Bayern 2 - Nachtmix

Neuerscheinungen der Woche Neue Alben von Foo Fighters, Die Benjamins und Juan Wauters

Die Neuheiten der Woche im kompakten Überblick. Neue Platten gibt's u. a. von Foo Fighters, Die Benjamins, Juan Wauters, Protomartyr, Jake Shears, Cowboy Junkies, Bully, Brandt Brauer Frick und Acid.milch & honig

Von: Angie Portmann

Stand: 01.06.2023

Die Benjamins - Die Benjamins | Bild: Tomatenplatten

Die Benjamins – Die Benjamins (EP)

Zuerst waren da nur die ehemalige Hans-A-Plast-Sängerin Annette Benjamin und ihr Wiederentdecker, ihr Fan Max Gruber alias Drangsal. Gruber wiederum hat für Benjamin eine tolle Band zusammengestellt, alles Die-Hard-Fans der ehemaligen Punk-Ikone. Diese Band, die Benjamins, besteht neben Max Gruber aus Charlotte Brandi, Julian Knoth von Die Nerven und Thomas Götz von den Beatsteaks. Die klugen Texte von den Benjamins bzw. von deren Sängerin Annette Benjamin, haben etwas obsessives, ja schon fast zwanghaftes. Liebe und ihre Besitzansprüche, ihre Schattenseiten werden hier verhandelt. Die Benjamins liefern eine sehr dunkle, sehr subversive Version von Glück. Verbunden mit den hellen Melodien, der Kompromisslosigkeit, der Energie und Präsenz von Annette Benjamin. „Die Benjamins“ ist die erste EP dieser grandiosen, generationenübergreifenden Punk/Indie-Supergroup – eine Fortsetzung dieser Zusammenarbeit wär absolut wünschenswert. (8 von 10 Punkten)

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Die Benjamins – Aus Liebe (Offizielles Video) | Bild: DRANGSAL (via YouTube)

Die Benjamins – Aus Liebe (Offizielles Video)

Juan Wauters – Wandering Rebel

Völlig schockverliebt bin ich nach einer Runde YouTube. Die Videos von Juan Wauters sind so charmant lo-fi, der Mann so wunderbar tiefenentspannt, ein Mix aus dem Parade-Slacker Mac DeMarco und dem Glückskeks Jonathan Richman. Schüchtern lächelt Juan Wauters in die Kamera, seine gigantische Zahnlücke strahlt. Die Songs auf seinem neuen, seinem sechsten Album „Wandering rebel“ passen perfekt in dieses Bild. Wauters erzählt bzw. singt hier mal auf englisch, mal auf spanisch von seinem Dasein als „Wandering rebel“, der sich allerdings nach etlichen Jahren des Reisens und Tourens nach Stabilität sehnt. Während der Pandemie hatte Wauters seine Wahlheimat New York verlassen und ist nach Montevideo/Uruguay zurückgekehrt. Dort ist „Wandering rebel“ entstanden. Entwaffnender Indie-Folk mit einem feinen Latin-Touch. Und etlichen Gästen, darunter die New Yorker Singer/Songwriterin Frankie Cosmos und der Pianist John Caroll Kirby. Vermutlich die schluffigste, aber auch die charmanteste Platte der Woche. (8,2 von 10 Punkten)

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Noel Gallagher's High Flying Birds - Council Skies (Official Visualiser) | Bild: Noel Gallagher (via YouTube)

Noel Gallagher's High Flying Birds - Council Skies (Official Visualiser)

