Bayern 2 - Nachtmix

Neuerscheinungen der Woche Neue Alben von Black Pumas, The Kills und Sofia Kourtesis

Die Neuheiten der Woche im kompakten Überblick. Mit neuen Alben von den Black Pumas, Sofia Kourtesis, Shabazz Places, Wild Nothing, DJ Shadow, The Kills, den Mountain Goats, Hotel Rimini und Enik & The Paranormal String Quartett.

Von: Matthias Hacker

Stand: 26.10.2023 15:20 Uhr

Peruvian-born, Berlin-based producer Sofia Kourtesis on stage | Bild: picture alliance / Photoshot | -

Black Pumas – Chronicles Of A Diamond

Die beeindruckende Stimme: Eric Burton. Die musikalische Vision und das Producing: Adrian Quesada. Zusammen sind sie die Black Pumas. Wer sechs Grammy Nominierungen bekommt und bei Joe Bidens Amtseinführung spielen darf, kann mit dem Debütalbum so viel nicht falsch gemacht haben. Die Black Pumas aus Texas legen nun ihr zweites Album vor. Die beiden Texaner erfinden ihre Musik nicht neu. Auch auf Chronicles Of A Diamond zelebrieren sie Retro-Sound der späten 60er und frühen 70er Jahre: RnB, Soul, Blues und Gospel - tight gespielt, perfekt instrumentiert, hervorragend gesungen. Mir persönlich schon zu perfekt. Etwas mehr Dirty South, mehr laid back, mehr Extravaganz hätte dem Duo aus Austin gut getan. Das ist allerdings Meckern auf hohem Niveau. Doch es wäre schön, wenn sie ihren Sound modernisieren, wie sie es beispielsweise im Song Gemini Sun schon tun. (7,5 Punkte)

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Black Pumas - Ice Cream (Pay Phone) (Official Video) | Bild: BlackPumasVEVO (via YouTube)

Black Pumas - Ice Cream (Pay Phone) (Official Video)

Sofia Kourtesis – Madres

Endlich ist es da! Das Debütalbum von Shootingstar Sofia Kourtesis. Nach fantastischen Singles und EPs veröffentlicht die in Berlin lebende Peruanerin nun Madres. Das Album widmet sie einem renommierten Neurochirurgen der Berliner Charité, der Sofias Mutter das Leben rettete. Schöne Randnotiz: Ihn und sein Team hat sie zu einem ihrer DJ-Sets ins Berghain eingeladen. Die Neurochirurgen tanzten angeblich die ganze Nacht. Das Debüt Madres ist voller Zuversicht und dem Glauben daran, dass auch inmitten dieser sich scheinbar zersetzenden Gesellschaft Wunder geschehen. Auf Madres mischt sie elegant House und Technobeats mit lateinamerikanischen und afroperuanischen Rhythmen. In ihrer Musik bringt Sofia Kourtesis ihre zwei Welten zusammen. Ihre Heimat Peru und ihre Wahlheimat Berlin.

"Ich hab eine Pflicht, Peru zu repräsentieren. Wir haben so viel als Land durchgemach. So viele Menschen haben es leider immer noch sehr, sehr schlecht dort. Ich versuche den Musikern dort eine Plattform zu ermöglichen, damit die Generationen, die nach mir kommen, es leichter haben.  Mein Herz ist peruanisch und mein Motor ist deutsch. Das heißt, die Inspiration, die Melodien habe ich aus Südamerika, aber die Handarbeit ist von hier"

- Sofia Kourtesis über ihre Heimat Peru

Neben ihrem Engagement für die peruanische Community setzt sich Sofia Kourtesis mit ihrer Kunst auch für die Gleichstellung der Geschlechter, für queere Menschen und den Zugang zu sicherer Abtreibung in Peru ein. Der Aktivismus verbindet sie auch mit Manu Chao, den sie in „Estacion Esperanza“ sampelt und zitiert. Ihre Musik ist dabei sehr cineastisch. Sie denke ihre Tracks wie Filme. Madres erinnert an viele Electro-Meisterwerke. An die lateinamerikanischen Rhythmen bei Nicolas Jaar, die psychedelischen Samples in DJ Koze‘s „Amygdala“ oder die Fieldrecordings und Klang-Kleckse in Pantha Du Prince’ „Black Noise“. (9,3)

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Sofia Kourtesis feat. Manu Chao - 'Estación Esperanza' (Official Audio) | Bild: Sofia Kourtesis (via YouTube)

Sofia Kourtesis feat. Manu Chao - 'Estación Esperanza' (Official Audio)

