Bayern 2 - Nachtmix

Neuerscheinungen der Woche Neue Alben von Jungle, Bonnie "Prince" Billy und Hollie Cook

Die Neuheiten der Woche im Überblick: neue Alben gibt’s von Bonnie “Prince” Billie, Jungle, The Hives, Liam Gallagher, The Raveonettes, Hollie Cook, Son Lux, Samy Deluxe, Laura Groves und dem Elektronik-Projekt Helios.

Von: Ann-Kathrin Mittelstrass

Stand: 11.08.2023

Jungle | Bild: Arthur Williams

Jungle - Volcano

Seit fast 10 Jahren stehen die zwei Köpfe hinter Jungle, die Briten Tom McFarland und Josh-Lloyd Watson, für Neo-Disco/Neo-Soul. Von Anfang an haben sie ihre Songs mit sehr aufwändigen Tanzvideos begleitet. Was - würde ich behaupten - nicht unwesentlich zum Erfolg der Band beigetragen hat, im Zeitalter, wo gut geklickte Clips die Reichweite erhöhen. Diesmal haben sie in einem interaktiven Musikvideo zwischen schönen, tanzenden Menschen sogar Freikarten für ihre neue Tour versteckt. So viel zu den Marketing-Experten Jungle. Bei ihnen weiß man in der Regel, was man kriegt: sonnig-souligen Retro-Sound, der trotzdem immer sehr jetzig klingt. Aber - wie ich finde - oft auch ein bisschen gleich. Von diesen eher austauschbaren Jungle-Songs gibt es auf dem neuen Album vor allem in der Mitte ein paar. Dafür kommen am Anfang starke Songs, die Gas geben oder interessante Feature-Gäste haben, vor allem aus dem HipHop-Umfeld. Neben Erick the Architect von den New Yorker Flatbush Zombies, brummt jetzt auch Roots Manuva ein paar Zeilen. Und der Kalifornier Channel Tres fügt sich mit seiner Mischung aus HipHop und House gut in den Jungle-Sound. Am 5. November sind spielt die Band live in München in der Tonhalle. (7,4 von 10 Punkten)

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Jungle - I've Been In Love feat. Channel Tres (Official Video) | Bild: Jungle4eva (via YouTube)

Jungle - I've Been In Love feat. Channel Tres (Official Video)

Bonnie „Prince“ Billy – Keeping Secrets Will Destroy You

Von einem Album, das die Leute zum Tanzen bringen soll, jetzt zu einem Album, das einen unweigerlich zum Nachdenken bringt. Denn sobald Will Oldham aka Bonnie “Prince” Billy anfängt, sanft, manchmal fast flüsternd zu singen, ist man sofort in der Stimmung, das gesamte Dasein zu hinterfragen. Das neue Album beginnt mit einem Song namens “Like it or not”, ob du willst oder nicht. Und da zählt Bonnie “Prince” Billy so trocken wie tröstlich Sätze auf wie: “Ob du willst oder nicht, am Ende sterben wir alle, also gibt’s auch nichts zu verstecken”. Vielleicht kommt daher auch der Titel des Albums “Keeping Secrets Will Destroy You“. Geheimnisse für dich zu behalten, wird dich zerstören. Bonnie „Prince“ Billy ist einer der Musiker, die den “Songwriter-Boom” der letzten Jahre schon in den 90ern angeschoben haben. Auf dem neuen Album gibt’s den von ihm gewohnten Qualitäts-Folk. Ein Album, das man im Herbst nochmal herausholen sollte, wenn die ersten Blätter fallen… (7,9 von 10 Punkten)

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Bonnie Prince Billy "Crazy Blue Bells" (Official Music Video) | Bild: Drag City (via YouTube)

Bonnie Prince Billy "Crazy Blue Bells" (Official Music Video)

The Hives – The Death of Randy Fitzsimmons

Damit zum Laubbläser der Woche - um im Bild zu bleiben. Es ist das krachigste Comeback der Woche, das The Hives hinlegen. Die Schweden sind Anfang der 2000er Jahre mit Hits wie “Hate to say I told you so” und “Walk Idiot Walk” bekannt geworden, seit 2012 gab es kein neues Album. Jetzt kommt mit „The Death of Randy Fitzsimmons“ das sechste Album der Band raus. Wer The Hives mal live gesehen hat, weiß, wie Frontmann Pelle Almqvist immer wie ein aufgescheuchter Gockel über die Bühne fegt. Natürlich, wie der Rest der Band, ganz stilvoll gekleidet: im Anzug, schwarz-weiß. The Hives waren immer ein großer, lauter Spaß. Und das sind sie auch immer noch, finde ich. Ich bin selbst überrascht, wie viel Laune mir dieses neue Album streckenweise macht. Sie klingen vielleicht nicht mehr ganz so zackig. Aber im Großen und Ganzen lass ich mich gerne anstecken von diesen Mittvierzigerin, die nicht erwachsen werden wollen. “Wer zum Teufel will reifen Rock’n’Roll?” Fragt sich auch Pelle Almqvist und gibt die Antwort gleich selbst: "Niemand! Rock’n’Roll (...) ist ein ewiger Teenager und dieses Album fühlt sich genau so an”. Am 29. September kommen The Hives nach München in die Tonhalle. (8 von 10 Punkten)

