Ein kaputter Regenschirm fliegt im Wind von Sturmtief "Zoltan" über eine Wiese.
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Ein kaputter Regenschirm fliegt im Wind von Sturmtief "Zoltan" über eine Wiese.

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Wie stark weht der Wind? Die Geschichte der Beaufortskala

Sturmtiefs wie "Zoltan" halten die Menschen auf Trab. Orkanböen geht man lieber aus dem Weg. Doch wie und seit wann werden Windstärken eigentlich gemessen? Maßgebend ist die Beaufortskala. Und die hat sogar Auswirkungen auf die Hausratversicherung.

Kaum ein Wetterelement hat so viele Gesichter wie der Wind. Der Wind macht das Wetter. Er dirigiert die großen Luftmassentransporte auf der Erde und entscheidet damit über das Schicksal der Hochs und Tiefs. Er ist die Antriebskraft für Segelschiffe. Dank des globalen Systems der Luftströmungen hat er in der Blütezeit der mit Großseglern durchgeführten Handelsschifffahrt und der großen Entdeckungsfahrten viel zum Kontakt zwischen den Kulturen beigetragen. Heute ist der Wind ein fester Bestandteil der Erfolgsgeschichte der erneuerbaren Energien. Die Kehrseite der Windmedaille bilden Stürme und Orkane mit ihrer zerstörerischen Kraft.

Schon frühzeitig versuchte der Mensch, den Wind zu klassifizieren. Im Mittelalter beschränkte man sich auf die stärkeren Winde und benutzte noch recht unpräzise Stärkeangaben. So umschrieb der im 7. Jahrhundert bekannte Historiker Beda Venerabilis einen Orkan als "einen mit der Kraft von tausend Teufeln entfesselten Wind". Ein bewährtes Gegenmittel war das Läuten geweihter Kirchenglocken.

Eine Skala für effizientes Segeln

Im 18. Jahrhundert, in der Blütezeit der Vollschiffe, der großen Rahsegler, gewann der zur See fahrende Mensch ein besonderes Interesse an einer möglichst genauen Kennzeichnung der Wind-stärke. Wie bei vielen anderen Innovationen auch waren es vor allem wirtschaftliche Gründe, die den Anstoß gaben. Man wollte seine Handelsfracht möglichst schnell und gefahrlos über die Meere bringen und brauchte Anhaltspunkte für ein effizientes Segeln. Eine schon frühzeitig erkennbare Neigung zum Messen und Beobachten zeichnete damals Francis Beaufort aus, einen 1774 in Irland geborenen Seemann. Seine Fähigkeit sollte er später mit Erfolg in der britischen Marine einsetzen. Sein Hauptaufgabenbereich war die Vermessungstätigkeit. Nebenbei erwies er sich auch als ein präziser Beobachter der Segelführung in Abhängigkeit von der Windstärke.

Deutscher Kapitän erweckt Beaufortskala zu neuem Leben

1806 entstand seine 13–stufige Windskala. Sie beschreibt die Stärke des Windes in Verbindung mit einer optimalen Segelführung und gibt Empfehlungen, wie viele Segel maximal je nach Wind gesetzt werden können. So bedeutete etwa Windstärke 3: "Alle Segel können gesetzt werden, Fahrt mit 4 Seemeilen (= 7,5 km) pro Stunde". Windstärke 6 nach Beaufort dagegen führte zur Empfehlung: "Alle Segel außer Oberbramsegel und Royal können geführt werden." Wichtigste Merkregel: Zwischen den Windskala-Stufen 6 und 12 (voller Orkan) sollte ein Verkleinern der Segelfläche von Stufe zu Stufe um jeweils ein Sechstel vorgenommen werden. Andernfalls drohten bei zu viel Segelfläche und hohen Windgeschwindigkeiten Mastbruch oder gar Kentern.