Noel Gallagher’s High Flying Birds – Council Skies

In den 90ern waren Oasis bekanntlich DIE Britpop-Band schlechthin (neben Blur natürlich;-)). Und die Brüder Gallagher ein ewiger Quell großer Hymnen und publikumswirksamer Frotzeleien. 2009 hat Noel Gallager die Band verlassen und ist seitdem solo bzw. mit den High Flying Birds unterwegs. Sein neuestes Album heißt „Council skies“ und bezieht sich, zumindest im Titel, auf den Himmel über den Sozialbauten seiner Heimat Manchester, auf den Ort, wo er aufgewachsen ist. Und auch musikalisch blickt Noel Gallagher zurück, auf die spektakulären Anfänge von Oasis. Nach dem eher beatlastigen, streckenweise sperrigen Vorgänger „Who built the moon“ strotzt „Council skies“ jetzt wieder vor großen Melodien, die Refrains durchwegs zum Mitsingen. Und Streicher all over. Das groovt angenehm, ist mehr oder weniger uplifting und dürfte seine Fans sehr freuen … die ja jetzt sowieso, nach der Trennung von seiner Frau, auf ein Oasis-Revival hoffen. Gesangstechnisch ist die Sache nämlich noch ausbaufähig. (7 von 10 Punkten)

Foo Fighters – But here we are

Das Album der Foo Fighters war vorab nicht zu hören. Nur vier Singles. Aber die klingen schon so vielversprechend, dass man sich weder um das Album noch um die Zukunft der Foo Fighters generell Sorgen machen muss. Das war vor einem Jahr noch ganz anders. Damals, im März 2022, war der Schlagzeuger der Band, Taylor Hawkins, in einem Hotelzimmer in Kolumbien tot aufgefunden worden. In seinem Blut: u.a. Marihuana, Antidepressiva und Opioide. Die Band und ihre Fans waren völlig aufgelöst. Lange war nicht klar, wie es nach dem tragischen Tod mit der Band weitergehen würde. „But here we are“ lautet jetzt der Titel der elften Foo Fighters-Platte. Die Rockband um Dave Grohl, dem ehemaligen Nirvana-Schlagzeuger ist zurück. Mit einem Album, das sich sehr offen, sehr ehrlich immer wieder mit dem Tod von Taylor Hawkins beschäftigt. Sei es im hymnischen Opener „Rescued“ oder im eher ruhigen „Show me how“. Die Foo Fighters trauern hier auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Mal klingen sie wütend, mal scheinen sie den Tod von Taylor Hawkins akzeptiert zu haben. Produziert hat Greg Kurstin, der schon mit Stars wie Adele und Beck zusammengearbeitet hat, aber eben auch immer wieder mit den Foo Fighters. Dave Grohl & Co. scheinen hier ganz bei ihrem bewährten, anachronistischen Stadion-Rock zu bleiben, klingen aber auch mehr denn ja nach ihren rohen Anfängen in den 90’s, als Dave Grohl ebenfalls einen tragischen Verlust zu verarbeiten hatte, nämlich den seines damaligen Bandkollegen Kurt Cobain. (ohne Wertung)

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Foo Fighters - But Here We Are (Official Sunrise Video) | Bild: Foo Fighters (via YouTube)

Foo Fighters - But Here We Are (Official Sunrise Video)

Bully - Lucky for you

Seit 2013 ist die Sängerin und Gitarristin Alicia Bognanno aus Nashville schon Bully und veröffentlicht zusammen mit wechselnden Mitmusiker*innen hübschen Noise-Pop. Und macht keinen Hehl daraus, wo sie herkommt, wie ihre Vorbilder heißen. Ihr erklärter Lieblingsgitarrist ist Joey Santiago von den Pixies, ihr Lieblingsalbum stammt von den Breeders und nach ihrer Ausbildung zur Tontechnikerin hat sie im Studio von Steve Albini ein Praktikum gemacht. Dementsprechend macht Bully dann auch staubtrockenen, noisy Indie-Rock. Nicht unbedingt innovativ und auch nicht wahnsinnig abwechslungsreich, aber wer fuzzy Gitarren mit poppigen Melodien schätzt, der ist hier bestens aufgehoben. Und mit ihrem neuen Album „Lucky for you“ geht Bully demnächst auch auf Tour, passenderweise dann zusammen mit den Pixies und Franz Ferdinand. (7,7 von 10 Punkten)

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Bully - Change Your Mind (Official Audio) | Bild: BULLY (via YouTube)

Bully - Change Your Mind (Official Audio)

