Cillian Murphy als Robert Oppenheimer
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"Oppenheimer": Nolans Filmportrait des Atombomben-Erfinders

Er galt als "Vater der Atombombe". Und er schämte sich dafür. Christopher Nolan hat Robert Oppenheimer jetzt ein beeindruckendes Biopic gewidmet: einen Film, der von der Kraft der Bombe erzählt. Und von der Rücksichtslosigkeit derer, die sie bauten.

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Er ist eine der prägendsten Figuren des 20. Jahrhunderts, vielleicht sogar darüber hinaus. Zumindest war Robert Oppenheimer der Mann, der der Menschheit die Macht gab, sich selbst zu vernichten – er und ein paar andere.

Vater der Atombombe

Oppenheimer gilt als "Vater der Atombombe". Der Physiker deutsch-jüdischer Abstammung leitete das Manhattan-Projekt in der Wüste von New Mexico. Er ließ das bis heute existierende Los Alamos National Laboratory bauen.

Dort setzt auch der Film ein, zeigt, wie er dort mit anderen Wissenschaftlern an der ersten Nuklearwaffe überhaupt arbeitet. Regisseur Christopher Nolan erzählt das in der Montage unterschiedlicher Zeitebenen, baut auch Oppenheimers Familien- und Frauengeschichten mit ein, und zeigt, wie der Wissenschaftler nach dem Krieg als Kommunist verdächtigt und in einem Untersuchungsausschuss befragt wurde. Das alles umfasst einen Zeitraum von rund 15 Jahren.

Nolan stellt die Rücksichtslosigkeit aus

Dramaturgischer Peak der Erzählung ist der sogenannte "Trinity-Test". Am 16. Juli 1945 erfolgte die erste jemals ausgelöste Kernwaffenexplosion. Die Druckwelle war 160 Kilometer weit zu spüren und die atombombentypische Pilzwolke erreichte eine Höhe von 12 Kilometern. Die Explosion hinterließ in der Wüste bei Los Alamos einen drei Meter tiefen und 330 Meter breiten Krater. Der Sand schmolz zu grünlichem Glas.

Es gab damals nicht unbegründete Befürchtungen unter den Wissenschaftlern, dass die Explosion die Erdatmosphäre zerstören könnte. Trotzdem drückte man auf den roten Knopf. Diese Rücksichtslosigkeit, die alle Bedenken nicht auf die Seite schieben kann, zeigt Christopher Nolan sehr eindrücklich. Der nukleare Urknall verfolgt Robert Oppenheimer nachts, wenn er wachliegt – eine erschütternde Kraft aus Feuerwalzen, Kettenreaktionen, Entladungen. Inszeniert ist das wie ein Alptraum, und der Ton im Kino lässt die Sitze beben.

Ein Blick auf das amerikanische 20. Jahrhundert

"Oppenheimer" ist nicht nur mit seiner Länge von 180 Minuten ein großes historisches Drama: Insgesamt sehr intensiv, sehr politisch, sehr nachdenklich stimmend – etwa wenn der dänische Physiker Niels Bohr sagt, die Atombombe sei keine neue Waffe, sondern schaffe eine neue, andere Welt. Es ist erschreckend, wie fanatisch die Amerikaner im Film den Atombombenabwurf auf Hiroshima im August 1945 bejubeln, bei dem vor allem Zivilisten unter den rund 50.000 sofortigen Opfern waren. Es ist interessant, wie Albert Einstein auf die ganze Geschichte blickt. Der Film ist komplex, man sollte sich ihn vielleicht sogar zweimal anschauen, auch weil er toll gemacht ist, gedreht auf 70 mm Material – und teilweise mit sehr geringen Tiefenschärfen. Das bedeutet: Der Hintergrund verschwimmt, die Figuren treten in den Nahaufnahmen wie aus dem Bild hervor und wirken so seltsam isoliert, einsam, fast verloren.

Alles in allem ist "Oppenheimer" ein beeindruckender Film. Er zeigt einen wesentlichen Teil des amerikanischen 20. Jahrhunderts – ein Jahrhundert, zu dem ganz genauso auch eine langbeinige, blonde Plastikpuppe gehört. So gesehen ergibt es tatsächlich Sinn, sich "Barbie" und "Oppenheimer" hintereinander anzusehen. So ist eben das Leben: Eskapismus und Krieg. Barbie und Bombe. Alles existiert nebeneinander. Und beide Filme erzählen viel über Amerika, ergänzen sich in den gesellschaftlichen Neurosen, Ideologien und Weltsichten der USA.

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