Symbolbild: Kläranlage
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#Faktenfuchs: Belasten Kläranlagen das Grundwasser?

Landwirte sehen sich zu Unrecht beschuldigt in der Debatte um zu hohe Nitratwerte im Grundwasser. Sie verweisen auf Kläranlagen. Doch die sind laut Experten nicht für Nitrat-belastetes Grundwasser verantwortlich.

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Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Unser Grundwasser weist stellenweise Nitratwerte auf, die über dem Schwellenwert der EU-Wasserrahmenrichtlinie in Höhe von 50 Milligramm pro Liter liegen. Deswegen hat der Europäische Gerichtshof Deutschland verurteilt. Die Landwirtschaft gilt als hauptverantwortlich für zu viel Nitrat im Grundwasser. Eine neu aufgelegte Düngeverordnung soll für weniger Nitrateintrag sorgen. Viele Landwirte sind darüber verärgert, im Netz und auf Bauerndemonstrationen weisen sie die alleinige Verantwortung von sich. Immer wieder kommt das Argument: Auch Kläranlagen verunreinigen unser Wasser mit Nitrat.

  • Dieser Artikel stammt aus 2019. Alle aktuellen #Faktenfuchs-Artikel finden Sie hier

Ein Flugblatt mit Vorwurf an Kläranlagen kursiert

In einem Flugblatt wird argumentiert: Die Kläranlagen verursachten das Nitrat im Boden. Sie leiteten Tonnen an Stickstoff in die Gewässer. Im Fall von Starnberg sei die Menge gleichzusetzen mit der Gülle von 13200 Mastschweinen. Zitat, wie im Original: "Da muß es doch der dümmste kapieren das die Gewässerbelastung nicht von den Landwirten kommt!!!"

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Ein Auszug des kursierenden Flugblatts zu Gülle aus Starnberg (Screenshot)

Was ist dran an dem Vorwurf? Werden die Landwirte zu Unrecht durch neue Düngevorschriften drangsaliert?

Stickstoff wird in Kläranlagen dem Abwasser entzogen

Abwasser enthält Stickstoff, der aus Harnstoff stammt, einem Bestandteil von Urin. In der Kläranlage wird der Stickstoff dem Abwasser entzogen, bevor es in den Vorfluter eingeleitet wird. Das ist wichtig, weil sonst die Gewässer zu sehr mit Nährstoffen belastet würden. Mit Hilfe von Bakterien wird Stickstoff in den Klärbecken chemisch umgewandelt und letztendlich als gasförmiger Stickstoff ausgeschieden, wie Norbert Impelmann erklärt, der Geschäftsleiter beim Abwasserverband Starnberg. Stickstoff entweicht aus der Kläranlage also als elementarer Stickstoff. Dieser ist kaum reaktiv und hat damit keine schädlichen Auswirkungen auf die Natur. Elementarer Stickstoff ist auch ein wesentlicher Bestandteil unserer Atemluft. Fast 80 Prozent Stickstoff enthält die Atmosphäre. Wird aus den Kläranlagen zusätzlich Stickstoff eingebracht, verändert das den Anteil am Gesamtvolumen nicht.

Kläranlagen reduzieren Stickstoffwerte im Abwasser um 78 Prozent

Problematisch ist Stickstoff in anderer chemischer Form, als sogenannter reaktiver Stickstoff. Dazu gehört Ammoniak (NH3). Diese Stickstoffverbindung entweicht aber kaum aus Klärbecken, Ammoniak-Emissionen kommen laut Umweltbundesamt nur zu 0,5 Prozent aus dem Bereich Abfall und Abwasser, zu 95 Prozent aus der Landwirtschaft, zum Beispiel bei der Ausbringung von Gülle. Bayerische Kläranlagen reduzieren die Stickstoffwerte im Abwasser um circa 78 Prozent. Das weitgehend von Stickstoff befreite Wasser wird in den Vorfluter geleitet. Ist dieses Abwasser wirklich sauber genug? Die Grenzwerte seien klar geregelt, sagt Geschäftsführer Norbert Impelmann.

„Die Reinigungsanforderung an unsere Kläranlage ist immer so geregelt, dass so viel Restverschmutzung eingeleitet wird, dass es dem Gewässer nicht schadet. Das ist quasi auf die Würm zugeschnitten, dieser Grenzwert, also muss man davon ausgehen, dass das bisschen, das noch reingeht, der Würm eben nicht schadet. Das wird dann natürlicherweise von dem Fluss selber abgebaut. Wir haben ja sogar eine UV-Anlage, so dass auch noch Bakterien im Sommerhalbjahr abgetötet werden, so dass man in der Würm baden kann, obwohl eine Kläranlage einleitet, also sauberer geht es eigentlich nicht.“ (Norbert Impelmann, Geschäftsleiter Kläranlage Starnberg)

Gereinigtes Abwasser aus Bayerns Kläranlagen landet also in Oberflächengewässern. Den Hauptverursacher in Sachen Nitratverschmutzung von Bächen und Flüssen sieht der Leiter des bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU), Claus Kumutat, ganz klar woanders: „Die Belastung der Fließgewässer aus den Kläranlagen liegt bei rund 17 Prozent. 83 Prozent stammen aus diffusen Quellen rechts und links der Gewässer, im Wesentlichen aus der Landwirtschaft." Aus ökologischer Sicht sei es grundsätzlich wünschenswert, dass noch weniger Nitrat in Flüsse und Bäche gelangt. Doch konkrete negative Auswirkungen sind durch die Kläranlagen laut LfU nicht zu erwarten. Einen viel größeren Einfluss hat die Düngung. So wird Stickstoff zum Beispiel aus Gülle von Feldern oder Wiesen über Regenwasser oder Drainagerohre ins Gewässer gespült.

