In den 1980er-Jahren bemerkten Wissenschaftler, dass sich über der Antarktis jedes Jahr ein riesiges Ozonloch auftut. Die Dicke der Ozonschicht wird in der Dobson-Einheit DU gemessen. 100 DUs entsprechen dabei einer einen Millimeter dicken Schicht aus reinem Ozon. In Wirklichkeit verteilen sich die Ozonmoleküle jedoch in der Luftsäule, auch wenn sie in bestimmten Höhen konzentriert vorkommen. In der Regel hat die Ozonschicht über dem Südpol eine Dicke von 350 Dobson. Sinkt der Wert unter 200 Dobson, spricht man von einem Ozonloch. Über der Antarktis sind die Werte im antarktischen Winter teilweise erheblich niedriger.
Bildrechte: ESA/Copernicus Sentinel

Das Ozonloch im Jahr 2020

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Ozonschicht: Rätselhafter FCKW-Anstieg in der Atmosphäre

FCKW steckten früher in Spraydosen und Kühlschränken. Weil sie die Ozonschicht zerstören, wurde ihre Produktion verboten. Das Ozonloch wurde daraufhin kleiner. Nun haben Wissenschaftler bei einigen FCKW steigende Werte in der Atmosphäre gemessen.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Das Montreal-Protokoll ist eine echte Erfolgsgeschichte. Dieses weltweite Abkommen regelt die Abschaffung der ozon-zerstörenden Substanzen, vor allem der FCKW (Fluorchlorkohlenwasserstoffe). Am 1. Januar 1989 trat es in Kraft und sämtliche UN-Mitgliedsländer haben es ratifiziert.

Seitdem gab es noch einige Zusatzvereinbarungen mit noch weitergehenden Regelungen. Diese haben zwar nicht alle Länder umgesetzt, aber die Ozonschicht ist auf dem Weg der Besserung - wenn auch nur langsam.

Forscher haben aber nun entdeckt, dass die Konzentration von fünf FCKW in der Atmosphäre seit 2010 steigt. Also genau seitdem FCKW eigentlich nirgendwo mehr hergestellt werden dürfen.

Forscher suchen nach Ursache

Die Entwicklung gibt Forschern mit Blick auf ihre Messprotokolle Rätsel auf. Man wusste nur: Die FCKW wurden auch früher nie als Kühlmittel verwendet und können also nicht aus unsachgemäß entsorgten Kühlschränken oder Klimaanlagen stammen.

Klar war auch: Sie könnten nicht aus den USA oder Europa stammen, denn dort gebe es ein dichtes Messnetz, sagt der Chemiker Isaac Vimont von der US-Behörde für Ozeane und Atmosphäre NOAA: "Je mehr Messstellen man hat, desto leichter findet man den Ursprung irgendwo auf der Welt. Das ist, als würde man auf einer Wiese die Schlüssel verlieren und könnte nur an zehn, fünfzehn Stellen danach suchen. Wenn sie da in der Nähe liegen, sieht man sie. Wenn nicht, und man kann nirgendwo anders suchen, sind sie schwer zu finden."

Undichte Klimaanlage als erste Spur

Woanders - das heißt in diesem Fall: in Asien. Dort gibt es nur eine Messstation, in Südkorea, und die hat bislang auch nur wenige Daten geliefert. Woher auf der Welt die FCKW kommen, war also nicht zu beantworten. Also machte sich das internationale Forscherteam auf die Suche nach chemischen Prozessen, bei denen sie entstehen können. Denn natürliche Quellen gibt es nicht.

Einen Hinweis liefere eine undichte Klimaanlage in einem Messlabor, erzählt der Atmosphärenchemiker Luke Western von der Universität Bristol. Sie enthielt als Kältemittel einen chlor-freien FCKW-Ersatzstoff namens R-125: "Wir hatten eine Verunreinigung mit R-115 in unseren Messungen. Das gelangt natürlich auch in die Atmosphäre. Dieses FCKW entsteht als unerwünschtes Nebenprodukt bei der Herstellung von R-125."

