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Gibt es in Deutschland Probleme bei der Datenerfassung zu den Nebenwirkungen der Corona-Impfung ?

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#Faktenfuchs: Warum die Daten zu Impfnebenwirkungen irritieren

Untererfassung, fehlende Transparenz, Tabuisierung: Einige der Vorwürfe, die im Rahmen der Impfnebenwirkungen erhoben werden. Der #Faktenfuchs hat nachgeforscht, wie das Paul-Ehrlich-Institut die Daten erfasst und wie mit ihnen umgegangen wird.

Internationale Studien zeigen, dass schwerwiegende Nebenwirkungen der Covid-19-Impfungen sehr selten sind.

Dennoch gibt es immer wieder beunruhigende Schlagzeilen und Stimmen, die das Gegenteil behaupten: Im Februar gab der damalige Vorsitzende der Krankenkasse BKK Provita, Andreas Schöfbeck, anhand einer zweifelhaften Hochrechnung von Abrechnungsdaten an, zweieinhalb bis drei Millionen Menschen in Deutschland seien von Impfnebenwirkungen betroffen. Diverse Fachleute widersprachen seinen Aussagen, die BKK Provita trennte sich daraufhin von Andreas Schöfbeck. Warum seine Zahlen falsch sind, können Sie hier und hier lesen.

Dieser Artikel stammt aus 2022. Alle aktuellen #Faktenfuchs-Artikel finden Sie hier.

Vor einigen Wochen sorgte eine Umfrage des Mediziners Harald Matthes für Aufsehen. Dieser sagte im Interview mit dem Focus, dass er aufgrund seiner Ergebnisse von 70 Prozent Untererfassung bei den Impfnebenwirkungen ausgehe. Auch das ist nicht haltbar, wie dieser #Faktenfuchs darlegt:

Es gibt aber auch immer wieder Erfahrungsberichte von Menschen, die nach einer Impfung gesundheitliche Probleme haben. Sie erzählen, dass sie von Ärzten nicht ernst genommen und generell mit ihren Problemen allein gelassen werden – sowohl bei der Suche nach der richtigen Behandlung, als auch bei der Meldung ihrer Fälle. Sie erhalten etwa keine Rückmeldung oder finden ihre Symptome in den Berichten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) nicht wieder. Das PEI ist in Deutschland für die Überwachung von Impfstoffen zuständig.

Kann das stimmen? Gibt es in Deutschland Probleme bei der Datenerfassung zu den Nebenwirkungen der Corona-Impfung ? Der #Faktenfuchs hat nachgeforscht.

Wie funktioniert das System der Überwachung von Nebenwirkungen in Deutschland?

Es gibt in Deutschland ein etabliertes System zur Überwachung von Arzneimittelnebenwirkungen – Pharmakovigilanz in der Fachsprache. Zuständig sind hierfür das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie das Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Die nationale Überwachung in Deutschland findet nach europäischen Standards statt und ist angebunden an das europäische System Eudravigilance.

Die Überwachung basiert auf sogenannten Spontanmeldungen: Ein Patient, der im Rahmen einer Impfung oder Medikation Nebenwirkungen erfährt, teilt dies meist einem behandelnden Arzt mit. Im Fall von Impfstoffen haben Ärzte und Ärztinnen eine doppelte Meldepflicht: Zum einen muss laut Infektionsschutzgesetz (IfSG) eine "über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehende gesundheitliche Schädigung" an das zuständige Gesundheitsamt gemeldet werden.

Zum anderen enthält auch die Berufsordnung der Ärzte die Verpflichtung, "unerwünschte Wirkungen von Arzneimitteln" der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) mitzuteilen. In beiden Fällen wird die Meldung schlussendlich an die zuständige Bundesbehörde, das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), weitergeleitet.

Zusätzlich können Ärztinnen und Ärzte auch direkt ans PEI oder an die Hersteller melden. Aber auch Patientinnen und Patienten können mögliche Nebenwirkungen der Behörde mitteilen, etwa per Telefon oder über ein Online-Meldeportal.

