20.12.2022, Chile, Punta Arenas: Auf diesem von Porsche zur Verfügung gestellten Bild ist die Pilot-Anlage Haru Oni zu sehen. Siemens Energy und der Autohersteller Porsche haben am Dienstag nahe der Stadt Punta Arenas eine Fabrik für CO2-neutralen Kraftstoff (E-Fuel) eröffnet. (zu dpa «Mit starkem Wind zu grünem Benzin: E-Fuel-Anlage in Chile eröffnet») Foto: ---/Porsche/dpa
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Das Unternehmen Porsche hat Ende 2022 in Chile eine Pilotanlage zur Herstellung von E-Fuels eröffnet. Wichtigste Komponente: ein Windrad.

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E-Fuels für Autos: Ist der klimaneutrale Kraftstoff sinnvoll?

Seit Wochen streiten Berlin und Brüssel, ob mit E-Fuels betriebene Verbrenner-Autos auch nach 2035 neu zugelassen werden dürfen. Sind synthetische Kraftstoffe eine klimaneutrale Alternative zu Benzin und Diesel? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

In Deutschland und Europa herrscht Streit um synthetische Kraftstoffe, die sogenannten E-Fuels. Die EU will eigentlich das Verbrenner-Aus, doch es kommt Gegenwind: Deutschland – vor allem Verkehrsminister Wissing von der FDP – will eine Ausnahmeregelung für Verbrenner-Fahrzeuge, die mit E-Fuels betrieben werden. Und die hat Wissing auch bekommen.

  • Zum Artikel: E-Fuels statt E-Autos: Alternative, Ergänzung oder Irrweg?

Es klingt ja auch verlockend: Wir könnten unsere derzeitigen Autos mit Verbrennungsmotoren einfach weiterfahren – nur statt mit den fossilen Energieträgern Benzin oder Diesel mit einem klimaneutralen E-Fuel. Doch sind die E-Fuels wirklich eine klimafreundliche Alternative?

Was genau sind E-Fuels?

E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe. Genau wie Benzin, Diesel oder Kerosin handelt es sich dabei um Kohlenwasserstoffe, also verschiedene chemische Verbindungen, die nur aus Kohlenstoff und Wasserstoff bestehen. Der Unterschied liegt in der Herkunft: Kraftstoffe wie Benzin oder Diesel werden aus fossilen Energieträgern gewonnen. Synthetische Kraftstoffe hingegen werden mithilfe von elektrischem Strom hergestellt. Ausgangsstoffe dafür sind Wasser und Kohlenstoffdioxid. Die so erzeugten Kohlenwasserstoffe lassen sich in einem weiteren Schritt zu Kraftstoffen wie Diesel, Benzin oder Kerosin weiterverarbeiten. Dieser Prozess wird auch "Power-to-fuel" genannt: Aus elektrischem Strom wird ein Kraftstoff erzeugt.

Wie werden E-Fuels hergestellt?

Hier kommt das "E" aus den E-Fuels ins Spiel, denn die Bezeichnung steht für das englische "electrofuel": Zunächst einmal braucht man Wasserstoff. Da der auf der Erde nicht frei verfügbar vorhanden ist, wird er aus Wasser gewonnen. Mit elektrischem Strom lässt sich Wasser durch einen Prozess namens Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten.

Anschließend benötigt man noch Kohlenstoffdioxid: Das liefern beispielsweise sogenannte Carbon Capture Utilization and Storage-Technologien, bei denen das CO2 aus Verbrennungsabgasen zum Einsatz kommt. Alternativ kann man das CO2 auch der Atmosphäre entnehmen: Direct Air Capture-Anlagen (DACCS) können Kohlenstoffdioxid direkt aus der Luft filtern.

Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid werden zunächst zu einem Synthesegas verarbeitet, das aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid besteht. In einem nächsten Schritt lassen sich daraus Kohlenwasserstoffverbindungen herstellen. Die müssen dann wiederum zu E-Benzin, E-Diesel oder E-Kerosin weiterverarbeitet werden.

Kann jedes Auto mit E-Fuel fahren?

Prinzipiell wäre das möglich, solange das Auto mit einem Verbrennungsmotor funktioniert. Unterm Strich sind die E-Fuels fast "baugleich" zu fossilen Kraftstoffen.

Sind E-Fuels klimaneutral?

Ein Argument für E-Fuels lautet, dass sie im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen wie Benzin klimaneutral seien: Schließlich würden sie unter Verwendung von Kohlenstoffdioxid hergestellt, dass sich sowieso schon in der Atmosphäre befindet. Dorthin würde es auch wieder gelangen, wenn es aus einem Auspuff kommt. Damit wäre der Kreislauf sozusagen geschlossen, ohne extra fossile Brennstoffe aus der Erde zu holen. Es würde kein zusätzliches CO2 in die Atmosphäre gelangen.

