Bayern 2 - Nachtmix

Neuerscheinungen der Woche Neue Alben von Blur, Lobsterbomb und Miss Tiny

Die Neuheiten der Woche im kompakten Überblick. Neue Platten gibt's von Bruno Major, Blur, Cypress Hill, Dizee Rascal, Haviah Mighty, Half Japanese, Lobsterbomb, Cut Worms und Miss Tiny

Von: Thomas Mehringer

Stand: 20.07.2023

Damon Albarn, Graham Coxon, Alex Jones und Dave Rowntree sind Blur | Bild: Reuben Bastienne Lewis

Cut Worms - Cut Worms

Max Clarke stammt aus Ohio, lebt aber mittlerweile in Brooklyn. Der Sound von Max Clarke, der sich Cut Worms nennt, ist im besten Sinne Retro. Cut Worms bezieht sich auf die Sixties, aber mit einer gehörigen Portion ironischer Distanz, die auch Bands wie die Lemon Twigs auszeichnet, mit denen Cut Worms für das neue, selbstbetitelte Album auch aufgenommen hat. Die meisten Songs von Cut Worms haben diesen einen Pop-Moment, diese Hook, die perfekte Melodie, aber das Problem ist, dass Max Clarke dies entweder nicht reicht oder er sich darauf ausruht - und dann verwässert der Charme seiner Retro-Songs. Das ist schade. Auch wenn wir es hier mit einer fast unwiderstehlichen Sommerplatte zu tun haben. (6,5 von 10 Punkten)

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Cut Worms - I'll Never Make It (Official Video) | Bild: CutWormsVEVO (via YouTube)

Cut Worms - I'll Never Make It (Official Video)

Miss Tiny – DEN7 EP

Dan Carey kennen wir als Chef des Londoner Labels Speedy Wunderground und als Produzent, u. a. für die Fontaines DC, Wet Leg oder auch black midi. Seit Jahren verbindet ihn eine Freundschaft mit dem Sänger der Band Childhood, mit Benjamin Romans-Hopcraft. Seit über einem Jahr nehmen die beiden gemeinsam auf, erst unter dem Namen What’s It Like To Be A Bat, jetzt veröffentlichen sie ihre erste EP unter dem Namen Miss Tiny. Ihre Session nannten sie „anti-recording“, weil es um nichts ging, sie spielten zusammen einfach nur um zu spielen. Der beste Song auf der Debüt-EP spricht ein wenig gegen diese Beschreibung, denn der Song behandelt sehr deep eine ungleiche, in die Brüche gehende Beziehung, in der die beiden Personen am Ende gleich schwach rausgehen. Die Songs wirken erst laid back, aber das täuscht, sie liegen wie bleischwere Gewichte auf unseren Schultern. Ich würde gerne mehr von diesem Gewichtheber-Duo hören. (7 von 10 Punkten)

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Miss Tiny - The Beggar | Bild: Speedy Wunderground (via YouTube)

Miss Tiny - The Beggar

Half Japanese – Jump Into Love

Songschreiben aus Gewohnheit, so umschreibt der Haudegen Jad Fair die 20. Platte seiner Indie-DIY-Band Half Japanese, die er in den Seventies mit seinem Bruder David gegründet hat. Jeden Tag an einem Song arbeiten, gibt Jad eine bestimmte Ruhe. Er glaube, das Songschreiben lässt ihn die eine Seite seines Gehirns nutzen, die sonst nicht soviel zu tun kriegt - und bevor die ganz brach liegt. Steile These. Musikalisch kriegen wir das, was Kurt Cobain schon vor 30 Jahren begeistert hat: Arty Noise Rock mit quirky Sprechgesang. Das hat man von ultra-coolen Jungspunden auch schon alles schlechter gehört. (6,5 von 10 Punkten)

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Half Japanese - The Answer Is Yes (Official Video) | Bild: firerecords (via YouTube)

Half Japanese - The Answer Is Yes (Official Video)