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The Hives - Bogus Operandi (Official Video) | Bild: thehivestv (via YouTube)

The Hives - Bogus Operandi (Official Video)

The Raveonettes Presents: Rip It Off

Wir bleiben in Skandinavien. Es gibt was Neues vom Garage-Rock-Duo The Raveonettes aus Dänemark. Das Album heißt „The Raveonettes Presents: Rip It Off” - also zu deutsch: klau es! Natürlich mit Erlaubnis. Sune Rose Wagner und Sharin Foo haben zum 20jährigen Jubiläum ihres Debütalbums “Whip it on” andere Musiker:innen gebeten, ihre neu zu interpretieren. Zugesagt hat z.B.die dänische Popsängerin MØ, die als Teenager Riesenfan war, die Songwriterin Brimheim von Färöer Inseln, außerdem Trentemöller und Dave Gahan von Depeche Mode, der aus dem Song “Chains” ein schräges Industrial-Brett macht. Wie immer gilt: solche Cover-Alben lassen einen die Original-Songs neu- oder wiederentdecken. Aber hier stehen auch die neuen Versionen schön für sich. (7,4 von 10 Punkten)

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Veronica Fever | Bild: Brimheim - Topic (via YouTube)

Veronica Fever

Hollie Cook – Happy Hour in Dub

Der Sound für das Comeback des Sommers: Nach den kühlen August Tagen kann man hier innerlich in der Hängematte schaukeln und von Sonne und Meer träumen. Hollie Cook bringt ihr Album „Happy Hour“ aus dem letzten Jahr nochmal in einer Dub-Version raus “Happy Hour in Dub“. Hollie Cook trägt allein durch ihren Namen einiges an Musikgeschichte mit sich rum: sie ist die Tochter des Sex Pistols Drummers Paul Cook, ihre Mutter Jeni war Backgroundsängerin bei Culture Club, der Band von Boy George, der ihr Patenonkel ist. Sie selbst macht, wie sie’s nennt, “Tropical Pop”, in dem Reggae und Lovers Rock drin steckt, was ja die romantische, R&B und Soul-beeinflusste Version von Reggae ist. Und ein Faible für Dub hat sie eben auch. Die Songs vom letzten  Album “Happy Hour” hätten so viele vertrackte musikalische Details gehabt, von den Backing Vocals zu den Streicher- und Bläser-Arrangements, sagen Hollie Cook und ihr Produzent, die zu isolieren und über ein Dub-Gerüst aus Bass und Schlagzeug zu legen, damit wollten sie die Songs “outer space” bringen, bis ins Weltall! Und da geh ich sehr gerne mit. (8,2 von 10 Punkten)

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Hollie Cook - Golden Dub (feat. Rosie Turton) (Official Audio) | Bild: Merge Records on YouTube (via YouTube)

Hollie Cook - Golden Dub (feat. Rosie Turton) (Official Audio)

Helios – Espera

Zwischen “Outer Space” und vertonter Natur bewegt sich zuweilen auch das, was der Amerikaner Keith Kenniff macht mit seinem Electronica-Ambient-Projekt Helios. Keith Kenniff komponiert seine Stücke auf dem Album „Espera“ sehr szenisch. Kein Wunder, der Amerikaner macht viel Soundtracks für Film & Fernsehen - neben seinen anderen Musikprojekten, die er noch betreibt - Goldmund und Mint Julep. Aber ich kann mir nicht helfen: auf dem neuen Helios Album hab ich oft Szenen aus Werbefilmen vor Augen, wie sich Paare in Zeitlupe in die Arme fallen, vor malerischer Naturkulisse… Liegt natürlich an meinem persönlichen Kopfkino. Aber mir sind die Tracks leider etwas zu belanglos geraten. Vielleicht ist es die fehlende Dunkelheit in diesen Sound-Landschaften, die mich eher kalt lässt. Andere mögen gerade das reizvoll finden. (5,9 von 10 Punkten)

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Helios - Lineoa (Official Audio) | Bild: Ghostly International (via YouTube)

Helios - Lineoa (Official Audio)