Diese Rechnung der Klimaneutralität geht aber nur auf, solange ein derartiger synthetischer Kraftstoff ausschließlich mithilfe von erneuerbaren Energien gewonnen wird. Zur Herstellung des Wasserstoffs ist also zwingend Strom aus erneuerbaren Energie notwendig, beispielsweise von einer Windkraft- oder eine Photovoltaik-Anlage. Würde man hingegen Strom verwenden, der mit Brennstoffen wie Kohle oder Erdöl produziert wird, wäre die Klimabilanz bei der Herstellung eines E-Fuels katastrophal. Dann würde noch mehr Kohlenstoffdioxid freigesetzt werden als bei er herkömmlichen Produktion von Kraftstoffen.

Sind E-Fuels "sauberer" als Benzin, Diesel oder Kerosin?

E-Fuels enthalten im Gegensatz zu fossilbasierten Kraftstoffen keinen Schwefel und keine Aromate wie Benzol. Auch die Rußbelastung soll geringer sein.

Audio: Sind E-Fuels sinnvoll für die Verkehrswende?

Ein Zapfhahn an einer Tankstelle. Verkehrsminister Wissing hat das endgültige Aus für den Verbrennermotor in Europa gestoppt: Bei Betankung mit E-Fuels, klimaneutralen Kunst-Kraftstoffen, sollen sie weiterhin erlaubt bleiben
Bildrechte: picture alliance / pressefoto_korb | Micha Korb
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Zapfhahn beim Tanken

Wann kommen E-Fuels auf den Markt? Wie viel kostet ein Liter E-Fuel?

Derzeit sind E-Fuels noch nicht kommerziell verfügbar. Wie viel sie kosten werden, wenn sie einmal auf dem Markt sind, ist derzeit noch nicht absehbar. Forschende vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung schätzen, dass sich aus den Investitionen einer Pilotanlage in Chile Kosten von rund fünfzig Euro pro Liter ergeben würden. Sie gehen aber davon aus, dass die Produktionskosten bei einer Produktion von E-Fuels in industriellem Maßstab rund zwei Euro pro Liter betragen könnten. Wohlgemerkt, das sind die Produktionskosten: Wie die Preise danach bei Großhändlern und nach Steuern aussehen würden, ist derzeit nicht absehbar.

Welche Nachteile haben E-Fuels gegenüber E-Autos?

Betrachtet man rein die Energieeffizienz, haben E-Fuels keinerlei Vorteile gegenüber batteriebetriebene Autos. In einem im Fachmagazin "Nature Climate Change" veröffentlichten Artikel aus dem Jahr 2021 stellen Forschende eine Schätzung an: Wenn man mit hundert Prozent erneuerbarer Energie startet, landen in einem mit E-Fuel betriebenen Auto davon letztendlich nur zehn Prozent. Das liegt an den zahlreichen Umwandlungsschritten, die nötig sind, um elektrischen Strom zu einem flüssigen Energieträger zu machen. Bei einem batteriebetriebenen Fahrzeug hingegen würden rund fünfzig Prozent der ursprünglichen Energie ankommen. Das heißt: Ein Auto mit E-Fuel braucht rund fünf mal so viel Strom wie ein E-Auto für dieselbe Fahrleistung.

Welche Vorteile haben E-Fuels?

Die Vorteile von E-Fuels kommen vor allem da ins Spiel, wo nicht elektrifiziert werden kann: in der Luftfahrt, in der Schifffahrt sowie in der chemischen Produktion.

Das ist eine Frage der Energiedichte: Ein Schiff lässt sich nicht mit Batterien betreiben, denn die dafür nötige Batterien wären zu schwer. Ein Flugzeug kann nicht mit einem Wasserstofftank fliegen: Da Wasserstoff als Energieträger als Gas vorliegt, wäre der dafür nötige Tank viel zu groß. Deshalb sind E-Fuels unverzichtbar, um diese Sektoren überhaupt klimaneutral machen zu können.

Welche Zukunft haben E-Fuels?

Laut einer Analyse des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung würden die weltweit produzierten E-Fuels noch nicht einmal für den deutschen Bedarf reichen: Für die nächsten Jahre bis 2035 seien weltweit etwa sechzig Produktionsanlagen geplant, die E-Fuels im industriellen Maßstab produzieren sollen. Selbst wenn all diese Projekte realisiert werden, würden sie gerade einmal zehn Prozent des unverzichtbaren Bedarfs an E-Fuels nur für Deutschland decken. Und gesetzt dem Fall, dass die Produktionskapazitäten schneller wachsen als erwartet, schreiben die Forschenden: "Historisch war Solar-PV (Photovoltaik, die Red.) mit globalem Wachstum von 40-65 % pro Jahr die erfolgreichste Energietechnologie. Unter der Annahme, dass E-Fuels über die aktuellen Ankündigungen hinaus genauso schnell wachsen wie Solar-PV entspräche das gesamte globale Angebot in 2035 höchstens etwa 50 % der unverzichtbaren Bedarfe für Deutschland."

Unverzichtbare Bedarfe sind Einschätzung von Experten der Luftverkehr, die Schifffahrt und der Einsatz von E-Fuels als Rohstoff für die Chemie. PKWs gehören nicht dazu.

In den Streit zwischen Berlin und Brüssel um die Zukunft von Verbrennungsmotoren bei Neuwagen kommt Bewegung.
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