Proben stehen im Labor für Corona-Varianten (CoMV-Gen) in der Universitätsmedizin Greifswald für die Suche nach neuen Varianten und Mutationen des Corona-Virus bereit. In Greifswald arbeiten Forscher dabei am Anschlag und haben in den letzten Wochen mehr als 1.500 Proben sequenziert.
Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jens Büttner

In Deutschland wird immer noch weniger sequenziert als gefordert.

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Warum Deutschland zu wenig nach Virusvarianten sucht

Um herauszufinden, mit welcher Corona-Virusvariante man sich angesteckt hat, muss die positive Probe sequenziert werden. In Deutschland passiert das seltener als in anderen Ländern, doch auch hier sind die Zahlen besser geworden.

Über dieses Thema berichtet: Rundschau Magazin am .

Vor ziemlich genau einem Jahr kochte im Januar 2021 die Diskussion in Deutschland schon einmal hoch. Die Alpha-Welle rollte heran – und Deutschland war blind. Es wurde weniger sequenziert als anderswo, zum Beispiel Großbritannien oder Dänemark. Nur bei rund 0,7 Prozent der positiven Proben wurde Anfang 2021 das Genom analysiert und damit die Virusvariante bestimmt. Nun ist die Virusvariante Omikron aufgetaucht. Ist Deutschland mittlerweile besser geworden?

In deutschen Laboren wird die DNA von Krankheitserregern traditionell nicht so häufig sequenziert. Das was schon vor der Corona-Pandemie von Virologen kritisiert worden. In Großbritannien zum Beispiel hat die Genomanalyse eine lange Tradition, nicht zuletzt, seit der Engländer Crick und sein amerikanischer Kollege Watson in den 50er-Jahren an der Universität von Cambridge die DNA entschlüsselt haben.

Systematisches Testen des Viruserbguts in Großbritannien

Dieser wissenschaftliche Vorsprung wurde in der Corona-Pandemie ausgebaut. Das Vereinigte Königreich ist Weltmeister im Sequenzieren, das kann man auf der Webseite GISAID nachlesen. Hier werden offizielle Labordaten aus aller Welt gesammelt, auch aus der EU. In den vergangenen dreißig Tagen hat das Vereinigte Königreich demnach rund vier Prozent der positiven Corona-Tests auch sequenziert. Das sind bei 3,3 Millionen positiven Tests insgesamt immerhin rund 132.000 sequenzierte PCR-Tests. Auch Dänemark sequenziert fleißig, 5,8 Prozent der Tests (bei einer Gesamtzahl von 366.000 positiven Proben). In Neuseeland werden 15 Prozent der positiven Tests sequenziert, doch hier ist das Infektionsgeschehen auch deutlich geringer, nur 2.000 positive Fälle in den letzten 30 Tagen.

Deutschland: 22.000 Tests genauer ausgewertet

In Deutschland wurden im selben Zeitraum 2,1 Prozent der positiven Tests sequenziert, von rund 1,1 Millionen Fällen. Absolut wurden damit rund 22.000 Tests genauer ausgewertet.

In absoluten Zahlen haben die USA bisher den größten Beitrag zur Genomsammlung geleistet, mit über 2 Millionen Gensequenzen, gefolgt vom Vereinigten Königreich mit 1,6 Millionen und Deutschland mit rund 336.000 ausgewerteten Proben.

Deutschland könnte besser sein beim Sequenzieren

In absoluten Zahlen steht Deutschland im weltweiten Vergleich also nicht schlecht da. In relativen Zahlen sind wir nur im Mittelfeld und unter der Zielmarke, die die Politik vor einem Jahr herausgegeben hat. Nach der neuen Verordnung vom Januar 2021 sollten bei mehr als 70.000 Neuinfektionen pro Woche mindestens fünf Prozent der positiven Proben auf Virusmutationen untersucht werden. Bei weniger als 70.000 Neuinfektionen sogar mindestens 10 Prozent.

Im aktuellen RKI-Wochenbericht vom 06.01.2022 sind die Zahlen für die Kalenderwoche 51 (2021) ausgewertet, aufgrund des verschiedenen Zeiträume (die letzten 30 Tage gegenüber Kalenderwoche 51) unterscheiden sich die Zahlen von den Daten auf GISAID.

Laut RKI-Bericht wurden in der 51. Kalenderwoche Woche 3,2 Prozent der positiven Proben sequenziert. Die meisten davon waren anlassbezogen. Das kann daran liegen, weil es Verdacht auf eine Ansteckung in einem Virusvariantengebiet gab oder ein Impfdurchbruch vorlag. Nur 0,8 Prozent der ausgewerteten Proben gehörten zu einer zufälligen Stichprobe, die besonders aussagekräftig ist. Seit einigen Wochen wird in Deutschland ein immer kleinerer Anteil der positiven Tests sequenziert, so das RKI: "Dies ist unter anderem auf den starken Anstieg und die hohen Fallzahlen der letzten Wochen zurückzuführen."

Das heißt also: Die Maßgabe der Politik wird verfehlt. Nur zwischen Ende Mai und Anfang August 2021 wurden deutlich mehr als zehn Prozent der positiven Proben gesondert ausgewertet.

Mehr Labore überprüfen positive Corona-Proben

Doch die Kapazitäten in den Laboren wurden im vergangenen Jahr massiv ausgebaut und es wird auch mehr überprüft, sagt Professor Roman Wölfel vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. An seinem Institut wurde vor knapp zwei Jahren die erste positive Probe von Sars-Cov-2 in Deutschland untersucht.

"Wir haben jetzt sehr viele Labore, die in der Lage sind, Gesamtgenome von SARS-Coronavirus zu ermitteln." Prof. Roman Wölfel, Universität der Bundeswehr, München

Ausschlaggebend dabei war wohl auch, dass die Kosten für die Sequenzierung seit Januar 2021 übernommen werden, rund 200 Euro pro Probe.

Die Labordaten aus den Sequenzierungen werden in einer zentralen Datenbank gesammelt. Darüber können man "sehr schnell einen Überblick bekommen, ob eine neue Virusvariante sich ausbreitet", so Wölfel im BR24-Interview.

Fazit:

Andere Länder wie Großbritannien oder Dänemark untersuchen positive Corona-Proben systematischer und in größerer Zahl, um einen Überblick über das Ausbruchsgeschehen in ihrem Land zu bekommen. In Deutschland sollten momentan mindestens zehn Prozent der Tests sequenziert werden. Das findet aber nicht statt, es sind sogar weniger als fünf Prozent. Doch im Vergleich zur Situation vor einem Jahr wird deutlich mehr sequenziert, die Kapazitäten in den Laboren wurden verstärkt.

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