Bayern 2 - Nachtmix

Neuerscheinungen der Woche Neue Alben von Albert Hammond Jr., M. Ward und Kapa Tult

Die Neuheiten der Woche im kompakten Überblick. Neue Platten gibt's von Cable Ties, Portugal. The Man, Swans, Skuff Barbie, Kapa Tult, M. Ward, Cory Hansen und Albert Hammond Jr.

Von: Matthias Hacker

Stand: 22.06.2023

M. Ward | Bild: by Jacob Boll

Cable Ties – All Her Plans

Cable Ties – übersetzt: die Kabelbinder. Der Garage Rock des Trios aus Australien macht auf ihrem dritten Album viel Spaß. Die Post Punk und Rock’n‘Roll Songs sind energiegeladen. Der Bass pumpt herrlich knarzig, dazu eine crunchy verzerrte Gitarre und Sängerin Jenny schreit gerne ins Mikro. Da hat sich einiges an Wut angestaut. Inhaltlich ist es eine Systemkritik: Insbesondere das schwächelnde Gesundheitssystem in Australien sitzt auf der Anklagebank. Es geht um fehlende Suchtprävention, um psychische Gesundheit und mangelnde Altersversorgung. In „Silos“ singen sie „keep On privatizing“ - privatisiert nur alles weiter.  Am Ende helft ihr niemandem mehr, stänkern Cable Ties. „All Her Plans“ glänzt besonders in den wütenden Momenten. (7,5 von 10 Punkten)

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Cable Ties - Thoughts Back (Official Audio) | Bild: Merge Records on YouTube (via YouTube)

Cable Ties - Thoughts Back (Official Audio)

Portugal. The Man – Chris Black Changed My Life

Ich habe die Band Portugal. The Man in den Nullerjahren geliebt. Für ihre psychedelischen Songs, den hypnotischen Gesang bis hin zu übersteuertem Geschrei. Das war eine anspruchsvolle Mischung aus Post- und Progrock. In den Zehnerjahren hat die Band aus Portland dann aber klar den Mainstream ins Visier genommen. Mit “Feel It Still” hatten sie dann auch ihren Welthit. Jetzt erscheint sechs Jahre später das Nachfolgeralbum und da stellt sich die Frage: Wohin geht die Reise? Zurück zu den Wurzeln oder bleiben sie dem Stadion-Pop treu. Es bleibt beim massentauglichen Pop. Ihr Producer arbeitete zuletzt mit Superstars wie Beyonce und Harry Styles. Die Songs sind bekömmlich und setzen auf sommerlichen Groove. Die Cheesyness gipfelt im glattgeschmirgelten FeelGood-Feature mit „Unknown Mortal Orchestra“, das dann auch noch „Summer Of Luv“ heißt. Das ist mir zu viel Kitsch. Auch etwa im Song „Plastic Island“. Entgegen ihres Hits „Feel It Still“, fühle ich es bei Portugal The Man nicht mehr. Der im Titel genannte Chris Black war einer ihrer Freunde und ein Ehrenmitglied der Band, der 2019 verstorben ist. Ihm haben sie das Album gewidmet. (5,5 von 10 Punkten)

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Portugal. The Man - John Gourley Talks New Album "Chris Black Changed My Life" | Bild: ALT 98.7 FM (via YouTube)

Portugal. The Man - John Gourley Talks New Album "Chris Black Changed My Life"

Swans – The Beggar

Von sommerlichen Wohlfühl-Poprock zu bösem, dunklen Rock. Einer, der defintiv nie im Verdacht stand, der Feel Good Manager des Rocks zu werden, ist Michael Gira. Der grantige Sänger der Band SWANS. Unermüdlich experimentiert er in den dunklen Ecken der Rockmusik. Seine Klang-Kathedralen sind furchteinflößend. Auch auf dem 16. Album finden sich monumentale und epische Songmonströsitäten. Mit Chorgesang und Streichern, langen dramaturgischen Spannungsbögen, weniger Wall Of Sound, dafür mehr mantrischem Gemurmel und Geraune. Auch wenn das Album nicht so sperrig wie alte Swans Alben klingt, auch wenn Michael Gira mittlerweile betont, dass er kein Schwarz-Weiß-Typ, sondern mittlerweile ein Pink-Typ sei, ist das wohl eher ein Täuschungsmanöver. Er beschwört immer noch diabolisch den Weltuntergang. Dafür nimmt sich Gira die nötige Zeit. Die Songs dauern gerne acht, elf bis zu 43 Minuten. (7 von 10 Punkten)

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Swans - The Beggar (live @ Kinoteatr Rialto, Katowice 2023) | Bild: bloody bootlegs (via YouTube)

Swans - The Beggar (live @ Kinoteatr Rialto, Katowice 2023)

