Bayern 2 - Nachtmix

Neuerscheinungen der Woche Neue Alben von Snooper, Claud & Charif Megarbane

Die Neuheiten der Woche im kompakten Überblick. Neue Platten gibt's von u. a. Snooper, Claud & Charif Megarbane, Julie Byrne, Baba Stiltz und die britische R'n'B-Sängerin Mahalia

Von: Matthias Hacker

Stand: 13.07.2023

Snooper - Super Sn​õ​õ​per | Bild: Third Man

Snooper - Super Snõõper 

So wie Claud von Phoebe Bridgers entdeckt wurde und auf deren Label Saddest Factory veröffentlicht, so hat Jack White die nächste Band unter die Fittiche seiner Plattenfirma genommen. Auf Third Man Records erscheint das neue Album des Lofi Punkduos: Snooper. Die Band mag Wortspiele, nennt ihr neuestes Album: Super Snooper. Ich finde ihre schlanken Ein- bis Zweiminüter super dooper. Die Band packt die traumatische Plage der Bettwanzen in den richtigen Sound und zerquetscht sie in 30 Sekunden Lofi-Punk. Insekten und kleine Mistviecher haben es dem Duo aus Nashville angetan. Sie machen nicht nur mit den Bed Bugs kurzen Prozess, sondern auch mit den Fruchtfliegen im Song Fruit Flies oder mit den Mikroben. Schnell, hart, schnörkellos. Sie erinnern mich an eine Mischung aus DEVO und Minutemen. Dazu lässt es sich gut Pogo tanzen. Nur auf dem letzten Stück probieren sie auch mal längere Songstrukturen aus. Auch das beherrschen sie und gerne noch mehr davon. (8,5 von 10 Punkten)

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Waste | Bild: Snooper - Topic (via YouTube)

Waste

Claud – Supermodels

Wir bleiben bei Lovestories und 90er Referenzen. Claud Mintz ist 24, nonbinär und macht als Claud Bedroom-Pop. Claud ist eine Entdeckung von Phoebe Bridergs, auf deren Label Saddest Factories schon das Debüt Supermonster erschienen ist. Auf „Supermonster“ folgt jetzt „Supermodels“. Und hier ist der Einfluss von Phoebe Bridgers und ihrer Band boygenius deutlich zu hören. Claud macht das was man GenZ-Soundtrack nennen könnte. Als nonbinärem Artist sind Claud Themen wie Gender, Selbstbestimmung und Intimität sehr wichtig. Es geht immer wieder ums Suchen, Finden und Verlieren der Liebe. Supermodels bewegt sich zwischen Coming Of Age und Coming Out. Gleich zu Beginn der Platte liegt das Date im Bett und trägt Clauds Unterwäsche. Es geht um Eifersucht auf den Boyfriend der besten Freundin. Darum, was uns singende Gläser über Zweierbeziehungen erzählen können und das nervige und doch immer wieder leidenschaftlich zelebrierte Nähe-Distanz-Game. Claud kehrt ihr Innenleben gern nach außen. Als dürften wir in ihrem alten Teenie-Tagebuch mitlesen. Verliebt sein ist in jedem Song der Platte Thema. Das ist monothematisch und auch monoton. Aber GenZ nimmt sich Zeit für die eigenen Gefühle. Musikalisch ist es intimer Bedroom-Pop bis hin zu hymnischem College und AlternativeRock der 90ziger und Nullerjahre. Das erinnert an die erfolgreichen Kolleginnen Beabadobee oder Soccer Mommy. (7 von 10 Punkten)

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Claud - Wet (Official Lyric Video) | Bild: ClaudVEVO (via YouTube)

Claud - Wet (Official Lyric Video)

Charif Megarbane – Marzipan

Die Berliner Plattenfirma Habibi Funk steht für tolle Reissues aus dem Bereich Global Pop – mit Fokus auf den Nahen Osten und den arabischen Raum. Ich finde die Arbeit dieses Labels enorm wichtig, weil sie aus postkolonialistischer Perspektive heraus gegen arabische und orientalische Stereotype kämpfen. Mit Musik. Nun präsentiert Habibi Funk Neues vom libanesischen Multiinstrumentalisten Charife Megabarne. Er hat in den vergangenen 15 Jahren 80 Alben in Beirut produziert. Ohne, dass wir hierzulande viel von diesem musikalischen Tausendsassa mitbekommen hätten. Was auch daran liegen mag, dass seine Musik unter den unterschiedlichsten Namen und Formationen erschienen ist: Cosmic Analog Ensemble, Heroes & Villains, Twyn Towers oder Monumental Detail. Endlich bringt uns Habibi Funk Charif Megabarne näher. Im Klangkosmos von Charif Megabarne aus Beirut blitzen viele Genres und Elemente auf: Wir hören Acoustic Folk, Sahara Blues, Free Jazz und Cinematic Soul. Komopositionen, die an alte europäische Filmsoundtracks erinnern, genauso wie Arabic Grooves. Charif Megarbane fühlt sich im Plattenegal besonders wohl zwischen Beats von Madlib, frankophilen Platten von Benjamin Biolay, angesagten Producern wie El Michels Affair, Cinematic Soul der Menahan Street Band und arabischer Retro-Funk aus den 1970ern. Alles in allem genau meins. Ein Highlight diese Woche. (8,5 von 10 Punkten)

