Ein Großteil der Ammoniak-Emissionen stammt aus der Tierhaltung
Bildrechte: BR/Max Hofstetter

Mastschweine

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Tierhaltung: Schädliche Ammoniak-Emissionen senken - aber wie?

Ammoniak entsteht hauptsächlich in der Tierhaltung. Es kann bei Menschen Atemwegserkrankungen verstärken und Ökosysteme schädigen. Um die Emissionen zu senken, müssen sich Landwirte an Vorschriften halten. In der Praxis ist das aber nicht einfach.

Über dieses Thema berichtet: Notizbuch am .

Wenn Rinder oder Schweine nicht auf der Weide, sondern im Stall gehalten werden, vermischen sich oft Kot und Harn. Dabei entsteht Ammoniak, eine gasförmige Stickstoffverbindung mit der chemischen Formel NH3. Es breitet sich in der Luft aus und kann mit anderen Partikeln zu Feinstaub reagieren.

Schweinehalter Josef Brückl aus dem Landkreis Landshut erzählt, dass ihm die schlechte Luft in seinem Stall gesundheitlich zu schaffen machte. Wegen seines schweren Asthmas konnte er innen nur noch mit Atemschutzmaske arbeiten. "Es war teilweise die Frage, ob ich überhaupt noch in den Stall gehen kann", so Brückl.

Deutschland muss Ammoniak-Emissionen reduzieren

Vor fünf Jahren holte sich der Landwirt Hilfe bei einer Heilpraktikerin. "Die hat gesagt, wenn ich wirklich will, dass das Asthma nicht wiederkommt, muss ich die Emissionen im Stall reduzieren."

Laut Umweltbundesamt stammen 95 Prozent der Ammoniak-Emissionen in Deutschland aus der Landwirtschaft, vor allem von Gülle in der Tierhaltung. Neben der Feinstaub-Belastung kann sich der gasförmige Stickstoff auch auf Ökosysteme negativ auswirken. Er wird über die Atmosphäre transportiert und lagert sich ab. Das trägt dazu bei, dass sich Dünger im Boden anreichert – auch da, wo er gar nicht hinsoll.

Pflanzenarten, die wenig Stickstoff benötigen, können dann von anderen verdrängt werden. Dadurch geht die Artenvielfalt zurück. Deutschland verpflichtete sich innerhalb der Europäischen Union dazu, die Emissionen zu senken: bis 2030 um 29 Prozent im Vergleich zu 2005. Nach aktuellem Zwischenstand müsste Ammoniak noch um 16 Prozent zurückgehen. Aber wie kann das klappen?

Was Landwirte schon heute tun

In der Landwirtschaft etablierten sich bereits Methoden, mit denen die Emissionen gesenkt wurden – zum Beispiel durch die Düngeverordnung: Sogenannte "Breitverteiler", mit denen die Gülle auf dem Feld versprüht wird, werden in den nächsten Jahren komplett verboten. Damit beim Odeln möglichst wenig Ammoniak entweicht, muss Gülle bodennah ausgebracht werden – also direkt aufs Feld, ohne viel Kontakt mit der Luft.

Schweinewirt Brückl arbeitet mit einem "Schleppschlauchverteiler", der die Gülle ganz nah am Boden verteilt. Es sei zwar eine teure und schwere Technik, "aber wir kommen jetzt damit zurecht", sagt er. Der Vorteil für ihn als Landwirt ist: Seinen Ackerpflanzen bleiben mehr Nährstoffe erhalten.

Bildrechte: BR
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Technik zur Demonstration der Mobilen Gülleansäuerung an den Landwirtschaftlichen Lehranstalten Triesdorf (Projekt "Säure+ im Feld")

Weitere Verschärfungen durch die "TA Luft"

Aber um das europäische Emissionsziel zu erreichen, muss noch mehr getan werden. Seit Ende 2021 gelten verschärfte Vorschriften der "Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft", kurz: "TA Luft". Sie treffen unter anderem Schweine- und Geflügelhalter, je nachdem, wie viele Tiere sie haben: Größere Betriebe mit beispielsweise mehr als 1.500 Mastschweinen oder 15.000 Legehennen müssen Ställe so ausstatten, dass die Ammoniak-Emissionen noch mal um 40 Prozent gesenkt werden. Dafür gilt eine Frist bis Ende 2028. Ab 2.000 Mastschweinen oder 40.000 Hühnern muss es sogar eine Minderung um 70 Prozent sein – und zwar bis Ende 2026.

