Frau in Linde-Wasserstoffanlage
Bildrechte: picture alliance / Keystone | Jochen Zick

Linde-Anlage in Leuna: Angehende Chemikerin bei der Bedienung der Wasserstoffanlage I am Steamreformer II. (Archivbild: 2007)

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Synthetisches Methan: Grüne Alternative zu Erdgas – oder nicht?

Jeder zweite deutsche Haushalt heizt mit fossilem Gas und das Land diskutiert über Alternativen. Neben Fernwärme und Wärmepumpe gibt es die sogenannten grünen Gase wie synthetisches Methan. Einiges spricht für deren Einsatz, einiges dagegen.

Es klingt zu schön, um wahr zu sein. Die Technik, um klimaneutrales Gas für alle Zwecke herzustellen, gibt es seit Jahren. Synthetisches Methan, hergestellt aus grünem Wasserstoff und CO2, hat die gleiche chemische Struktur wie Erdgas. Es könnte, anders als Wasserstoff, problemlos in die bestehenden Gasnetze eingespeist werden. Und jede Gasheizung ließe sich damit ohne technische Umstellung betreiben.

Doch ist die Herstellung wirtschaftlich und effizient? Und lohnt sich für die Energieversorger der Erhalt der Gasnetze?

Der Weg zum "grünen" Methan

Von "grünem" künstlichen Methan spricht man, wenn Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien erzeugt wurde, mit CO2 versetzt wird und dann Methan entsteht – mit den gleichen chemischen Eigenschaften wie Erdgas, nur eben nicht fossil gewonnen. Bei der Verbrennung entsteht wieder Wasser und CO2 – also, das, was vorher in den Prozess hineingegeben wurde. Von Biomethan spricht man auch bei verschiedenen Verfahren der Vergärung, wenn zum Beispiel aus organischen Abfällen oder Gülle "erneuerbares" Methan gewonnen wird.

Die Frage nach der Energieeffizienz

Was sich einfach anhört, sind in der Praxis komplexe und energieaufwendige Prozesse. Das künstlich entstandene Methan hat zwar mit 85 bis 95 Prozent einen relativ hohen Wirkungsgrad. Doch dieses Methan muss noch verdichtet werden: Vom Umgebungsdruck auf die in den Gasleitungen bestehenden 200 Bar. Das frisst wieder Energie, der Wirkungsgrad sinkt auf 65 bis 45 Grad. Das heißt, für jede investierte Kilowattstunde kommt etwa nur die Hälfte an Energie wieder raus.

Trotzdem sieht der Energieexperte Professor Michael Sterner von der Ostbayerischen Technischen Universität Regensburg ein großes Potential im grünen Methan. Eben, weil für Methan die gesamte Infrastruktur ja bereits da ist, und sie - nicht wie beim Wasserstoff mit milliardenschweren Investitionen erst aufgebaut werden muss: "Wenn man es will, dann ist das auch heute machbar und umsetzbar und wirtschaftlich. Ich halte es für falsch, die komplette Gas-Infrastruktur ad acta zu legen, und für Milliarden eine neue aufzubauen."

Bundesregierung ist zurückhaltend

Das von den Grünen geführte Bundeswirtschaftsministerium ist eher zurückhaltend, was den Ausbau von klimaneutralem Methan betrifft. Dies sei zwar eine "vielversprechende" Technologie, heißt es auf der Seite des Ministeriums, aber "wirtschaftlich nicht tragbar". Das grüne Gas werde in der Industrie und für die Wärmeerzeugung keine Rolle spielen. Und auch in der gerade vorgestellten "Nationalen Wasserstoffstrategie" wird das grüne Methan nur am Rande erwähnt. Wasserstoff, vor allem wenn er aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, ist noch derart knapp, dass man ihn für die Methanisierung quasi nicht verschwenden will.

Auch kommunale Versorger sind skeptisch

Der Verband der Kommunalen Unternehmen (VKU) als Interessensvertretung der kommunalen Versorgungswirtschaft (also der Stadtwerke) sieht anders als der Energieexperte Michael Sterner kein Potential im grünen Gas. Gunnar Braun vom VKU Bayern erklärt, synthetisches Methan zu erzeugen, sei ein zu hoher Aufwand. Seine klare Aussage: "Wir haben im Augenblick wenig Planungen, in synthetisches Methan zu gehen."

Und das wirkt sich auch langfristig auf die Gasnetze aus. Einige Versorger haben bereits angekündigt, ihre Netze zurückzubauen. Die Stadtwerke Augsburg etwa kündigten ihren Kunden an, die Gasnetze stillzulegen – je nach Ausbaustand der Fernwärmenetze. Beides vorzuhalten, rechne sich einfach nicht. Das wäre eigentlich nicht nur nach der Argumentation von Michael Sterner wieder ein Pluspunkt für das grüne Methan, mit dem man ja die bestehenden Netze nutzen kann.

Aber mit den privaten Verbrauchern als alleinigen Abnehmern lohnt sich das womöglich nicht. Die kommunalen Versorger wollen, wie Gunnar Braun sagt, Netze nur dort erhalten, "wo eine echte Auslastung stattfindet. Das heißt im Zusammenspiel mit Gewerbe und Industrie".

Grünes Methan: So schnell kein Einsatz bei der Wärmewende

Hausbesitzer mit Gasheizung, die vielleicht auf grünes Methan gesetzt hatten, sollten also nicht damit rechnen. Hinzukommt: Auch die sogenannten H2-Ready-Heizungen vertragen nur relativ geringe Beimischungen von grünem Wasserstoff. So bleibt es für Hausbesitzer ab 2028, wenn das Gebäudeenergiegesetz endgültig gelten soll, bei den beiden Hauptalternativen zum Heizen: der Fernwärme - sofern sie denn angeboten wird - und der Wärmepumpe.

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