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Pas de Dialogue (Habibi Funk 023) | Bild: Charif Megarbane - Topic (via YouTube)

Pas de Dialogue (Habibi Funk 023)

V. A. – Glücklich Vol. 6

Das Münchner Elektro und Techno-Label Compost veröffentlicht nach 20 Jahren Pause eine neue Samplerausgabe der Reihe „Glücklich“. Der deutsche DJ und Produzent Rainer Trüby hat auf der sechsten Ausgabe wieder Brasil und Latin-Raritäten gesammelt. Von alten verschollenen Vinylsammlungen oder von unbekannten Newcomern. Von Bossa über Jazz zu Samba. Ein Hoch auf die Connaisseure, Sammler und den Sampler als Musikformat. (8 von 10 Punkten)

Julia Byrne – The Greater Wings

Julia Byrne war lange Zeit ein Folk-Geheimtipp. Auch wenn ihr 2016er Album durchaus erfolgreich war, wirklich bekannt ist sie hierzulande nicht. Nach über sechs Jahren erscheint nun „The Greater Wings“. Zwischenzeitlich ist ihr musikalischer Partner Eric gestorben. Sein Tod ist zwar Thema auf der Platte, überschattet sie aber nicht. Die Songs sind ruhig und andächtig, aber nicht morbide oder tieftraurig. Im Gegenteil: Julia Byrne feiert vielmehr das Leben, ihre Wahlfamilie und Freunde. Die Message: Oft merken wir erst durch Schicksalsschläge und den Tod, wie wichtig uns diese Menschen waren oder sind. Das Leben wird dadurch intensiver. Die Songs heißen programmatisch: Hope's Return oder Death Is The Diamond. Sie verpackt diese Erkenntnis in zarte elegische Indiefolksongs mit Fingerpicking auf der Akustikgitarre, getragenen Arrangements von Synthesizern oder Streichern und feengleichem Harfenspiel. Fans von Joanna Newsom und Sufjan Stevens werden diese Musik mögen. Es gibt keine Beats, kein Schlagzeug, was The Greater Wings zu einer Art Traumerfahrung macht. (7 von 10 Punkten)

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Julie Byrne - Death Is The Diamond (Official Audio) | Bild: Ghostly International (via YouTube)

Julie Byrne - Death Is The Diamond (Official Audio)

Baba Stiltz – Paid Testimony

Das Münchner Label Public Possession steht für Dance und Songwriter-Musik. Da passt es perfekt, dass sie Baba Stiltz veröffentlichen. Baba Stiltz aus Stockholm legt nämlich einerseits als DJ House und Techno auf, spielt aber auch gerne Folkgitarre. Seine neue Platte „Paid Testimony“ ist ausschließlich Letzteres. Hier hören wir sanften Gitarrenfolk mit Western und Cowboyflair. Seine Stimme und Bildsprache erinnern an den Antifolker Jeffrey Lewis. Sein Sound an Sixto „Sugarman“ Rodriguez. Paid Testimony – ein feiner musikalischer Goldschatz– gefunden und geschürft vom Münchner Label Public Possession. (8 von 10 Punkten)

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Baba Stiltz - Stockholm/Big City (LIVE at Atlantis studio) | Bild: Baba Stiltz  (via YouTube)

Baba Stiltz - Stockholm/Big City (LIVE at Atlantis studio)

Mahalia – IRL

Mahalia aus Leicester hatte vor vier Jahren ihren Durchbruch mit dem Album „Love & Compromise“. Der Nachfolge heißt: IRL. In der Onlinesprache steht die Abkürzung für „In Real Life“. Dieser Bezug zur Realität ist der R'n'B Sängerin so wichtig, dass sie auf dem Album auch echte Namen verwendet. Sie nennt Familienmitglieder und Wegbegleiter beim Namen, verteilt sozusagen Props an ihre Community. Es geht um ihre persönlichen Erfahrungen als junge Erwachsene. Mahalia singt über die schönen und schaurigen Seiten des Verliebtseins. Über die Schmetterlinge im Bauch genauso wie über die selbstzerfressende Eifersucht. Es ist ein RnB-Album mit 90er-Referenzen, was derzeit perfekt in den Zeitgeist und zum 90er Revival passt. Es sind auch vier Gäste auf dem Album zu hören: darunter Superstar Stormzy. Trotzdem bleibt das Album mittelmäßig. Vor allem, weil Mahalias Lovestories inhaltlich oberflächlich und blass sind. (6 von 10 Punkten)

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Mahalia - Ready | Bild: Mahalia (via YouTube)

Mahalia - Ready

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