürstet. Das war weniger Haudrauf-Punk. Plötzlich sägten schiefe Gitarren, überraschten avantgardistische Songstrukturen und Rhythmuswechsel. Annette Benjamin gab als Sängerin mal die pöbelnde Anpeitscherin oder auch mal die schrille, schrägsingende Operndiva. Letzteres kennen wir ja von Nina Hagen. Hans-A-Plast entwickeln ihren Sound auf dem dritten Album „Ausradiert“ nochmal weiter. 1983 sind wir mitten in den 80ern und New Wave geht auch an ihnen nicht vorbei. Ausradiert wird ihr letztes sein. Nun erscheinen alle drei Alben nochmal. Das ist nicht nur tolle Punk und New Wave Musik, sondern auch ein wichtiges Stück deutsche Zeitgeschichte. Warum nicht Songs wie „Starfighter“, „Amerikaner“ oder „Ich zünd mich an“ im Geschichte- oder Sozialkunde-Unterricht verhandeln. (8 von 10 Punkten)

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HANS-A-PLAST Ich zünd mich an | Bild: hank234983 (via YouTube)

HANS-A-PLAST Ich zünd mich an

Emil Amos – Zone Black

Wenn Emil Amos bei seinen Bands am Schlagzeug sitzt, dann wird es laut. Er knüppelt für die Stoner Band OM und die Postrock Band GRAILS. Daneben hat er als Holy Sons noch eine Ein-Mann-Band mit wechselnden Bandmitgliedern gegründet. Das scheint immer noch nicht genug Output für ihn zu sein. Morgen erscheint sein Solo-Debut. Der Titel: Zone Black. Es war ursprünglich als Library Music geplant. Sprich: Musik, die speziell für den Einsatz in Filmen, Fernsehsendungen, Werbespots, Videospielen und Co komponiert wird. Aber Emil Amos hat sich doch dazu entschieden, es regulär zu veröffentlichen. Der cineastische Flair ist geblieben: 80er-Jahre Synthesizer, sphärischer Ambient, moderne Hip-Hop Beats und etliche Morricone-Showdowns. Er nennt das: Stimmungsmusik für den nächsten dunklen Drogentrip. (7 von 10 Punkten)

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Zone Black | Bild: Emil Amos - Topic (via YouTube)

Zone Black

Unsolicited Joints – Unsoilicited Joints EP

Zwei Brüder aus Sydney. Cousin und Ben Fester sind zusammen „Unsolicitied Joints“. Auf den 5 Joints, wie sie ihre Tracks nennen, spielen sie ausgeklügelten Ambient, Dubstep, Deep-House und progressive Housemusik. (7 von 10 Punkten)

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