Schulkinder einer zweiten Klasse sitzen in ihrer Grundschulklasse.
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Mehr Mathe und Deutsch an Bayerns Grundschulen - kein Minus bei Religion

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Mehr Deutsch, weniger Englisch: Kritik an Bayerns Grundschulplan

Mehr Deutsch und Mathe, weniger Englisch – so sehen es die Pläne des bayerischen Kabinetts vor. Die Kernkompetenzen der Grundschüler im Lesen und Rechnen sollen gestärkt werden. An anderer Stelle wird dafür gekürzt – und daran gibt es laute Kritik.

Über dieses Thema berichtet: Das Campusmagazin am .

Abstriche beim Religionsunterricht zugunsten von Deutsch oder Mathe werde es mit ihm nicht geben – das hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bei der Klausurtagung des bayerischen Kabinetts Ende Januar klargestellt. Kultusministerin Anna Stolz (FW) hatte beim Sportunterricht eine "rote Linie" gezogen. So hat es das Kabinett jetzt auch beschlossen: Es wird in beiden Fächern im Grundschullehrplan für das Schuljahr 2024/25 keine Kürzungen geben, wie die Kultusministerin auf einer Pressekonferenz zu ihrer "PISA-Offensive" bekannt gab.

In den Jahrgangsstufen 1 bis 4 soll es jeweils eine Stunde mehr Deutschunterricht geben, in den Jahrgangsstufen 1 und 3 auch noch je eine Stunde mehr Mathe.

Damit das möglich ist, sollen die Schulen über die Stundentafel flexibler entscheiden dürfen. Im Fach Sport ist in Jahrgangsstufe 1 zukünftig sogar eine Stunde mehr pro Woche möglich. Der Bayerische Schulleitungsverband BSV beurteilt die Anpassungen insgesamt positiv. Der Vorsitzende Andreas Fischer: "Wir sehen es durchaus als unseren Erfolg, dass wir hier an der Stundentafel arbeiten können, das flexibel gestalten können in einer Eigenverantwortung der Schulleitungen vor Ort. Und jetzt kommt dazu: mit der Rückendeckung und den Rahmenkonzepten aus dem Kultusministerium."

Grundschulverband: "Zunehmend nicht qualifiziertes Personal"

Die Landesgruppenvorsitzende Bayern des Grundschulverbands, Gabriele Klenk, ist allerdings skeptisch, was die zusätzlichen Unterrichtsstunden bringen sollen, wenn es an Unterrichtsqualität fehlt: "Es ist schwarz-weiß gedacht, eine Stunde mehr von demselben. Was vielleicht vorher nicht gut genug gelaufen ist, bringt sicherlich keinen höheren Lernzuwachs für die Kinder."

Gabriele Klenk schätzt die Programme, die jetzt schon zur Unterstützung der Kompetenzen in Lesen, Schreiben und Zuhören in der Grundschule eingesetzt oder noch entwickelt werden, wie "FiLBY - Fachintegrierte Leseförderung Bayern" oder "Fachintegrierte Schreibförderung Bayern (FiSBY)". Sie fragt sich aber auch: "Besteht der Deutschunterricht immer mehr nicht aus 'Programmatik', sprich aus der Abarbeitung von unterschiedlichen Programmen? Und damit – das ist vielleicht eine Unterstellung - könnte man auch sehr gut kaschieren, dass wir in der Grundschule zunehmend nicht qualifiziertes Personal beschäftigen."

Sprachtests im Kindergarten: Wer durchfällt, wird nicht eingeschult

Beschlossen hat das Kabinett außerdem, die Sprachentwicklung im Kindergartenalter stärker zu berücksichtigen. Grundschulkinder sollen künftig nur mit ausreichenden Deutschkenntnissen eingeschult werden. Mit viereinhalb Jahren sollen alle Kinder verpflichtende Sprachtests machen, unabhängig davon, ob sie einen Kindergarten besuchen oder nicht. Wer durchfällt, soll gefördert werden. Ein halbes Jahr vor der Einschulung folgt noch einmal ein Test. Wer auch hier durchfällt, wird nicht eingeschult. Das war bisher nur mit dem Einverständnis der Eltern möglich.

Eine Erleichterung für die Grundschulen, betont Andreas Fischer: "Wir sehen bei den Schuleinschreibungen größte Defizite in diesem Bereich. Wir brauchen meistens bis Dezember in den Klassen und auch mehr Zeit, um die Kinder fit machen für die Schule. Und da ist eine Sprachstandserhebung sehr begrüßenswert."

Weniger Englischunterricht: Interkulturelle Inhalte fallen womöglich weg

Der Englischunterricht kann künftig um eine Stunde gekürzt, also einstündig unterrichtet werden. Das wird nicht bei allen Eltern gut ankommen. Professorin Raphaela Porsch, Erziehungswissenschaftlerin an der Universität Magdeburg, hat in zwei Studien im Jahr 2023 festgestellt: Eltern wünschen sich mehrheitlich einen frühen Englischunterricht in der Jahrgangsstufe 1 und 2, denn in diesem Alter seien "Kinder besonders motiviert und könnten vor allem auch spielerisch Englisch lernen". Und Schülerinnen und Schüler der Klasse 9 waren bei der Untersuchung von Lese- und Hörverstehen in Englisch beim Leistungsvergleich im Vorteil, wenn sie "Englisch sehr früh, also vor Klasse 3 angefangen haben zu lernen".

Gabriele Klenk vom Grundschulverband kritisiert die geplante Kürzung des Englischunterrichts gleich aus mehreren Gründen: "Im Englischunterricht waren das erste Mal alle Kinder, ob mit Migrationshintergrund oder ohne, in der gleichen Ausgangslage, vielleicht sogar die Kinder mit Migrationshintergrund in einer besseren, weil sie schon an einer zweiten Sprache dran sind und wissen, wie schwer das ist", sagt Klenk. "Aber unsere Kinder ohne Migrationshintergrund, die haben im Englischunterricht hautnah erfahren können, wie es ist, wenn man eine zusätzliche Sprache lernen muss."

Man habe bisher neben dem englischen Wortschatz auch interkulturelle Inhalte in den Unterricht einbauen können. "Genau diese interkulturellen Hintergründe werden vermutlich bei nur noch einer Stunde Unterricht pro Woche rausfallen. Es wird sich wahrscheinlich darauf beschränken: Wir lernen ein paar Wörter und sprechen ein paar Sätze, die einen sprechen vor, die anderen sprechen nach", so Klenk.

Lehrerverband: "Längerfristig geht es an die Lehrpläne"

Es werde zwar kein Fach ganz wegfallen, hat Kultusministerin Anna Stolz betont. Aber die musisch-kreativen Fächer (Musik, Kunst und "Werken und Gestalten") werden zu einem "Fächerverbund" zusammengefasst.

Simone Fleischmann, die Vorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), sagte in BR24 zu den Plänen für die Grundschule: "Es kann nicht sein, dass Kinder nicht mehr Werken haben, es kann nicht sein, dass die Kinder nicht mehr Englisch lernen, und wir vor Ort sollen jetzt streichen, was gerade so geht. Das ist erst mal eine gute Lösung, aber längerfristig geht es an die Lehrpläne, längerfristig müssen wir kämpfen um ganzheitliche Bildung in Bayern."

Wie die ganzen Maßnahmen, vor allem diejenigen zur Sprachförderung, umgesetzt werden und woher dafür genügend Lehrkräfte kommen sollen, diese Baustellen im Bildungssektor wolle Kultusministerin Stolz als Nächstes angehen.

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