Lobsterbomb – Look Out

Du kommst im Sturm und Drang nach Berlin, dann ist Pandemie, dir ist fad, du kommst in unendlicher Langeweile auf die Instagram-Seite der Band Gurr, die du ganz nice findest, dort gibt es eine “We Formed A Band”-Aktion, du findest Mitstreiter:innen und gründest tatsächlich eine Band, nimmst Songs auf - und Simon Le Bon von Duran Duran wird zu einem deiner ersten Fans. So die Geschichte von Nico Rosch, Vik Chi und Crayon Jones, das Trio nennt sich Lobsterbomb. Auf ihrem Debüt “Look Out” hören wir “Indie Glam Punk”, wie sie ihr Genre nennen. Die Pandemie ist zum Glück vorbei, Lobsterbomb viel auf Tour und der Sturm und Drang lebt und steckt tatsächlich auch an, lasst es uns Charme und Drang nennen. (7 von 10 Punkten)

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LOBSTERBOMB – What About Never (Official Music Video) | Bild: LOBSTERBOMB BAND (via YouTube)

LOBSTERBOMB – What About Never (Official Music Video)

Haviah Mighty – Crying Crystals

Haviah Mighty ist eine kanadische Rapperin, wobei es Storytellerin eigentlich besser treffen würde. Sie hat ihre Wurzeln in Jamaika und Barbados. Aufgewachsen ist sie mit Battle-Rap und mit Electro-Beats. “Crying Crystals” heißt ihr zweites Album, es ist eine Trennungsplatte - und was für eine. Denn wir lernen von Haviah Mighty mal wieder, dass zwischen Liebe und Hass nur ein schmaler Grat verläuft. Sie überspringt die Trennungsphase, in der man leidet und der Kummer überhand nimmt. Ganz ihrem Nachnamen entsprechend, also Mighty, gewaltig, gibt sie dem namenlosen Ex ganz schön eine mit. Eine Platte als Schlussstrich - mit richtig guten Rap-Skills, ein paar R&B-Anleihen und vor allem sehr tighten Lyrics. Auch wenn das Album schon letzte Woche erschienen ist, “Crying Crystals” bleibt auch in dieser Veröffentlichungswoche eine Entdeckung. (7 von 10 Punkten)

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Haviah Mighty - Snowfall Ft. Zach Zoya (Official Audio) | Bild: Haviah Mighty (via YouTube)

Haviah Mighty - Snowfall Ft. Zach Zoya (Official Audio)

Dizzee Rascal – Boy In Da Corner 20th Anniversary

Anfang des Jahres wurde Dizzee Rascal verurteilt, weil er gegenüber seiner Ex-Verlobten gewalttätig wurde. Nicht cool, was er sich da geleistet hat. Nun feiert sein fulminantes Debütalbum “Boy In Da Corner” dieser Tage 20-jähriges. Und ich feier das Debüt, nicht Dizzee, ich möchte gerne Werk und Künstler trennen, auch wenn mir das sonst so schwer fällt. Ich muss aber sagen, dass ich - wie so viele Anfang der Nuller Jahre - durch Dizzee Rascal Grime entdeckt habe. “Boy In Da Corner” wurde mit dem Mercury Prize ausgezeichnet, hat eine Platin-Auszeichnung bekommen und ist verdammt gut gealtert. Ich würde sogar behaupten, dass Dizzee Rascal nichts Besseres mehr abgeliefert hat. Jetzt erscheint eine Jubiläums-Edition mit unveröffentlichten Tracks, die man bisher nur im Piratenradio auf der Insel hören konnte. Und ja, wahrscheinlich hätte “Boy In Da Corner” damals sogar als Doppelalbum funktioniert, da die unveröffentlichten Songs auch durchgehend Genre-Klassiker sein könnten. („Boy In Da Corner“: 9 von 10 Punkten / „Anniversary“: 7,5 von 10 Punkten)

