Die Grafik zeigt hell leuchtende Filamente und dichtere Zentren in einer violetten Farbe. Diese sollen die Dunkle Materie repräsentieren. Darüber gelegt befindet sich in einer orange-rötlichen Farbe die diffusere Anordnung von leuchtendem Gas.
Bildrechte: "Illustris Collaboration" / "Illustris Simulation".

Direkt beobachten kann man die Dunkle Materie nicht - aber zumindest in Simulationen können wir sehen, wie sie im Weltraum verteilt ist.

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Dem kosmologischen Rätsel auf der Spur: Was ist Dunkle Materie?

Forschende des Max-Planck-Instituts und der LMU suchen aktuell mit der Mission Euclid die Dunkle Materie. Sie soll die ganze Welt zusammenhalten und ist doch völlig unsichtbar. Was hat es mit diesem kosmologischen Rätsel auf sich?

Mit Weltraumteleskopen wie der kürzlich gestarteten europäischen Mission Euclid oder mit auf der ganzen Welt verstreuten Teilchendetektoren wird seit Jahrzehnten nach ihr gesucht: die Dunkle Materie. Forschende des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München gehen bei der Mission Euclid der Frage nach: Was hat es mit diesem so mysteriösen Stoff auf sich, den man zwar nicht sehen und bislang nicht finden kann – der aber das ganze Universum wie ein unsichtbarer Klebstoff zusammenhält? Wir verraten Ihnen, was bislang über die Dunkle Materie bekannt ist.

Was versteht man unter Dunkler Materie?

"Dunkle Materie" bezeichnet eine bislang unbekannte Form von Materie, die unsichtbar ist und nur über die Schwerkraft wechselwirken soll. Streng genommen steckt im Begriff selbst eine Vermutung: Obwohl ein Großteil der Forschenden derzeit annimmt, dass es sich bei der Dunklen Materie tatsächlich um "Materie" handelt, ist dies noch nicht geklärt.

Ist Dunkle Materie das Gleiche wie die Dunkle Energie?

Dunkle Materie und Dunkle Energie haben lediglich gemeinsam, dass derzeit völlig unbekannt ist, um was es sich dabei überhaupt handelt. Sie beschreiben völlig unterschiedliche Phänomene. Die Dunkle Materie ist ein Versuch, um zahlreiche Beobachtungen im Weltall zu erklären, die darauf hindeuten, dass es im Universum viel mehr Masse zu geben scheint, als wir sehen können. Die Dunkle Energie hingegen soll dafür sorgen, dass sich unser Universum seit einigen Milliarden Jahren beschleunigt ausdehnt.

Warum glaubt man, dass es Dunkle Materie gibt?

Zahlreiche Beobachtungen im Weltall deuten darauf hin, dass im Universum sehr viel mehr Masse vorhanden ist, als wir – beispielsweise anhand von leuchtenden Sternen und Galaxien – sehen können.

Ein Beispiel betrifft Spiralgalaxien wie unsere Milchstraße: Diese Galaxien rotieren zu schnell – und zwar so schnell, dass die Galaxie eigentlich auseinanderfliegen sollte. Das passiert aber nicht. Sinn ergibt diese Beobachtung nur, wenn in den Galaxien sehr viel mehr Masse vorhanden ist, als wir sehen können: Diese zusätzliche, unsichtbare Masse würde wie eine Art Klebstoff wirken, der die Galaxie zusammenhält.

Warum ist Dunkle Materie wichtig?

Für unser alltägliches Leben auf der Erde spielt die Dunkle Materie keine Rolle. Wichtig wird sie dann, wenn wir verstehen wollen, woraus unser Universum besteht und wie es zusammengesetzt ist: Die "normale", sichtbare Materie würde demnach nämlich nur rund 15 Prozent aller Materie im Universum ausmachen. Rund 85 Prozent aller Materie im Universum würde aus Dunkler Materie bestehen. Deshalb gehen Forschende davon aus, dass die Dunkle Materie die Entwicklung unseres Universums maßgeblich beeinflusst hat.

Beispiel gefällig? Unser Sonnensystem besteht aus recyceltem Material vergangener, längst explodierter Sterne, das sich wieder zusammengeballt hat, um unsere Sonne, unsere Planeten und letztendlich auch uns selbst zu bilden. Ohne den zusätzlichen "Klebstoff" der Dunklen Materie aber wären die potenziellen Baustoffe unseres Sonnensystems einfach immer weiter auseinandergeflogen, ohne noch einmal zu einem Stern mit Planetensystem zu kollabieren. Es ist also fraglich, ob sich in einem Universum ohne Dunkle Materie überhaupt komplexe Lebensformen wie wir selbst hätten bilden können, die sich heutzutage fragen können, was es mit der Dunklen Materie auf sich hat.

Wie erforschen Wissenschaftler die Dunkle Materie?

Eine Methode, um die Dunkle Materie zu erforschen, ist die indirekte Beobachtung im All. Dafür eignen sich beispielsweise Weltraumteleskope wie die kürzlich gestartete ESA-Mission Euclid: Das Teleskop kann die Auswirkungen beobachten, welche die Dunkle Materie auf Galaxien und Galaxienhaufen hat. Daraus können Forschende Karten erstellen, wo und wie die Dunkle Materie in unserem Universum verteilt ist. Allerdings kann diese indirekte Beobachtung nicht verraten, um was es sich bei der Dunklen Materie genau handelt.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, sich theoretisch zu überlegen, dass, wenn die Dunkle Materie wirklich aus Materie besteht, sie wahrscheinlich aus derzeit noch unbekannten Teilchen besteht. Indem sich Theoretiker überlegen, was für Teilchen das sein könnten, können Teilchenphysikerinnen und -physiker in ihren irdischen Teilchenbeschleunigern danach suchen – vorausgesetzt, dass diese hypothetischen Teilchen der Dunklen Materie noch auf irgendeine andere Weise mit unserer normalen Materie wechselwirken als nur über die Schwerkraft. Zwar gibt es seit Jahrzehnten zahlreiche Kandidaten für derartige Teilchen, doch bislang verläuft diese Suche völlig erfolglos.

Im Video: Weltraumteleskop Euclid erfolgreich ins All gestartet

Hubble-Aufnahme des Galaxienhaufens Abell 3827. ACHTUNG: CC BY 4.0 (Namensnennung 4.0 International)!
Bildrechte: ESA/Hubble/NASA/R. Massey
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Die ESA-Mission Euclid will Licht ins dunkle Universum bringen.

Dieser Artikel ist erstmals am 16. Juli 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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