Definition von Impfnebenwirkungen muss beachtet werden

Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) erwähnt eine wichtige Unterscheidung: Es gibt bei Impfreaktionen ein "übliches Maß" – also Symptome, die zu erwarten sind. Bei den Corona-Impfungen waren dies etwa Schmerzen an der Einstichstelle, Gliederschmerzen und vorübergehend leichtes Fieber. Diese Impfreaktionen sind laut IfSG nicht meldepflichtig. Was darüber hinausgeht, wird als Impfkomplikation oder auch als Nebenwirkung bezeichnet. Diese sind entsprechend meldepflichtig. Sind Impfkomplikationen so gravierend, dass sie auf längere Sicht einen gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Schaden hervorrufen, wird von Impfschäden gesprochen.

Das PEI sammelt erstmal alle sogenannten "Verdachtsmeldungen" und wertet diese aus. Eine weitere wichtige Unterscheidung, die die Behörde zu Beginn der Auswertung macht: Kann die gemeldete Komplikation als "schwerwiegende" Nebenwirkung eingestuft werden oder nicht? Das PEI nutzt dabei hauptsächlich die Definition des Arzneimittelgesetzes, das zum Beispiel Nebenwirkungen, die tödlich oder lebensbedrohend sind oder eine stationäre Behandlung notwendig machen, als schwerwiegend listet. Bei den Covid-19-Impfstoffen gibt es zudem eine Liste unerwünschter Reaktionen von besonderem Interesse, etwa Thrombosen – diese werden bei der Meldung immer als "schwerwiegend" eingeschätzt.

Weiter ist zu beachten, dass die Meldungen sich in Umfang und Qualität deutlich unterscheiden können. So enthalten etwa Meldungen von Geimpften selbst oft detaillierte Beschreibungen der Symptome, während die Meldungen von ärztlichem Fachpersonal bereits getroffene Diagnosen und zusätzliche Befunde oder Vorerkrankungen beschreiben.

Der #Faktenfuchs wollte mehr darüber wissen, wie die Verdachtsmeldungen vom PEI weiterverarbeitet und überprüft werden. Die Antwort: Man konzentriere sich aktuell auf die Meldungen von schwerwiegenden Komplikationen, fordere Informationen an, wenn diese in der Meldung fehlten. Bei der Meldung einer Impfkomplikation mit tödlichem Ausgang frage das Institut, ob eine Obduktion stattgefunden habe und "bittet in so einem Fall um die Ergebnisse", schreibt eine PEI-Sprecherin dem #Faktenfuchs. Laut Einschätzung der Experten, mit denen der #Faktenfuchs gesprochen hat, ist die größte Herausforderung dabei, einzuschätzen, ob eine Komplikation wirklich kausal mit einer Medikation oder Impfung zusammenhängt.

In einem festgelegten zeitlichen Abstand müssen alle nationalen Verdachtsmeldungen und die zugehörigen Informationen in eine standardisierte Form gebracht und in die Eudravigilance-Datenbank der Europäischen Medizinagentur (EMA) eingespeist werden. In diese zum Teil öffentliche Datenbank gehen alle Verdachtsmeldungen gleichermaßen ein – unabhängig etwa von den Informationen zu einem kausalen Zusammenhang mit der Corona-Impfung. Dies hat auch bereits zur Missinterpretationen geführt, wie der #Faktenfuchs hier aufgeschrieben hat:

Im Fokus: Viele Meldungen mit ähnlichen Komplikationen

Wenn sich Verdachtsmeldungen für eine bestimmte Symptomatik häufen, wertet das PEI diese anhand der gesammelten Informationen und sogenannter Observed-versus-Expected-Analysen aus. Darin fließen unter anderem Daten der Statistikämter, aber auch Ergebnisse aus den Zulassungsstudien der Impfstoffe mit ein. So wird festgestellt, ob aus den Verdachtsmeldungen wirklich ein sogenanntes Risikosignal abgeleitet werden kann. Ist das der Fall, können die Behörden verschiedene Maßnahmen auf den Weg bringen, die das Risiko für die Menschen, die den Impfstoff erhalten, minimieren sollen. Dabei können etwa die Verbraucher- und Fachinformationen angepasst, neue Studien veranlasst oder sogar die Zulassung widerrufen werden.

