Ein Mann mit Taschentuch schnäuzt sich die Nase.
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In den letzten Wochen waren die Arztpraxen wieder voll, die meisten Patienten plagten Atemwegserkrankungen.

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Hoher Krankenstand: Was steckt dahinter?

Erkältung, Grippe, Rückenschmerzen: Ein Drittel aller Beschäftigten hat sich dieses Jahr schon einmal krankgemeldet, so eine Analyse der DAK. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir alle immer häufiger krank sind. Was hinter den Zahlen steckt.

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Auch diese Woche hält die Krankheitswelle an, viele Arbeitnehmer bleiben zu Hause. Das bestätigt eine aktuelle Analyse der DAK. Demnach waren bereits in den ersten zwölf Wochen des Jahres 38 Prozent der Beschäftigten mindestens einmal krankgeschrieben. Bundesweit waren an einem Kalendertag durchschnittlich 5,8 Prozent krankgemeldet. Damit wurde fast ein ähnlich hohes Krankenstand-Niveau erreicht wie letztes Jahr um diese Zeit.

Auch in der Praxis von Dr. Oliver Abbushi, Hausarzt in Oberhaching, gab es in den letzten Wochen viel zu tun. Die meisten Patienten seien wegen Atemwegserkrankungen vorstellig geworden: "Das ist aber nichts Ungewöhnliches, das haben wir ja vorm Sommer in der Frühlingsphase, gerade so im April, immer wieder", erklärt Oliver Abbushi. Als Bezirksvorsitzender des Hausärzte-Verbands München hat er einen guten Überblick: "Wir hatten eine Kältewelle, viele haben sich angesteckt, sind krank geworden, das ist der Grund, aber insgesamt ist das alles im Rahmen, wie wir das kennen."

Derzeit viele verschiedene Viren im Umlauf

Neben Rhino-Viren, also einfachen Erkältungsviren, kursieren derzeit auch verstärkt Viren, die Magen-Darm-Infektionen auslösen, etwa Noro- und Rota-Viren. Ein dritter Grund, weswegen sich viele krankschreiben lassen, sind Rückenschmerzen. Häufig werden diese von psychischen Belastungen ausgelöst. "In bis zu 30 Prozent der Fälle verbergen sich psychische Erkrankungen hinter Muskel-Skelett-Erkrankungen", erklärt Sophie Schwab, Landeschefin von der DAK Bayern. Ärzte sprechen dann klassischerweise vom psychosomatischen Rückenschmerz. Sophie Schwab führt das auf die vielfältigen Belastungen zurück, "auf die seelischen Anspannungen, auch durch die Krisen, in denen wir alle leben."

Früher hätten mehr Menschen ihre psychische Erkrankung verschwiegen oder gar nicht ernst genommen, sagt Sophie Schwab. Man schämte sich auch, deswegen einen Krankenschein abzugeben. Das hat sich in den letzten Jahren geändert, "weil es viele Beispiele von Prominenten gibt, die sich bekennen, und dadurch werden psychische Erkrankungen häufiger diagnostiziert, als das früher der Fall war."

Hoher Krankenstand: Menschen sind anders sensibilisiert

Das wechselhafte Frühjahrswetter ist also nicht allein für die hohen Zahlen der Krankmeldungen verantwortlich. Tatsache ist, dass die Menschen seit der Pandemie anders mit dem Thema "krank sein" umgehen. Das beobachtet auch Hausarzt Oliver Abbushi. Die Menschen seien vorsichtiger geworden, gehen schneller zum Arzt als früher, nutzen die Videosprechstunde. Sie sind sensibler sich selbst gegenüber geworden, würden aber auch mehr Rücksicht auf ihre Arbeitskollegen nehmen. "Viele möchten es vermeiden, ihre Kollegen anzustecken", erklärt Abbushi. Auch die Arbeitgeber hätten ihre Einstellung verändert, stellt der Arzt fest: "Die sagen: Bitte bleibt zu Hause, komm, wenn du wieder gesund bist, steck mir nicht die Belegschaft an." Auch diese Beweggründe führen zu mehr Krankmeldungen.

Neues elektronisches Meldeverfahren führt zu höheren Zahlen

Ein weiterer Grund für die hohen Fall-Zahlen ist auch das neue elektronische Meldeverfahren. Früher meldete nicht jeder Patient seine Arbeitsunfähigkeit bei der gesetzlichen Krankenkasse, sondern nur beim Arbeitgeber. Seit eineinhalb Jahren aber wird die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung automatisch an die Krankenkasse und den Arbeitgeber übermittelt. "Dadurch haben wir jetzt 100 Prozent aller Krankschreibungen in der Statistik enthalten", erklärt Sophie Schwab von der DAK Bayern. "Auch viele Kurzzeit-Krankschreibungen, die früher möglicherweise gar nicht abgegeben worden wären."

Auffallend ist: Besonders die Jüngeren, vor allem die unter-20-jährigen, sind häufig krank. Hier fehlte im ersten Quartal 2024 bereits rund die Hälfte tageweise am Arbeitsplatz. Allerdings sind Jüngere in der Regel nur kurz krankgeschrieben. Ältere wiederum fielen seltener aus, aber dafür über einen längeren Zeitraum, erklärt Schwab.

Hoher Krankenstand macht Arbeitgebern zu schaffen

In Zeiten von Fachkräftemangel sind häufige Krankmeldungen im Team eine große Herausforderung. Gerade Branchen, die Schwierigkeiten haben, alle Stellen zu besetzen, haben schon seit einiger Zeit erkannt, dass sie etwas tun müssen, um ihre Mitarbeiter vor Überlastung zu schützen. "Wenn die Personaldecke dünner wird, ist die Gefahr, ist der Stress für die Weiterbeschäftigen sehr hoch", stellt Sophie Schwab fest. Manchmal kommen die Maßnahmen zu spät und Mitarbeitende leiden bereits seit Jahren an psychischen Erkrankungen. Viele Arbeitgeber seien aber dafür sensibler geworden, sagt Schwab: "Bei den meisten Unternehmen ist es angekommen, dass man weg muss vom Obstkorb und der Rückenschule hin zu systematischen Lösungen."

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