Protomartyr – Formal growth in the desert

Laut Protomartyr ist mit dem Albumtitel „Formal growth in the desert“ nicht die texanische Wüste gemeint, die sandigen Weiten des Südwestens, der Ort an dem sie ihr Album aufgenommen haben, sondern vielmehr eine Art innere Wüste. Dazu Sänger Joe Casey: "Die Wüste ist eher eine Metapher oder ein Symbol für emotionale Wüsten oder einen Ort oder eine Zeit, in der das Leben zu fehlen scheint." Album Nr. 6 von Protomartyr ist also in gewisser Weise eine Antwort auf die Zeit der Pandemie, „in der das Leben zu fehlen schien“, aber auch eine Antwort auf den Tod von Joe Caseys Mutter, in deren Haus in Detroit der 46-jährige Sänger der Band bis vor kurzem noch gewohnt hatte. Klangen die Detroiter Post-Punks bisher finster, die Gitarren scharf geschliffen, ist ihr Sound diesmal ausschweifender, cinematografischer. Das Schlussstück „Rain garden“ hat sogar fast etwas elegisches, versöhnliches. Protomartyr von einer ganz neuen, nicht uninteressanten Seite. (7,9 von 10 Punkten)

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For Tomorrow | Bild: Protomartyr - Topic (via YouTube)

For Tomorrow

Cowboy Junkies – Such Ferocious Beauty

Vor 35 Jahren haben die kanadischen Cowboy Junkies „The Trinity Session“ veröffentlicht, aufgenommen mit nur EINEM Mikro in der „Church of the Holy Trinity“ in Toronto. Ein mittlerweile historisches Statement in Sachen Alternative Country und Slow Motion. Für ihr neues Album „Such Ferocious Beauty” haben sich die drei Geschwister Timmins und ihr Freund Alan Anton etwas mehr Equipment bei der Aufnahme gegönnt. Die Cowboy Junkies waren schon immer ein introvertierter Haufen, diesmal sind sie aber noch nachdenklicher. Denn auf „Such Ferocious Beauty“ geht’s ums Altern, die eigene und die Sterblichkeit der Eltern. Der Song „What I lost“ hat z.B. die letzten Monate im Leben des demenzkranken Vaters der Geschwister Timmins zum Thema. Und es geht um die existenzielle Frage, wie passe ich in diese Welt? Und wie kann ich meine Menschlichkeit bewahren? Dazu hören wir die tolle, immer leicht schläfrige Stimme von Margo Timmins, das ausgefeilte Songwriting ihres Bruders Michael, behutsam ausgearbeitete Arrangements und die typischen, diesmal besonders langen, dunklen Schatten unter den wunderbar narkotisierenden Songs der Cowboy Junkies. (7,8 von 10 Punkten)

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Cowboy Junkies - Such Ferocious Beauty (Full Album) 2023 | Bild: Radiorock TheOriginal (via YouTube)

Cowboy Junkies - Such Ferocious Beauty (Full Album) 2023

Acid.milch&honig - Acid.milch&honig

Acid.milch&honig ist ein Ein-Mann-Oldschool-Electro-Punk-Projekt aus Leipzig. Dahinter steckt der Soundtüftler André Kreißler. Sein Debütalbum heißt wie er selbst „Acid.milch&honig“ und klingt wie ein Mix aus Andreas Dorau, Peter Licht und T.Raumschmiere. Weil Kreißler herkömmliche Plugins oft zu glatt, zu sauber sind, bastelt er sich 90 Prozent seiner Sounds und Effekte selbst. Dementsprechend zerrt und knarzt es hier ordentlich. Dazu besingt Kreißler die Tücken dieser unserer schönen neuen digitalen Welt, mal auf deutsch, mal auf englisch („Netzwerksong“, „World of Robots“). Um sie dann wieder „wegzuraven“, wie er selbst sagt. Das funktioniert umso besser, je öfter man die Songs hört – und am besten sollte man ja sowieso eines der angeblich so legendären Acid.milch&honig-Konzerte respektive -Rave-Partys besuchen. (7,8 von 10 Punkten)

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acid.milch&honig - panzersong | Bild: acid.milch&honig (via YouTube)

acid.milch&honig - panzersong

Jake Shears – Last man dancing

Wir schwingen uns von Leipzig nach London auf den glitzernden Dancefloor zu Jake Shears, dem Ex-Sänger der Scissor Sisters, die in den Nullerjahren queere Popkultur ganz oben in den Charts auftauchen ließen.