Skuff Barbie - Passiflora

Zum Glück gibt es neben alten, misanhtropen Rock-Teufeln, auch die junge Garde Popmusikerinnen. Die Münsteranerin Skuff Barbie präsentiert uns mit "Passiflora" ihr Debüt. Eine unbeschwerte Ode an das Leben. Skuff Barbie ist die Tochter einer Familie aus Äquatorial-Guinea und nennt sich selbst eine „Afrolatina“. Ihren Producer Boomboi kennt sie seit ihrer Kindheit. Er mixt HipHop, R&B, Dancehall und Pop. Sie rappt selbstbewusst und fordert ihren Platz im Business mit viel Attitüde ein. In den vergangenen zwei Jahren hatte sie schon kleinere Hits. Dadurch ist das All Female Label „365XX“ auf sie aufmerksam geworden und hat sie unter Vertrag genommen. Auf ihrem Debüt sind kurze Zweiminüter. Die Texte handeln von Liebeskummer, Beziehungskrisen, dem eigenen Weg nach oben und vom Clubben. Aber die Texte bleiben oberflächlich und die Lines sind wenig originell. Ich bin mir sicher, dass Skuff Barbie die Stories hat, sie muss sie nur noch aufs Papier bringen. (5 von 10 Punkten)

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Skuff Barbie - Locker (Official Music Video) | Bild: Skuff Barbie (via YouTube)

Skuff Barbie - Locker (Official Music Video)

Kapa Tult – Es schmeckt nicht

Wir bleiben bei feministisch empowernder Popmusik. Die Leipziger Band Kapa Tult erzählt ihre Geschichten allerdings bildlicher und eindrücklicher. Man darf auch ruhig sagen: Expliziter. Sie erinnern mich mit ihrer feministischen Kaltschnäuzigkeit, ihren witzigen Beziehungsanalysen und den sexuellen Tabubrüchen an große Bands wie die Lassie Singers, Schnipo Schranke oder Blond. Sie singen über alte Rollenbilder und falsche Schönheitsideale durch Social Media, die Zigarette danach, die Oberarme von Michelle Obama und immer wieder über Sex. Unverblümt, ungehemmt, unverkrampft, unfassbar wichtig. In Leck Mich geht’s um die weibliche Oralbefriedigung und sexuelle Machtgefälle. Dieser unverkrampfte und offene Umgang mit weiblicher Sexualität ist großartig. Der Sound mit Punk und Indiepop untermalt diese Lockerheit. (8 von 10 Punkten)

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Kapa Tult - Straßenbahn | Bild: Kapa Tult (via YouTube)

Kapa Tult - Straßenbahn

M. Ward – Supernatural Thing

Über Supernatural Thing sagt Songwriter M. Ward: "Als Kind habe er gedacht, dass das Radio über denselben Äther läuft wie Botschaften von übernatürlichen Dingen - und dass Musik irgendwie in diesen Austausch eingebunden ist.“ Ein schöner Gedanke, wenn wir diesen Song im Radio hören. Alle Songs sind von Träumen inspiriert. Im Titelsong spricht Elvis zu ihm und M. Ward singt: „you feel the line is growing thin / between beautiful and strange.“. Die Zeile ist beispielhaft für sein meisterhaftes Songwriting. Der schmale Grat zwischen wunderschön und strange. M.Ward tanzt auf dieser thin line. Und er hat tolle Tanzpartner dabei. Mit Jim James von My Morning Jacket covert er David Bowies späten Song “I can't give away everything” und lässt das Jazz-Saxophon hören. Mit Scott McMicken von Dr. Dog gibt es einen kantigen Americana Song namens „New Kerrang“. Die softe Folkballade singen die schwedischen Schwestern von First Aid Kit. Und in Mr. Dixon schwenkt M.Ward vom Schönen ins Schräge. Das Finale der Platte ist übrigens eine wunderschöne Liveversion von Daniel Johnsons „Story for an artist.“ Das ist aber kein kruder Mix, sondern sehr abwechslungsreich aufeinander abgestimmt. (8,5 von 10 Punkten)

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M. Ward - "too young to die" (feat. First Aid Kit) | Bild: ANTI- Records (via YouTube)

M. Ward - "too young to die" (feat. First Aid Kit)

Cory Hanson – Western Cum

Cory Hanson ist mit seiner Band Wand bekannt geworden. Auf seinem dritten Solo-Album “Western Cum” spielt er fantastische Gitarrenriffs. Ob Prog-, Psychedelic- oder Countryrock. Die 70er Jahre lassen grüßen. Zwischen den vertrackten Rhythmen, zwischen seinem Laut-Leise-Spiel singt er glasklare Westcoast-Harmonien. Anlage laut aufdrehen! So kommt Western Cum am besten. (7,5 von 10 Punkten)

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Ghost Ship | Bild: Cory hanson - Topic (via YouTube)

Ghost Ship

Albert Hammond Jr. – Melodies On Hiatus

Er ist als Gitarrist der Strokes bekannt geworden. Und hat den Sound der Band mit seinem Gitarrenspiel maßgeblich geprägt. Nun ist sein fünftes Soloalbum da. Albert Hammond Jr. hat sein Gespür für catchy Gitarrenmelodien nicht verloren. Am Mikrofon klingt er sogar so lethargisch wie Strokes Sänger Julian Casablancas. Vorab konnten wir nur die Hälfte der 18 Songs hören. Aber das reicht, um den typischen Strokes-Sound wiederzuerkennen. Doch er mischt auch Disco, Pianoballaden und HipHop dazu. Durchaus anders als der krachige Vorgänger. Fans sollten sich allerdings nicht zu viel erwarten. Allein bei den ersten 9 Songs sind etliche Filler dabei. (keine Wertung)

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Albert Hammond Jr - 100-99 feat. GoldLink [OFFICIAL VIDEO] | Bild: Albert Hammond Jr (via YouTube)

Albert Hammond Jr - 100-99 feat. GoldLink [OFFICIAL VIDEO]