R-115 ist eines der fünf rätselhaften FCKW. Zwei weitere haben dieselbe Quelle: Sie entstehen als Nebenprodukte oder Verunreinigungen bei der Herstellung von FCKW-Ersatzstoffen. Denen der ersten Generation, die die Ozonschicht nicht schädigen, aber starke Treibhausgase sind. Und denen der zweiten Generation, die weder ozon- noch klimaschädlich sind.

Das war aber nicht immer so. Bei der Herstellung dieser Ersatzstoffe habe sich etwas verändert, sagt der Umweltchemiker Stefan Reimann von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt in Dübendorf bei Zürich, ein weiterer Co-Autor der Studie: "Bis 2010 haben die Emissionen dieser Gase eigentlich weltweit abgenommen. Aber seither nehmen diese Gase in der Atmosphäre konstant wieder zu. Also es scheint so, wie wenn da in der Industrie diese Prozesse nicht optimal laufen."

Diese Nebenprodukte könne man eigentlich verbrennen, so Reimann weiter. "Wenn man das so macht, wie man das eigentlich normalerweise machen würde, dann hätten wir weniger von diesen Emissionen. Die Emission kann nicht ganz verhindert werden, aber es wären sicher weniger."

FCKW-Emission nicht verboten

Bei drei der fünf rätselhaften FCKW ist also eigentlich bekannt, wie man die Emissionen verhindern könnte: durch mehr Sorgfalt. Für die beiden anderen, deren Emissionen ebenfalls gestiegen sind, gibt es bislang nur Vermutungen. Für alle fünf gilt: Die Emissionen sind nicht illegal. Das Montreal-Protokoll verbietet weltweit seit 2010 nur Produkte, mit denen FCKW in die Atmosphäre geraten können, erläutert Reimann: "Klimaanlagen, Schaumstoffe, Feuerlöscher und so weiter. Wenn ein FCKW in einer Industrieanlage nur gebraucht wird, um etwas anderes herzustellen, dann ist das erlaubt."

Auch Wärmepumpen betroffen

Von den FCKW, mit denen Ersatzstoffe der ersten Generation hergestellt werden, den HFKW, sollten allerdings auch bald weniger gebraucht werden, sagt Reimann: "Diese HFKWs sind alle sehr starke Treibhausgase, die jetzt hergestellt werden, mit diesen Prozessen, die werden mittelfristig verboten" - nämlich durch eine Zusatzvereinbarung zum Montreal-Protokoll und durch eine EU-Verordnung.

Das betrifft auch Wärmepumpen, die wie umgekehrte Kühlschränke funktionieren. Bis 2025 dürfen sie noch klimaschädliche HFKWs enthalten. "In der Zukunft, denke ich, wird die Entwicklung dorthin gehen, dass die Wärmepumpen mit ganz normalen Kohlenwasserstoffen wie Propan zum Beispiel betrieben werden und wir wegkommen von diesen florierten Gasen", prognostiziert Umweltchemiker Reimann. Für die Herstellung von Propan, das als Kältemittel in unseren Kühl- und Gefrierschränken seit Jahrzehnten üblich ist, braucht man keine FCKW.

Was bedeutet es für die Ozonschicht und den Treibhauseffekt, dass die Konzentration der fünf rätselhaften FCKW zunimmt? Das Ozonloch wird sich nur ein kleines bisschen langsamer schließen. Aber diese FCKW sind starke Treibhausgase: Die rätselhaften Emissionen haben etwa den selben Klima-Effekt wie sämtliche Treibhausgas-Emissionen der Schweiz.

Derzeit gibt es keine Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Denn solange die Stoffe nur als Nebenprodukte bei der Herstellung anderer Chemikalien auftreten, sind die Emissionen nicht illegal, sondern nur ein Zeichen mangelnder Sorgfalt: "Mit dieser Publikation weisen wir jetzt auf einen wunden Punkt hin im Montreal-Protokoll, und ich hoffe schon, dass die Politik das jetzt aufnimmt, dass hier wirklich etwas nicht mehr so läuft, wie es laufen sollte."

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