Amazon finanziert ein Forschungsprojekt der Max-Planck-Gesellschaft, das die Datenanalyse durch Künstliche Intelligenz erkundet.
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Amazon-Logo auf einer Fassade. Amazon investiert in deutsche Forschungsinstitute.

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Warum Amazon deutsche Forschungsinstitute mitfinanziert

700.000 Euro überweist der Konzern Amazon an die Max-Planck-Gesellschaft, damit diese die Datenauswertung durch Künstliche Intelligenz genauer in den Blick nimmt. Was bedeutet das aber für die Unabhängigkeit der Forschung?

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Erster deutscher Science Hub – so kündigten die deutsche Max-Planck-Gesellschaft und Amazon vor einigen Tagen ihre neue Forschungskooperation an. Für den US-Internetriesen ist es die größte Wissenschaftszusammenarbeit außerhalb seines Heimatlandes. Max-Planck-Forscher hoffen durch die Zusammenarbeit auf neue Erkenntnisse in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen. Im ersten Jahr überweist der Konzern 700.000 Euro an die Max-Planck-Gesellschaft.

Nutzerdaten als begehrter Rohstoff für die Forschung

450 Millionen Aufrufe verzeichnete im April allein die deutsche Amazon-Website. Bei jedem einzelnen erfasst der Internetriese ganze Datenpakete. Dazu kommen seine vielen unterschiedlichen Dienste - von Videostreaming bis zu Cloud Services.

"Informationen über unsere Kunden sind ein wichtiger Teil unseres Geschäfts. Wir nutzen Daten, um das Einkaufen und unsere Produkte bei Amazon für den Kunden besser und bequemer zu machen", sagt der Konzern in einer Stellungnahme. Die Daten sind aber auch ein begehrter Rohstoff für die Forschung an Künstlicher Intelligenz.

Amazon bietet Datenmengen, die die Forschung sonst nicht hat

Martin Stratmann, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, freut sich auf Amazons Datenschätze: "Man muss die Datenmengen haben als Testdatensätze, um überhaupt Methoden der Künstlichen Intelligenz zu testen. Und wir wissen alle, dass diese amerikanischen Firmen - Amazon gehört da ganz vorne dazu - über Datenmengen verfügen, mit denen man auch wirklich dann solche Rechenmodelle testen kann." Durch die Masse der Daten, die Amazon sammelt, können seine Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Algorithmen für Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen besser trainieren.

Der Rahmenvertrag zwischen dem Konzern und der Forschungsgemeinschaft mit ihren deutschlandweit verteilten Instituten soll in den kommenden fünf Jahren gemeinsame Wissenschaftsprojekte erleichtern. Stratmann, selbst Chemiker, schildert die Vorteile mit einem Vergleich aus seiner Forschungsarbeit: "Man hat eine chemische Verbindung selber gar nicht synthetisieren können. Die chemische Industrie hat Kenntnisse gehabt, die man selber gar nicht hatte. Man hatte selber Kenntnisse, die die chemische Industrie nicht hatte. Und deswegen kooperiert man. Und so ist das hier auch."

Doktorarbeiten bei Amazon - wie das Projekt funktioniert

Zu Beginn sind vier Max-Planck-Institute dabei, unter anderem das für Intelligente Systeme in Tübingen. Im sog. "Cyber-Valley" am Neckar hat Amazon schon vor einigen Jahren ein eigenes Forschungszentrum aufgebaut. Dieses Labor ist Teil der Kooperation. Sein Leiter Yasser Jadidi erläutert die Zusammenarbeit: "Wir übernehmen die Kosten für Doktoranden, die bei Max Planck promovieren. Zu Themen, die Max Planck vorgeschlagen hat, die wir auch interessant finden. Und diese Doktoranden haben dann die Möglichkeit, im Rahmen dieses Fellowships auch über Praktika bei uns Einblicke zu bekommen in die anwendungsbezogene Forschung und Zugang zu bekommen zu der Infrastruktur, die Amazon bietet."