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Dizzee Rascal - Street Fighter (Animated Visual) | Bild: DirteeTV (via YouTube)

Dizzee Rascal - Street Fighter (Animated Visual)

Cypress Hill – Black Sunday 30th Anniversary

HipHop wird 50 im August und eines der HipHop-Alben der 90er wird vorher noch 30: “Black Sunday” von Cypress Hill. Das Quartett aus Los Angeles war die erste Rap-Crew, die zwei Alben in den Top Ten der US-Albumcharts hatte. Eines davon “Black Sunday”, auf dem Hits waren wie “Hits From The Bong” oder “Insane In The Brain”. Bei diesen Songs denke ich zurück an die goldenen Zeiten von MTV und an Baggy-Jeans, die ich nicht tragen durfte. Danke, Mama. Zum 30-jährigen erscheint eine Anniversary-Ausgabe von “Black Sunday”, u. a. mit Remixen der größten Hits oder auch der spanischen Version von “Insane In The Brain” namens “Loco En El Coco”. Ein nettes Jubiläums-Set, überhaupt ist das Album gar nicht mal so schlecht gealtert. Am liebsten höre ich es heute in Baggy Jeans. („Black Sunday“: 8 von 10 Punkten / „Anniversary“: 6,5 von 10 Punkten)

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Cypress Hill - I Ain't Goin' Out Like That (Live Performance) | Vevo | Bild: CypressHillVEVO (via YouTube)

Cypress Hill - I Ain't Goin' Out Like That (Live Performance) | Vevo

Blur – The Ballad Of Darren

Die ersten neuen Songs von Blur seit 2015, seit ihrem letzten Album “The Magic Whip”. Die neuen Songs haben mir das Gefühl gegeben, es sei 1998, das ist das Jahr zwischen den Alben “Blur” und “13”. Und vor allem die Zeit, in der Gitarrist Graham Coxon große Sound-Akzente gesetzt hat. Diese Akzente hört man auch jetzt wieder, während Damon Albarn seinen inneren Dandy gefunden zu haben scheint und ungewöhnlich oft, ja fast, croont. Trotz einiger neuer Elemente im Blur-Sound, wie Streicher und Drummachines, haben wir es hier mit einer nostalgisch anmutenden, melancholischen Band-Platte zu tun. Schlüsseltrack ist der Vorabsong “The Narcissist”, in dem Damon Albarn in den Spiegel blickt, darin zu sehen: sein Weg zu dem Damon, der er heute ist. Darin reflektiert er die narkotische Flamme seiner Existenz, wie er sagt. Und ziemlich sicher tut das die ganze Band auf diesem ergreifenden Spätwerk. (8 von 10 Punkten)

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Blur - The Narcissist (Official Visualiser) | Bild: Blur (via YouTube)

Blur - The Narcissist (Official Visualiser)

Bruno Major – Columbo

Der studierte Jazzer, Singer/Songwriter und Multiinstrumentalist Bruno Major zählt Billie Eilish und Sam Smith zu seinen Fans. Majors Bruder Dominic ist Teil der Band London Grammar, die ihren Weg aus der Indie-Landschaft relativ schnell auf die großen Bühnen Englands gemacht haben. Bruno wird den gleichen Weg gehen, ist mein Gefühl. Sein drittes Album heißt “Columbo” und meint natürlich den schrulligen Fernsehdetektiv. Die ruhigen Lo-Fi-Passagen, die seinen Songs Ecken und Kanten geben sollen, dürfen uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bruno Major seine Zielgruppe in den großen Mainstream-Playlisten und vorm Radio sitzen hat. Seine Themen sind sehr persönlich: Trennung, Suizid eines Freundes, der Tod der Großmutter. In seinen besten Momenten klingt Bruno Major wie ein moderner jazzy John Lennon. (6,5 von 10 Punkten)

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Bruno Major - Columbo (Visualizer) | Bild: Bruno Major (via YouTube)

Bruno Major - Columbo (Visualizer)

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