Auf seinem neuen Album feiert Jake Shears das Leben unter der Discokugel, die ultimative House-Party, bunt und chaotisch wie deren Gäste, zu denen Big Freedia, Kylie Minogue, Amber Martin und Jane Fonda zählen. Eine Party, auf der der Gastgeber, selbstredend, am längsten tanzt. „Last man dancing“ ist Nightlife-Hedonismus pur. Aufgebaut ähnlich wie die Parties, die Shears während seines Aufenthalts in New Orleans geschmissen hat. Den Anfang machten da immer catchy Pop-Hits, gefolgt von House und Disco-Tracks, die im Laufe des Abends immer deeper, immer psychedelischer wurden. 

Aufgenommen hat Jake Shears „Last man dancing“, dieses discoide Feuerwerk, in den USA, in Portugal und an seinem jüngsten Wohnort London - wohin er während der Pandemie gezogen war. Zusammen mit Alex Ridha aka Boys Noize, dem Berliner Super-Produzenten, der im Laufe seiner Karriere u.a. schon Asap Rocky und Frank Ocean produziert hat und mit Skrillex, Chilly Gonzalez und Lady Gaga zusammengearbeitet hat. Hört man „Last man dancing“, denkt man an die Anfänge der Clubkultur im New York der 70’s, an Disco-Größen wie Giorgio Moroder, Donna Summer oder die Bee Gees, aber auch an ein Scissor Sisters-Update. Und freut sich schon auf die vermutlich sensationellen Remixe von Songs wie „Too much music“, „Really big deal“, „Last man dancing“ oder „Diamonds don’t burn“, auf dem auch Iggy Pop kurz zu hören ist. (7,9 von 10 Punkten)

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Jake Shears - Last Man Dancing (Official Video) | Bild: Jake Shears (via YouTube)

Jake Shears - Last Man Dancing (Official Video)

Brandt Brauer Frick – Multi Faith Prayer Room

Brandt Brauer Frick sind schon lange nicht mehr die klassisch ausgebildeten Musiker, die von sich behaupten „Wir machen Techno mit analogen Mitteln“. Das war einmal. Auf ihrem neuen Album „Multi Faith Prayer Room“ spielen wieder Stimmen, Melodien eine ganz wichtige Rolle. Und Utopien … immer auf der Suche nach der Musik von Morgen.

Paul Frick, Daniel Brandt und Jan Brauer arbeiten jetzt schon seit Jahren daran die Grenzen zwischen klassischer und Club-Musik verschwimmen zu lassen. Mittlerweile ist es auch nichts Besonderes mehr, wenn elektronische Musik bei einem Klassiklabel erscheint und umgekehrt. Ihr ziemlich tolles neues Album „Multi Faith Prayer Room“ geht jetzt wieder mehr in Richtung Club, klingt unaufgeregter, organischer und gleichzeitig verspielter, poppiger als der Vorgänger. Mit etlichen prominenten Featuregästen wie Mykki Blanco, Duane Harden und Sophie Hunger. Und mit einem polyphonen Schlusstrack, der vielstimmig und wenn man so will hoffnungsvoll in die Zukunft blickt. Dazu befragte das Trio 500 Menschen mit verschiedenen Wurzeln und Backgrounds zu ihrer Vision von Morgen. Daraus entstand besagter Track und eine interaktive Installation, die bei der Miami Art Fair zu sehen war. (8,1von 10 Punkten)

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Brandt Brauer Frick - Soba (feat. KOM_I) (Official Audio) | Bild: Brandt Brauer Frick (via YouTube)

Brandt Brauer Frick - Soba (feat. KOM_I) (Official Audio)