An den Hochleistungscomputern des Konzerns sollen die Doktoranden untersuchen, welche Zusammenhänge es in der Künstlichen Intelligenz zwischen Ausgangsdaten und den von Algorithmen errechneten Ergebnisse gibt. 700.000 Euro zahlt der Konzern in den ersten zwölf Monaten an die Max-Planck-Gesellschaft, Jahr für Jahr wird neu verhandelt. Für Amazon ist es die größte Forschungszusammenarbeit außerhalb der USA.

Öffentliche Forschungseinrichtungen und große amerikanische Tech-Firmen kooperieren in Deutschland bereits, etwa Facebook und die TU München oder Google und die Humboldt-Uni Berlin.

Konflikt zum öffentlichen Interesse?

Immer wieder gibt es aber auch Kritik an solchen Projekten: "Das öffentliche Interesse kommt nach meiner Einschätzung hierbei zu kurz", sagt Peter Büttner, der für die Antikorruptionsorganisation Transparency International die Verbindungen zwischen öffentlich finanzierten Forschungseinrichtungen und Industrie beobachtet.

Er kritisiert, dass die Kooperationsverträge meist nicht veröffentlicht werden. Deshalb bleibe unklar, welche Vorteile die Privatunternehmen aus ihrer Forschungsfinanzierung ziehen – etwa ob sie aus den Ergebnissen neue Produkte entwickeln. Mögliche Interessenskonflikte blieben verborgen, macht Büttner deutlich: "Denn derjenige, den ich bezahle, dem will ich auch sagen, was ich von ihm erwarte."

Vertrag bleibt unter Verschluss: Wem gehören die Ergebnisse?

Der Vertrag mit Amazon bleibt nach Angaben der Max-Planck-Gesellschaft ebenso unter Verschluss, um Konkurrenten des Konzerns keine Hinweise auf künftige Produktentwicklungen zu geben. Privates Geld an öffentlichen Forschungseinrichtungen kann außerdem zu Konflikten darüber führen, was mit den Ergebnissen geschieht.

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Wegen des nicht-öffentlichen Vertrages mit Amazon kann Transparency-Mann Büttner nur mutmaßen: "Die Festlegung, wem die Ergebnisse gehören, ist ja in den mir vorliegenden Pressemitteilungen nicht so deutlich geworden. Sicherlich wird man sich da intern darüber einigen. Aber die Gefahr ist ja, dass der Geldgeber sehr stark diese Veröffentlichungen beeinflusst. Und das finden wir nicht richtig."

Bleibt die Freiheit der Wissenschaft gewahrt - auch die der freien Publikation?

Laut Max-Planck-Gesellschaft sollen Forschungsergebnisse veröffentlicht werden – wie in der Wissenschaft üblich. Präsident Stratmann verweist auf die Regularien seiner Organisation: "Die Max-Planck-Prinzipien sind: Freiheit der Wissenschaft, das ist das eine. Und ist natürlich auch Publikation. Gerade die im Bereich 'Künstliche Intelligenz' arbeitenden Institute sind wirklich gut ausgestattet, auch über staatliche Mittel. Da ist Publikation von Forschungsergebnissen ein Muss. Das ist nach den Unterlagen, die ich vorliegen habe, auch genauso vorgesehen."

Amazon profitiert von hochqualifizierten Fachkräften

Die Kooperation zwischen öffentlich geförderten Wissenschaftlern und dem Internetriesen aus Seattle kann die Grundlagenforschung an Künstlicher Intelligenz in den kommenden Jahren voranbringen.

Profitieren wird aber auf jeden Fall auch Amazon: Der Konzern kennt die Ergebnisse früher als die Konkurrenz. Und er hat Zugang zu hochqualifizierten Fachkräften, die in diesem Bereich weltweit gesucht werden.

Disclaimer: In einer früheren Fassung des Artikel war fälschlicherweise davon die Rede, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft Gelder von Amazon erhalten habe. Tatsächlich war es aber die Max-Planck-Gesellschaft. Diesen Fehler haben wir am 14.06.2022 korrigiert.

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