Robert Oppenheimer im Jahr 1945
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Robert Oppenheimer im Jahr 1945

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Oppenheimer und die Atombombe: Die wahre Geschichte

Er war der Vater der Atombombe – der Physiker Robert Oppenheimer. Seinen Werdegang hat Star-Regisseur Christopher Nolan jetzt bearbeitet – in einem dreistündigen Film, der sich sehr nah an den historischen Entwicklungen bewegt.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

16. Juli 1945, 5:29 Uhr. In weniger als einer Minute wird die erste Atomwaffe der Menschheitsgeschichte in der Wüste des US-Bundesstaats New Mexiko explodieren. Kaum eine andere Erfindung hat die Menschheitsgeschichte so sehr in ein Davor und ein Danach geteilt.

"Wir wussten: Die Welt wird nicht mehr dieselbe sein. Wenige Menschen lachten. Wenige weinten. Die meisten waren still." Robert Oppenheimer

Mit diesen Worten erinnerte sich später Robert Oppenheimer an den Morgen, als nach drei Jahren fieberhafter Arbeit die Testzündung der bis dahin gewaltigsten Massenvernichtungswaffe aller Zeiten stattfand. Oppenheimer, einer der wichtigsten Physiker des 20. Jahrhunderts, wurde zum Vater der Atombombe.

Stoff für Hollywood

Der Exzentriker, geniale Physiker und Universalgelehrte, der in einem gigantischen wissenschaftlich-technischen Großprojekt die bis dahin tödlichste Bombe der Geschichte entwickelte – diesen Stoff wollte Christopher Nolan unbedingt für ein großes Publikum auf großer Leinwand verfilmen.

"Oppenheimers Geschichte ist so gewaltig und dramatisch, wie eine Geschichte nur sein kann", sagt der Star-Regisseur. Und: Die Folgen prägen uns und die Welt, in der wir bis heute leben. Besonders brisant und im Film zugespitzt: Die Physiker damals sahen ein kleines Restrisiko, dass die Atmosphäre der Erde durch die Testzündung in Brand geraten könnte. Sie haben den Knopf trotzdem gedrückt.

Kernspaltung setzt gewaltige Energiemengen frei

Im Jahr 1942 hatte Nazi-Deutschland halb Europa besetzt. Und es mehrten sich besorgniserregende Berichte. In Deutschland wurde an einer bis dahin unvorstellbaren Waffe geforscht und gearbeitet – nur wenige Jahre, nachdem dort die Kernspaltung entdeckt worden war: Im Dezember 1938 gelang Otto Hahn und Fritz Straßmann die Spaltung des Uran-Kerns. Die österreichische Physikerin Lise Meitner und ihr Neffe Otto Frisch lieferten im Januar darauf die kernphysikalische Erklärung.

Viele Physiker der Zeit wussten um diese Entdeckung – gerade in den USA. Etliche von ihnen hatten in Deutschland studiert, auch Robert Oppenheimer. Und zahlreiche Forscher flohen vor den Nationalsozialisten, insbesondere nach Amerika. Auch die Geheimdienste dort gingen davon aus: In Deutschland war das wissenschaftliche und auch das technische Potenzial vorhanden, dem man zutraute, eine Atombombe zu bauen, erklärt der Wissenschaftshistoriker und Experte für die Physikgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Dieter Hoffmann.

Das deutsche "Uranprojekt"

Insbesondere Werner Heisenberg, Begründer der Quantenmechanik und Nobelpreisträger, aber auch viele weitere führende deutsche Wissenschaftler arbeiteten ab 1939, inmitten des Zweiten Weltkriegs, am sogenannten "Uranprojekt". Die Frage war: Wie lässt sich die Kernspaltung nutzen – als Energiequelle und als Sprengstoff für eine Bombe?

Anfang 1942 zogen die Beteiligten eine Zwischenbilanz. Es handle sich zwar um eine wichtige Schlüsseltechnologie, fasst Historiker Hoffmann zusammen: Aber diese in ein technisches Produkt wie eine Bombe umzusetzen, sei unheimlich schwierig, würde viel Geld kosten und lange dauern. Das militärisch geführte Projekt wurde daraufhin zu einem zivilen zurückgestuft und lief auf Sparflamme weiter, so Hoffmann.

Darüber, wie weit Deutschland auf dem Weg zur Atombombe war, gibt es immer wieder Forschungskontroversen. Für einen erfolgreich durchgeführten Atomwaffentest gibt es jedenfalls keinerlei Belege. Die Bemühungen, einen ersten Reaktor für die zivile Nutzung zu bauen, auch als Vorbedingung für die Erschaffung einer Bombe, seien bis zum Frühjahr 1945 kurz vor Vollendung gestanden, sagt Dieter Hoffmann.

Wettlauf gegen NS-Deutschland

Das war den Amerikanern bereits Ende 1942 gelungen. Sie hatten in einem bis dahin nie dagewesenen Großprojekt alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel und Kräfte gebündelt: im Manhattan-Projekt. Robert Oppenheimer war der wissenschaftliche Leiter.

Die Motivation für alle Beteiligten sei eine sehr moralische im positiven Sinne gewesen, sagt Hoffmann: die Weltanschauung, einen Diktator und ein totalitäres, fürchterliches Regime, das den Zweiten Weltkrieg vom Zaun gebrochen und die Shoa zu verantworten hatte, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen. Welche Folgen danach kamen, sei eine andere Geschichte gewesen.

Der Trinity-Test

1945 schließlich, im Juli, als Deutschland schon kapituliert hatte, die USA sich aber noch mit Japan im Krieg befanden, gelang der Durchbruch. Am 16. Juli fand in New Mexiko der sogenannte Trinity-Test statt. Es war die erste Explosion einer Atombombe. Der Physiker Robert Wilson erinnerte sich an den Test vor Sonnenaufgang in der Wüste von New Mexico so:

"Wir hatten unsere Augen mit geschwärzten Gläsern geschützt. Wir hörten den Countdown, schauten durchs Glas und sahen eine überwältigende Explosion. Das war wie eine Art Vision. Der Pilz, der in die Höhe stieg, war so gewaltig, dass die umgebenden Berge darunter förmlich wegsanken. Der Pilz stieg ganz langsam auf und warf ein mittägliches Licht auf die ganze Wüste. Das hatte schon eine unglaubliche Schönheit. Dieser Anblick hat mich völlig verändert."

Moralische Bedenken darüber, welch gewaltige Zerstörungskraft sie in die Welt gesetzt hatten, kamen vielen Beteiligten erst viel später, manchen nie. Anders ging es dem Vater der Atombombe selbst, Robert Oppenheimer. Er sagte einige Zeit danach: In dem Moment, als er die Explosion der ersten Atombombe sah, erinnerte er sich an die Zeilen der Bhagavad Gita, einer heiligen Schrift des Hinduismus: "Jetzt bin ich der Tod geworden. Der Zerstörer der Welten."

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