Shabazz Palaces – Robed In Rareness

Produzent und MC Ishmael Butler war früher Kopf des 90er-Jahre Jazzhop-Trios Digable Planets. Seit 14 Jahren ist er auch der Chef von Shabazz Palaces, das mittlerweile sein Soloprojekt ist. Butler veröffentlicht auf dem legendären Grungelabel Sub Pop in Seattle, wo einst Nirvana zuhause waren. Mit seinem avantgardistischen und experimentellen Rap hat er Sub Pop das Grunge-Holzfällerhemd vom Leib gerissen und Seattle als Rap-City etabliert. Auf dem neuen Mini-Album treibt er seine Vision von afrofuturistischem Rap weiter voran. Hazy Synthesizer und britzelnde Beats lassen die Schwerkraft verschwinden und die Rapper förmlich schwerelos darüber rappen. Eine Single heißt „Woke Up In A Dream“ und genau dieses wachträumerische Taubheitsgefühl lösen Shabazz Tracks gerne aus. Doch die geladenen Rapper werden mit einigen Plattitüden dem futuristischen Sound der Platte selten gerecht. (7 Punkte)

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Shabazz Palaces - Woke Up In A Dream (feat. Lil Tracy) (Official Visualizer) | Bild: Shabazz Palaces (via YouTube)

Shabazz Palaces - Woke Up In A Dream (feat. Lil Tracy) (Official Visualizer)

Wild Nothing – Hold

Wild Nothing ist das Projekt von Jack Tatum. Er liebt die 80ziger. Schon als Kind hat er The Cure und OMD gehört. Letztere bringen übrigens auch eine Platte raus. Aber ich würde eher Wild Nothing empfehlen. Auf “Hold” hören wir überwiegend Shoegaze, Dream und Synthie-Pop. Es ist das bis dato poppigste Wild Nothing Album. Voller catchy Hymnen, samtweich, dicht und perfektionistisch produziert. Wild Nothing ist von L.A. zurück in seine alte Heimat Virginia gezogen. In Suburban Solutions beschreibt er seine Hassliebe zur Vorstadt. Auf dem Album “Hold” verarbeitet er noch eine andere entscheidende Veränderung in seinem Leben. Seine neue Rolle als Vater, die ihn persönlich und seine Ehe auf die Probe stellt. Die Selbstzweifel thematisiert er und lässt seine Frau mitsingen. Neben ihr gastieren auch Molly Burch und Becca Mancari. Der Song “Alex” erinnert an Slowdive-Shoegaze, im Song “Prima” stellt sich die Frage, ob das psychedelische Animal Collective in die 80er Jahre gebeamt wurde und sein Gesang erinnert an den jungen George Michael. Die Klangästhetik der 80ziger ist omnipräsen. Doch Hold ist viel mehr als Retromania, denn Tatum schafft es als Producer, alles zeitgemäß strahlen zu lassen.  (8 Punkte)

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Wild Nothing - Dial Tone (Official Visualizer) | Bild: WildNothingVEVO (via YouTube)

Wild Nothing - Dial Tone (Official Visualizer)

DJ Shadow – Action Adventure

Ganz anders verhält es sich bei DJ Shadows neuer Platte. Wegen seiner Sampling-Kunst wurde er gerne DJ der DJs genannt. Auf dem neuen Album Action Adventures ist er vielmehr Sound- und Beat-Archäologe. Er gräbt in seiner gigantischen Musiksammlung Ungehörtes und Unentdecktes aus, allerdings liegt auf manchen Songs noch arg viel Sand und Staub.
Aber seine Herangehensweise ist wieder sehr verspielt: "You Played Me" wurde teilweise durch eine eBay-Auktion von 200 Kassetten inspiriert, die in den 80ern von einem Radiosender in Baltimore aufgenommen wurden. Die Songs sind größtenteils instrumental. Die ersten gesampelten Worte sind: "all my records and tapes". Hatte er auf dem Vorgänger noch mit NAS oder De La Soul gearbeitet, wurde Action Adventure im Alleingang produziert. “Hier ging es um meine Beziehung zur Musik. Mein Leben als Sammler und Kurator", betont er.  Action Adventure wirkt auf mich wie ein akustisches Spiegelkabinett, das DJ Shadows Musiksammlung immer wieder zurückwirft und in anderen Brechungen zeigt. Doch auch Spiegelkabinette sind arg aus der Zeit gefallen. (6 Punkte)

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DJ Shadow - You Played Me (Official Video) | Bild: djshadow (via YouTube)

DJ Shadow - You Played Me (Official Video)

The Kills – God Games

The Kills zählten in den vergangenen 20 Jahren zum Coolsten und Verruchtesten, was Indierock zu bieten hatte. Die verführerische Stimme von Alison Mosshart, dazu die kratzigen Bluesriffs von Jamie Hince: “Dark Crooner Rock” nannte man das. Sieben Jahre ist das letzte Kills-Album her. Fans hatten schon Sorge, dass da nichts mehr kommt. “God Games” ist ein Computerspiel-Genre. Es beschreibt Spiele wie “Die Sims”. Der Mensch an der Maus oder am Controller kann die Welt und die Menschen im Spiel erschaffen, manipulieren und töten, wenn er es will. Er spielt Gott. Passend zum Thema nahmen The Kills das Album in einer alten Kirche auf. Nun sind The Kills bei Gott keine religiösen Rocker, aber ihr Rock`n`Roll hatte auf der Bühne durchaus etwas Zeremonielles. Call and Response zwischen Gitarre und Gesang. Neu ist nun: The Kills haben die Songs nicht mehr auf der Gitarre geschrieben.

