"Goldener Reis", also gentechnisch veränderter Reis mit mehr Vitamin A, liegt neben herkömmlichem weißen Reis.
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Wann wird er endlich angebaut? Der "goldene Reis", der mithilfe gentechnischer Veränderung orange leuchtet und Vitamin-A-Mangel bekämpft.

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Goldener Reis mit mehr Vitamin A: Wann kommt er auf den Tisch?

Er soll Kinder in Entwicklungsländern mit Vitamin A versorgen und so vor Erblindung und dem Tod retten. Doch auch zwanzig Jahre nachdem seine Entwicklung begann, ist immer noch unklar, wann der "goldene Reis" tatsächlich angebaut wird.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Der "goldene Reis", der aufgrund gentechnischer Veränderung Beta-Karotin produziert und deshalb nicht nur orange leuchtet, sondern auch den Körper Vitamin A produzieren lässt, könnte jedes Jahr bis zu 250.000 Kindern das Leben retten. Denn nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben jedes Jahr genau so viele, nämlich zwischen 125.000 und 250.000 Kinder - vor allem in Entwicklungsländern wie Afrika oder Südostasien, weil ihnen das lebenswichtige Vitamin A fehlt: Erst sehen die Kinder schlecht, dann erblinden sie, innerhalb von 12 Monaten stirbt knapp die Hälfte der erkrankten Kinder, weil ihr Immunsystem geschwächt ist. An einem Vitamin-A-Mangel leiden nach Schätzungen der WHO weltweit rund 250 Millionen aller Kinder im Vorschulalter.

Doch auch zwanzig Jahre nach dem Beginn seiner Entwicklung ist immer noch nicht klar, wann der Goldene Reis tatsächlich angebaut wird. Die gentechnischen Veränderungen sind zwar sicher, zwei Reissorten schon jetzt auf den Philippinen für den Anbau zugelassen. Trotzdem gibt es überraschende Probleme - und verschiedene Lösungsansätze.

Goldener Reis: Zugelassene Sorten nicht beliebt

Um bei Reisbauern und Verbrauchern beliebt zu sein, muss eine Reissorte hohe Erträge liefern, darf nicht anfällig für Krankheiten oder Schädlinge sein und muss natürlich gut schmecken. Ausgerechnet für die zwei „goldenen Sorten", die jetzt auf den Philippinen zugelassen wurden, gilt das nicht, sagt Dominic Glover vom Institute of Development Studies im britischen Brighton. "Man hat zwei bekannte Sorten ausgewählt, und zumindest eine der beiden war auch so beliebt, dass man dachte, sie bleibt noch viele Jahre beliebt. Aber das ist einige Jahre her. Und inzwischen sind diese zwei Sorten nicht so leistungsfähig wie die aktuellen Sorten".

Goldener Reis muss sich für Bauern lohnen

Zudem gibt es ein weiteres Problem: Familien, die besonders häufig von Vitamin-A-Mangel betroffen sind, können diese Reissorten gar nicht selbst anbauen - entweder weil sie in entlegenen Bergregionen leben, in denen diese Sorten nicht gedeihen. Oder weil sie in Städten leben, in denen man gar keinen Reis anbauen kann. Sie müssen den Reis also von Bauern auf dem Markt kaufen, die ihren Reis in der philippinischen Hauptanbau-Region Nueva Ecija anbauen. Dieser Anbau muss sich für die Bauern aber auch lohnen. Bei den bisher zugelassenen Sorten war das nicht der Fall. Sie waren bei den Bauern nicht beliebt, weil sie keine guten Erträge liefern.

Bauern probieren nur alle zehn Jahre neue Reissorten für den Markt aus

Generell ist die Sortenwahl für den Goldenen Reis nicht einfach. Wie die Studie von Dominic Glover zeigt, schauen Bauern bei der Sortenwahl sehr genau hin und sind nicht leicht zu überzeugen. Nur etwa alle zehn Jahre probieren sie eine neue Sorte aus. Bis vielversprechende „goldene“ Sorten gezüchtet sind und Saatgut auf den Markt kommt, dauert es einige Jahre. Und dann müssen die Bauern überzeugt werden, dass es auch eine Nachfrage geben wird, sodass sie den Goldenen Reis für einen guten Preis verkaufen können.

Goldener Reis: Überzeugungsarbeit bei den Betroffenen nötig

Neben den Bauern sei es aber noch wichtiger diejenigen zu überzeugen, für die der Reis gedacht ist, sagt Matin Qaim, Agrarwissenschaftler an der Universität Göttingen und Mitglied im Golden Rice Humanitarian Board. Er schlägt vor, die von Vitamin-A-Mangel betroffenen Bevölkerungsschichten über Aufklärungskampagnen und Schulspeisungs-Programme vom positiven Effekt der Reissorten zu überzeugen.

"Die Leute wissen ja unter Umständen noch nicht mal, dass sie unter Vitamin-A-Mangel leiden, sie werden zwar krank oder Kinder sterben oder erblinden, aber Vitamin A ist den meisten jetzt nicht unbedingt ein Begriff. [...] da wird schon Unterstützung nötig sein, dass man über soziale Aufklärungskampagnen, die vielleicht auch über Radio, Fernsehen und andere Medien [laufen], klarstellt: Hier haben wir Reissorten, die anders aussehen, die aber sehr, sehr positiv für Ernährung, Gesundheit sein können. Und wir haben Schulspeisungs-Programme - also über solche Mechanismen schrittweise eine Nachfrage [zu] generieren, sowohl bei den Landwirten, aber dann natürlich auch bei bei den Verbrauchern." Matin Qaim, Agrarwissenschaftler an der Universität Göttingen

Vitamin-A-Mangel: Alternativen zum Goldenen Reis

Weil die Aufklärungskampagnen für die Akzeptanz von Goldenem Reis Geld und vor allem Zeit kosten, versuchen Behörden und Organisationen wie UNICEF derweil auf anderen Wegen dem Vitamin-A-Mangel vorzubeugen. In Städten erwägen sie die kostenlose Verteilung von Vitamin-A-Tabletten. In entlegenen Bergdörfern wollen sie dagegen mit Projekten zum Anbau von Gemüse gegen die Mangelernährung der Bevölkerung vorgehen. Aufklärungskampagnen für eine vielseitigere Ernährung könnten auch helfen. Der Nachteil allerdings: Vielen Betroffenen fehlt das Geld dazu, zwar vitaminreiches, aber teures Gemüse zu kaufen. Es gibt nicht den einen, einfachen Weg, um Vitamin-A-Mangel zu beheben, meint Dominic Glover.

Anmerkung der Redaktion: Bei der Zahl der jährlichen Todesfälle bei Kindern durch Vitamin-A-Mangel hatte sich in der ursprünglichen Version des Artikels ein Fehler eingeschlichen. Er wurde korrigiert.