Son Lux – Alternate Forms

Über zu wenig Dunkelheit kann man sich bei dieser Band eigentlich nicht beklagen: Son Lux sind Meister darin, einen in düstere Strudel aus experimenteller Elektronik und Rock zu ziehen. Was andere Künstler:innen wie Kishi Bashi aus den Songs von Son Lux machen, das hören wir auf dem neuen Album “Alternate Forms”. Es ist eine „re-worked“ Version ihres 2013er Albums “Lanterns” - zum 10jährigen Jubiläum - ähnlich wie das The Raveonettes auch grade gemacht haben. “Lanterns” gilt als das Durchbruchs-Album von Son Lux, der Band um Ryan Lott aus New York. Damals war er noch solo unterwegs, heute sind sie zu dritt und schwer auf Erfolgskurs. Sie waren dieses Jahr auch nominiert für ihre Arbeit am Soundtrack für den Oscar-Abräumer “Everything Everywhere All At Once”. Die Songs auf dem Original „Lanterns“ Album von 2013 waren schon bis oben hin vollgepackt mit Ideen und experimentellen Spielereien. Das heißt, die Herausforderung ist groß, daraus spannende “Reworks” zu machen. Aber es gelingt doch recht gut. Der Hit der Platte “Easy” wird auf Jazz gedreht. Und die Britin Anna B Savage rüstet an Dramatik ab und unterstreicht so nochmal die Zerbrechlichkeit in den Songs von Son Lux. (7,7 von 10 Punkten)

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Kishi Bashi — "Alternate World (Alternate Life)" (Official Visualizer) | Bild: Son Lux (via YouTube)

Kishi Bashi — "Alternate World (Alternate Life)" (Official Visualizer)

Laura Groves – Radio Red

Ein Album, das nicht überarbeitet, “reworked” erscheint, sondern wirklich neu ist, ist das „Radio Red“ von Laura Groves. Es ist das erste Album, das die Britin unter ihrem richtigen Namen rausbringt. 2009 hat sie schon mal als Blue Roses ein Album veröffentlicht, wo man ihr Gespür für Melodien und eine Ähnlichkeit zu Joanna Newsroom rausgehört hat. Aber auch noch eine ziemliche Jugendlichkeit und DIY-Ästhetik. Dagegen klingt die Laura Groves von heute sehr erwachsen und elegant, wie auf der Keyboard-Ballade „I’m Not Crying”. Leider ist nicht jeder Song auf dem Album “Radio Red” so stark wie “I’m Not Crying”. Aber Laura Groves schafft mit ihren sanft elektronischen Folk-Songs eine schön intime Stimmung zu erzeugen. (7,3 von 10 Punkten)

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Laura Groves - I'm Not Crying | Bild: Laura Groves (via YouTube)

Laura Groves - I'm Not Crying

Samy Deluxe – Hochkultur 2

Pünktlich zum 50. Geburtstag von HipHop bringt einer der Elder Statesmen des deutschen HipHop sein neues Album raus: Samy Deluxe. In den letzten 20 Jahren hat der Hamburger Rapper, der mittlerweile graumelierten Rauschebart trägt, acht Studioalben veröffentlicht,  „Hochkultur 2“ ist jetzt das neunte. Nachdem HipHop heute Massenkultur geworden ist und für einige ein Lifestyle, mit dem sie sich schmücken, ist es angenehm, mal wieder jemanden wie Samy Deluxe zu hören, dem man das wahrlich nicht vorwerfen kann. Auch wenn’s ein paar weniger als 18 Songs auch getan hätten. Aber ich hör ihm interessiert zu, wie er z.B. von Tagen rappt, an denen er so “blue” ist wie das berühmte Blau von Yves Klein. Von der Produktion ist es nicht zu oldschoolig, aber die gesungen Auto-Tune Hooks werden Gott sei Dank auch nicht überstrapaziert. (7,5 von 10 Punkten)

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Samy Deluxe x DJ Desue - "Roter Velour" (Offizielles Musikvideo) | Bild: Samy Deluxe (via YouTube)

Samy Deluxe x DJ Desue - "Roter Velour" (Offizielles Musikvideo)

Liam Gallagher - Live from Knebworth 22

Wer Live-Alben mag, ist bei Liam Gallagher richtig. Letztes Jahr hat er an zwei Abenden in Knebworth gespielt, Englands größtem Open Air Venue. Dort, wo er vor 26 Jahren auch mit Oasis gespielt hat. Für ihn war’s eine emotionale Rückkehr, festgehalten für die Musik-Geschichtsbücher. Und die Fans natürlich. Und der Sound ist wirklich verdammt gut. Man hat das Gefühl, man steht mittendrin auf einem Oasis Konzert - auf der Setlist stehen nämlich neben seinen Solo-Songs so einige Oasis Hits wie „Supersonic“, „Champagne Supernova“ oder „Rock’n’Roll Star“. Und sogar „Wonderwall“ macht mal wieder Spaß zu hören. Um’s mit Liam Gallaghers Worten zu sagen: „Fuckin‘ Beautiful!“ (8 von 10 Punkten)

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Liam Gallagher - Roll It Over (Live From Knebworth 22) | Bild: Liam Gallagher (via YouTube)

Liam Gallagher - Roll It Over (Live From Knebworth 22)