"Ich schreibe nicht am Keyboard. Ich weiß nicht mal, wie man Keyboard spielt. Und plötzlich sitze ich am Keyboard und schreibe Songs. Das hat meinen Rhythmus und die Art wie ich texte komplett verändert."

- Alison Mosshart


Auf “God Games” rückt die Gitarre in die zweite Reihe. Der Bass gibt nun den Ton an, der Drum-Computer den Takt vor. God Games ist elektronischer, aber auch mit Bläsern und dem Compton Chor - sozusagen ein Chor Straight Outta Compton. Starproduzent Paul Epworth hat einiges geändert. Mosshart singt jetzt auch mal klassischere Balladen wie in Blank. Der Sound ist nicht mehr so roh, sondern viel eleganter. Das sind nicht mehr die Rock`n`Roll-Kills, sondern schon eher die Glamour-Kills. (7,8 Punkte)

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The Kills - 103 (Official Video) | Bild: The Kills (via YouTube)

The Kills - 103 (Official Video)

Mountain Goats – Jenny From Thebes

The Mountain Goats haben schon etliche geniale Konzeptalben produziert, was vor allem an der feinen Feder John Darnielle’s liegt, der längst auch fantastische Romane schreibt. Jenny From Thebes ist die Fortsetzung ihres Albums „All Hail West Texas“ aus 2002. Chef Mountain Goat John Darnielle produzierte das Album damals alleine und minimalistisch auf einem Ghettoblaster. Er stellte uns damals schon Jenny vor, die in der Zwischenzeit immer wieder in Songs der Mountain Goats aufgetaucht ist. Nun widmet er Jenny ein ganzes Album. Diesmal ist es nicht mehr minimalistisch, sondern eine Rockoper mit Fanfaren, Bläsern und großem Besteck. Inhaltlich zieht er Parallelen zur griechischen Tragödie. Die hilfsbereite Jenny, die ein Safehouse für Hilfsbedürftige betreibt, zerbricht an der kräftezehrenden Aufgabe. Sie flieht auf ihrer schwarz-gelben Kawasaki aus der Stadt. John Darnielle schreibt so warm und empathisch, gleichzeitig so nüchtern und brutal über seine Figuren. Wir hängen an seinen Lippen. Am Ende ist die Musik der Mountain Goats auch eine Art Safehouse, in dem wir Geborgenheit und Freunde finden. Auch wenn es hart kommt. (9 Punkte)

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the Mountain Goats - Murder at the 18th Street Garage (Official Music Video) | Bild: the Mountain Goats (via YouTube)

the Mountain Goats - Murder at the 18th Street Garage (Official Music Video)

Hotel Rimini – Allein unter Möbeln

Allein unter Möbeln ist das Debüt des Sextetts aus Leipzig, Berlin und Hamburg. Die Bandbesetzung ist bunt gemischt. Neben Paul Pötsch, den manche noch mit seiner Band Trümmer kennen könnten, ist Sänger Julius Schauspieler dabei und die Geigerin kommt aus der Klassik. Daneben sind auch Jazzer und Theatermusiker mit dabei. Ihr Sound: nostalgische Chansons, lakonische Liedermacherei und melancholisches Musiktheater. Wenn das Waldhorn erklingt oder die Lieder “Kalter Kaffee” heißen, dann kommt schnell der Vergleich “junge Element Of Crime”. Von der Hand zu weisen ist das nicht. Ende November spielen sie in München, Nürnberg und dann in Regensburg. (7 Punkte)

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Hotel Rimini - Kalter Kaffee | Bild: Hotel Rimini (via YouTube)

Hotel Rimini - Kalter Kaffee

Enik & The Paranormal String Quartett – Exile In Space

Hinter Enik verbirgt sich der Münchner Multiinstrumentalist Dominik Schäfer. Er ist auch musikalischer Leiter und Komponist verschiedener Theaterproduktionen - an den Münchner Kammerspielen oder der Bayerischen Staatsoper. Dort spielen auch einige der Musikerinnen und Musiker, die Enik nun mit dem Paranormal String Quartet unterstützen. Enik und die Streicher harmonieren fantastisch. Die wehklagenden und singenden Saiten der Geigen und Cellos gehen unter die Haut. Mal spielen sie klassisch zu Pianoakkorden, dann schräg avantgardistisch oder geben zupfend den Takt vor. Die Streicher erzählen mindestens genauso viel wie der Gesang. Ob mit verzerrter Roboter-Stimme oder mit Kopfstimme. (7,8 Punkte)

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Enik & The Paranormal String Quartet - Electric Sheep (official video) | Bild: Enik (via YouTube)

Enik & The Paranormal String Quartet - Electric Sheep (official video)