Erst 1838, sechs Jahre nachdem Francis Beaufort als Admiral an die Spitze des britischen Seevermessungsdienstes gelangt war, wurde die Beaufortskala in der Royal Navy offiziell eingeführt. Danach fand sie rasch Verbreitung und internationale Anerkennung. Im Laufe des 19. Jahrhunderts, als die alten Großsegler in zunehmendem Maße durch Dampfschiffe ersetzt wurden, drohte die Windstärkeskala in Vergessenheit zu geraten. Dem 1863 bei Flensburg geborenen deutschen Kapitän Peter Petersen haben wir es zu verdanken, dass die alte Beaufortskala zu neuem Leben erweckt wurde. Er verknüpfte die Auswirkungen des Windes auf das Erscheinungsbild der See mit den 13 Stufen der Beaufort – Skala. Nicht die Segelführung, sondern die Windstärke stand jetzt im Vordergrund, die sich nun unabhängig vom Schiffstyp bestimmen ließ.

Windstärken wurden zunächst geschätzt

Da es damals noch keine Anemometer (Windmessgeräte) gab, schätzte man die Windstärke anhand der Auswirkungen des Windes auf die Wasseroberfläche (von "spiegelglatt" bei Windstärke 0, also Flaute, bis hin zu "fliegender Gischt, die jegliche Fernsicht unmöglich macht" bei Stärke 12, also vollem Orkan).

Petersen veröffentlichte seine Skala erst 1927, und es mussten nochmals 12 Jahre vergehen, bis sie durch die internationale meteorologische Organisation (WMO) weltweit eingeführt wurde. Sie ist in der Form auch heute noch gültig. Dabei wird die Beschreibung der Auswirkungen des Windes auf die Wasseroberfläche durch eine entsprechende Beschreibung für die Landoberfläche ergänzt (von "Rauch steigt senkrecht auf" bei Flaute bis hin zu "Schwerte Verwüstungen" bei vollem Orkan).

Die Beaufortskala und die Hausratversicherung

Die moderne Beaufortskala enthält neben Windstärke und Beschreibungen der Auswirkungen auch die äquivalenten Windgeschwindigkeitswerte, wie sie heutzutage durch Messungen ermittelt werden (u.a. Meter pro Sekunde und Kilometer pro Stunde).

Was diese Skala nicht unmittelbar zeigt, was man aber besonders mit Blick auf die hohen Windgeschwindigkeiten unbedingt wissen sollte: Der Druck des Windes steigt mit dem Quadrat der Windgeschwindigkeit. Die Kraft des Windes wächst also exponentiell mit zunehmender Windstärke! So nimmt zum Beispiel der Druck des Windes von Beaufort 1 bis Beaufort 7 in gleichem Maße zu wie von Beaufort 7 bis Beaufort 9. Das erklärt die rasche Zunahme der Zerstörungskraft, wenn sich ein starker Wind zum Sturm oder gar Orkan mausert.

Nach der Beaufortskala richten sich auch die Gebäude-, Hausrat- und Kaskoversicherungen: Ab Windstärke 8 haftet die Versicherung.

Im Bild: Die moderne Beaufortskala

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Die moderne Beaufortskala

💡 Leitplanken-Effekt und Kuppen-Effekt - was den Sturm noch stärker macht

Im Alpenvorland kommt es bei bestimmten Großwetterlagen zum sogenannten Leitplankeneffekt, der die Luftströmung noch einmal beschleunigt. Sprich: Es wird im Alpenvorland noch stürmischer. Das passiert, wenn zum Beispiel mit Annäherung einer Kaltfront der starke bis stürmische Wind in einem spitzen Winkel auf die Alpen trifft. Der Wind wird quasi zwischen der Kaltfront und den Alpen eingequetscht, richtet sich parallel zum Alpenrand aus und beschleunigt sich. Die Alpen wirken daher wie eine Leitplanke - daher auch der Name "Leitplankeneffekt".

Bei einer Sturmwetterlage wie bei "Zoltan" sorgt der so genannte "Kuppen-Effekt" für eine extra Windbeschleunigung auf den Gipfeln - allerdings nur in Regionen oberhalb der Waldgrenze. Hier trifft auf der Kuppe oder dem Gipfel der Wind, der durch den Sturm vom Oberhang in Richtung Gipfel gepresst wird, auf den darüber liegenden horizontalen Sturm - und beschleunigt nochmal. Von daher werden auch die größten Windgeschwindigkeiten auf exponierten Berggipfeln gemessen.

Im Video: Die Auswirkungen von Sturmtief "Zoltan" in Bayern

Unwetterschäden auf einer Straße
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Unwetterschäden auf einer Straße

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