Negativer Zusammenhang zwischen Landnutzung und Nitratwerten

Bei der Verurteilung Deutschlands wegen Verletzung der EU-Nitratrichtlinie geht es allerdings ohnehin um Nitrat im Grundwasser – nicht um Oberflächengewässer. Richtig dosiert ist Stickstoff aus Gülle oder Mineraldünger ein wichtiger Pflanzennährstoff. Doch bringen Landwirte mehr aus, als die Pflanzen aufnehmen können, wird er im Boden in tiefere Schichten verlagert und landet irgendwann als Nitrat im Grundwasser. Aus dem eigentlich wertvollen Nährstoff wird ein Schadstoff. Der deutsche Nitratbericht belegt eindeutig einen negativen Zusammenhang zwischen Landnutzung und Nitratwerten.

50,9 Prozent der Fläche Deutschlands wird landwirtschaftlich genutzt (Einleitungen von Kläranlagen gibt es dagegen nur punktuell). An 28 Prozent aller Messstellen in Deutschland, in deren Einzugsgebiet eine landwirtschaftliche Nutzung dominiert, wird der Schwellenwert von 50 Milligramm Nitrat je Liter überschritten - insgesamt betrachtet bei 17,3 Prozent der Grundwasser-Messstellen (UBA 2018). Für Bayern wird dieser Wert aktuell bei 5,5 Prozent der beobachteten Messstellen überschritten (Stand: 2016).

Trinkwasser wird in Bayern zu 90 Prozent aus Grundwasser gewonnen. Allerdings aus besonderen Bereichen, die durch Trinkwasserschutzgebiete geschützt sind. Dort findet Landwirtschaft unter höheren Auflagen mit weniger Düngereinsatz statt. Auch unterhalb des Schwellenwerts sehen Experten Handlungsbedarf, bereits ab 40 Milligramm Nitrat pro Liter. Denn: Wird Nitrat im Organismus zu Nitrit umgewandelt, kann das vor allem bei Säuglingen die Sauerstoffversorgung über das Blut hemmen. Brüssel droht mit Strafzahlungen, weil die eingeleiteten Maßnahmen der Bundesrepublik, den Stickstoffeintrag zu reduzieren, zu wenig Wirkung zeigen. Nitratwerte im Oberflächenwasser spielen dabei keine Rolle.

Sind jedoch die Einleitungen von Kläranlagen mit belastetem Grundwasser in Verbindung zu bringen?

Was kommt von den Kläranlagen ins Grundwasser?

Zwar ist es nicht auszuschließen, dass über das Flussbett Oberflächenwasser und damit Nitrat ins Grundwasser sickert. Mengenmäßig fällt das aber im Vergleich zur Landwirtschaft nicht ins Gewicht. LfU-Leiter Claus Kumutat erklärt:

"In Bezug auf die Grundwasserbelastung mit Nitrat ist diese geringfügige Wechselwirkung zwischen Oberflächengewässer und Grundwasser wirklich untergeordnet und nicht von Bedeutung. Im Oberflächengewässer wird der Stickstoff derart groß verdünnt und schnell abtransportiert, dass er keinen Einfluss hat auf die Belastung im Grundwasser." ( Claus Kumutat, LfU-Leiter)

Fakt ist also: Im Grundwasser sind die Grenzwerte stellenweise überschritten. In Fließgewässern nicht. Aber es kursieren noch andere Theorien im Hinblick auf belastetes Grundwasser. Im Netz ist bisweilen zu lesen, undichte Abwasser-Kanäle seien ebenfalls ein wichtiger Grund für Nitrat im Grundwasser

Rolle von maroden Kanälen

"Eine Schwachstelle, die der Öffentlichkeit vorenthalten wird? "Tatsächlich rechnen wir damit, dass 10 bis 15 Prozent der öffentlichen Kanäle undicht sind", sagt Kumutat. "Die werden aber saniert, wir drängen darauf, dass sie saniert werden, die Belastung, die daraus entsteht, ist aber untergeordnet." Jörg Rechenberg, Wasserexperte vom Umweltbundesamt, weist zwar darauf hin, dass seiner Behörde keine konkreten Zahlen zur Nitratbelastung des Grundwassers durch marode Kanäle vorliegen. Aber er sagt auch: Die Nitratbelastung in Grundwässern unter Siedlungsbereichen - also den Gebieten in denen Abwasserkanäle in der Regel verlaufen - sei deutlich niedriger als unter intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen.

Fazit

Kläranlagen arbeiten so, dass die Vorgaben des Gesetzgebers zuverlässig eingehalten werden. Die Landwirtschaft schafft das in einigen Regionen im Bezug auf die Qualität des Grundwassers nicht. Das liegt auch an dem enormen flächenmäßigen Anteil der Landwirtschaft.