Einige Malaise-Fallen im thüringischen Hofberg stehen auf Wiesen, im Hintergrund sind Äcker zu sehen.
Bildrechte: NABU

In zeltartigen Netzen werden die Fluginsekten in Sammelbehälter geleitet. Diese Malaise-Fallen wurden in 21 Naturschutzgebieten aufgestellt.

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Insekten selbst in Naturschutzgebieten von Pestiziden bedroht

Insekten in Deutschland sind wichtig für die Artenvielfalt und das Ökosystem – jedoch sind sie auch immer mehr bedroht. Ein nach vier Jahren beendetes Forschungsprojekt liefert jetzt wichtige Daten, um diesen Trend umkehren zu können.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

"Selbst in Naturschutzgebieten schreitet der Verlust von Artenvielfalt und Lebensräumen ungebremst voran", lautet das alarmierende Resümee vom Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), Jörg-Andreas Krüger.

In den letzten vier Jahren wurden 21 Naturschutzgebiete in ganz Deutschland von acht wissenschaftlichen Institutionen untersucht, um Daten zu sammeln, die bisher fehlten. Ziel des Projekts: den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten und in einen positiven Trend umzukehren.

Krefelder Studie noch immer maßgebend

Ausschlagend für das Projekt war die Krefelder Studie von 2017, die die Ausmaße des Insektensterbens in Teilen Deutschlands deutlich machte und für große Bestürzung sorgte: In den vergangenen 30 Jahren wurde ein Rückgang der Fluginsekten-Biomasse von durchschnittlich 76 Prozent vermerkt.

Die Vielfalt der Insekten nimmt rapide ab – auch in Naturschutzgebieten. Als Treiber gilt auch der immer weiter zunehmende Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft.

Insektensterben setzt sich fort

Zum Ende des Forschungsprojekts DINA (Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen) im April 2023 wurden nun erste Ergebnisse und Handlungsempfehlungen vorgestellt: Der Schwund der Insekten setzt sich fort. Detaillierte Daten zu Anzahl und Vielfalt fliegender Insektenarten in den Schutzgebieten sollen in den kommenden Monaten folgen. Zu den Gebieten zählen 21 repräsentativ ausgewählte Standorte in fast allen Bundesländern.

Konkret wurden die Fluginsekten und deren Belastung mit Hilfe von Malaise-Fallen entlang von Beobachtungspunkten erfasst. Gleichzeitig lieferten chemische Analysen Informationen, wie pestizidbelastet der Boden, die Vegetation, die Insekten selbst und die Bäume sind. Zusätzlich fanden Befragungen der Landwirte und Landwirtinnen von umliegenden Feldern statt, und Beteiligte aus Naturschutz und Landwirtschaft wurden einbezogen.

Pestizide auf Insekten nachgewiesen

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes fasst Thomas Hörren vom Entomologischen Verein Krefeld, einem der beteiligten Institutionen, so zusammen: "Ausgehend von den 2017 vom Entomologischen Verein Krefeld veröffentlichten Insektenbiomassen ist aktuell keine Erholung der Biomassen für die Jahre 2020 und 2021 feststellbar und der Trend zu einem niedrigen Stand kann deutschlandweit bestätigt werden." Dafür wurden auch negative Umwelteinflüsse durch den Einsatz von Pestiziden oder die Zerstörung von Lebensräumen untersucht.

Hinzu kommt, dass Schutzgebiete sehr häufig an Ackerflächen angrenzen, die sich nachteilig auf das Vorkommen gefährdeter Arten auswirken. So konnten Pestizide auf Insekten in allen Schutzgebieten nachgewiesen werden - insgesamt Rückstände von 47 unterschiedlichen Pestiziden. Und weil die Insekten nachweislich auch auf die umliegenden Felder zur Nahrungssuche zurückgreifen, ist es den Forschenden zufolge wichtig, diese umliegenden Flächen in die Naturschutzplanung einzubeziehen. Denn dort kommen die Insekten mit Pestiziden in Berührung, die sie dann wiederum an die Pflanzenwelt in den Schutzgebieten weitertragen.

"Damit die Trendumkehr beim Insektensterben gelingen kann, muss die Belastung durch Pestizide in der gesamten Landschaft halbiert werden. In den besonders sensiblen Schutzgebieten gehört ihr Einsatz untersagt. Zudem müssen wir Safe-Spaces für Fluginsekten schaffen – etwa durch Pufferstreifen und zusammenhängende Biotop-Netze." NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger

Im Dialog alle einbeziehen

Daher leiten die Forschenden drei Handlungsempfehlungen zum Schutz der Insektenvielfalt ab:

  1. Biodiversität in Zielsetzung und Planung für Schutzgebiete priorisieren: Das bedeutet, dass auch umliegende landwirtschaftliche Nutzflächen bei Strategien und Maßnahmen zum Schutz der ausgewiesenen Gebiete einbezogen werden sollen.
  2. Bundesweites Monitoring und ortsbezogene Risikoanalysen ermöglichen: Monitoring und Pestizidanalysen müssen regelmäßig als Grundlage für die Forschungsarbeit dienen, um besonders schützenswerte Gebiete priorisieren zu können.
  3. Kooperationsbereitschaft von zentralen Akteuren und Akteurinnen fördern: Alle lokalen Beteiligten aus Landschaftspflege, Landwirtschaft, Naturschutz, Politik und Zivilgesellschaft müssen einbezogen werden.

Den eigenen Balkon fit für Insekten machen

Aber nicht nur die Agrarwirtschaft und die Behörden sind gefragt. Auch jede und jeder Einzelne kann etwas zum Schutz der Insekten tun und da helfen laut Jürgen Gross, Präsident der Deutschen Gesellschaft für allgemeine und angewandte Entomologie, auch schon Kleinigkeiten: Insektenhotels, insektenfreundliche Balkone und Gärten oder Blühstreifen zwischen Autofahrbahnen. Dabei ist es wichtig, möglichst viele heimische Pflanzenarten zu pflanzen: Glockenblume, Natternköpfe oder Weiden. Sie sind wichtige Nahrungsquellen für beispielsweise Wildbienen. Zierpflanzen oder Zierrasen hingegen sollten vermieden werden.

Aus verschiedenen Gründen lehnt der Biologe Schottergärten ab: "Die sind feindlich für jedes Insekt und jeden Vogel und sorgen auch noch für ein schlechtes Klima in der Stadt." Denn im Sommer heizen sich die Steine auf, die die Hitze dann an die Luft abgeben.

Zum Video: Wie sieht ein insektenfreundlicher Garten aus?

Gut zu wissen-Autorin Katharina Heudorfer und Konrad Bucher vom Ökologischen Bildungszentrum München
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Projekt: insektenfreundlicher Garten

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