Bauernverband: Politik lässt Landwirte allein

Um das zu erreichen, nennt die Vorschrift verschiedene technische Möglichkeiten: zum Beispiel Abluftfilteranlagen, Gülle-Kühlsysteme oder Unterflurschieber, die den Kot und den Harn voneinander trennen und damit verhindern, dass Ammoniak entsteht. Aber der Bayerische Bauernverband (BBV) sagt, solche Nachrüstungen seien in der Praxis zu teuer und zu aufwendig. Deshalb würden sich Landwirte mit Emissions-Anpassungen zurückhalten.

"Wir kritisieren, dass mit diesen ambitionierten Reduktionszielen die Leute allein gelassen werden und politisch nicht beantwortet ist, wie das auf den Höfen und in den Ställen funktionieren soll", so Markus Drexler, Sprecher des BBV. Weil sich die politischen Vorgaben für die Tierhaltung so häufig änderten, würden immer mehr Landwirte überlegen, ob sie überhaupt weiterhin Tiere halten können.

Ist Gülle-Ansäuerung eine Alternative?

Gibt es denn auch einfachere Möglichkeiten, um die Ammoniak-Emissionen zu senken? Forschende an den Landwirtschaftlichen Lehranstalten Triesdorf testen, welche Effekte es hat, Gülle anzusäuern. Im Rahmen des Projekts "Säure+ im Feld" der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung hat Triesdorf dazu besondere Technik angeschafft: An einem Bulldog wird ein Container mit hochprozentiger Schwefelsäure angebracht. Während des Ausbringens werden kleine Mengen davon zur Gülle gemischt. Die Säure sorgt dafür, dass der pH-Wert sinkt und weniger Ammoniak ausgast.

Projekt-Koordinator Markus König zufolge zeigten die Versuche innerhalb eines Jahres, dass sich die Emissionen damit um 75 Prozent senken lassen – verglichen mit der normalen bodennahen Gülleausbringung. In Maßen eingesetzt, besteht laut den Forschenden auch kein Risiko für die Umwelt.

Weniger Ammoniak-Gas, mehr Nährstoffe in der Gülle

Der Vorteil für den Landwirt: Die Nährstoffe gehen nicht verloren, sondern landen dort, wo sie hingehören: im Boden. Dadurch lässt sich Mineraldünger sparen. Weil auf der anderen Seite aber auch die Schwefelsäure ihren Preis kostet, ist es fraglich, ob sich das rentiert. Außerdem sind besondere Sicherheitsvorkehrungen nötig. Während die Technik zum Beispiel in Dänemark bereits sehr verbreitet ist, wird sie in Bayern noch nicht angewendet.

Bildrechte: BR
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Biologischer Melasse-Zusatz wird vor der Ausbringung mit Wasser verdünnt

Was können biologischen Zusätze bewirken?

Auch Schweinewirt Brückl ist skeptisch gegenüber Schwefelsäure in seiner Gülle. Er arbeitet mit etwas anderem: einem biologischen Güllezusatz auf Basis von Melasse, also Zucker. Laut Hersteller ist das Mittel "informiert": Es soll Bakterien zum Wachstum anregen, die mit Sauerstoff die Bildung von Ammoniak stoppen – und zugleich die Gülle aufwerten.

Brückl bringt den Zusatz jede Woche mit einer Sprühflasche stark verdünnt im Stall aus. Seit er das macht, ist die Schwimmschicht verschwunden, die sich sonst immer an der Oberfläche im Güllekeller gebildet hatte. Der Landwirt beobachtet, dass immer wieder Luftblasen aufsteigen. "Man sieht wirklich, dass es da drinnen arbeitet." Außerdem habe sich die Stallluft verbessert: Sein Asthma ist nicht zurückgekommen.

Offiziell anerkannt ist diese Methode aber nicht. Versuche der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft ergaben bisher, dass man sehr große Mengen Zuckerlösung benötigt, damit sich Mikroorganismen vermehren und die Emissionen zurückgehen. Ob sich das auch mit stark verdünnten Gülle-Zusätzen nachweisbar ist, müsste weiter untersucht werden.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!