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) veröffentlicht in unterschiedlichen zeitlichen Abständen sogenannte Sicherheitsberichte, in denen die Anzahl aller Verdachtsmeldungen in Bezug auf die Covid-19-Impfung vorgestellt wird. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den als schwerwiegend eingestuften Einträge. Für die Meldungen, die solche Angaben zulassen, wird etwa auch nach Grundimmunisierung und Booster-Impfung, nach Impfstoff und nach Alter der Geimpften aufgelistet. In den Sicherheitsberichten wird auch darüber informiert, ob aus den Verdachtsmeldungen neue Risikosignale abgeleitet werden konnten und welche Komplikationen unter besonderer Beobachtung stehen.

Wieso kommt es aber trotz etablierter Vorgänge und Veröffentlichungen von PEI und EMA immer wieder zu großen Zweifeln an den Daten?

Meldesystem laut Experten nicht für die Pandemie ausgelegt

Ein möglicher Faktor ist der Grundaufbau des Systems Pharmakovigilanz. Es handelt sich bei den gelieferten Daten um Spontanmeldungen und es gibt keine genauen Informationen, wie viele der tatsächlich auftretenden Impfnebenwirkungen in der Gesamtbevölkerung letztlich auch gemeldet werden. Das ist ein großer Unterschied etwa zu wissenschaftlichen Studien, in denen eine geschlossene und vorher genau definierte Gruppe untersucht wird. Entsprechend lässt sich rein aus den Verdachtsmeldungen auch nicht ableiten, wie hoch der Anteil an Geimpften ist, die eine Nebenwirkung oder gar eine schwere Nebenwirkung haben. Das PEI schreibt auf Anfrage des #Faktenfuchs: "Das Erfassen und Bewerten der Verdachtsfallmeldungen dient daher nicht statistischen Zwecken (z.B. zu Häufigkeiten), sondern hat das Ziel, mögliche Risikosignale für sehr seltene Nebenwirkungen frühzeitig zu entdecken."

Dennoch gibt das PEI in den Sicherheitsberichten kumulative Melderaten an. Im Sicherheitsbericht vom 4. Mai wird zusammengefasst, dass auf 1.000 verabreichte Impfdosen in Deutschland insgesamt 1,7 Verdachtsmeldungen kamen – für schwerwiegende Komplikationen waren es 0,2 Meldungen pro 1.000 verabreichte Impfdosen. Mit diesen Raten verglichen etwa Harald Matthes und der ehemalige BKK-Vorstand Andreas Schöfbeck die Ergebnisse aus ihren Daten. Da diese jeweils höher lagen, sprachen sie fälschlicherweise von einer Untererfassung durch das PEI – ohne die gerade erwähnte Beschaffenheit der PEI-Daten oder die Unterschiede zu den eigenen Definitionen und Methoden zu berücksichtigen.

Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), sagt im Gespräch mit dem #Faktenfuchs, dass das Pharmakovigilanzsystem grundsätzlich in Deutschland gut funktioniere. Für eine Situation wie die Corona-Pandemie sei das System aber nicht ausgelegt. Er hätte es deshalb, und auch wegen der Neuartigkeit der Impfstoffe, für absolut notwendig angesehen, im Rahmen der Covid-19-Impfung ein zentrales Impfregister in Deutschland einzuführen. Damit hätte zumindest eine die Bevölkerung gut abbildende Gruppe an Geimpften exakt überwacht werden können – anhand dieser Daten wären dann auch statistische Aussagen zu Nebenwirkungen gut möglich gewesen.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach sagte im BR-Interview, mit Blick auf die Zukunft: "Ich fände ein Impfregister ohne Wenn und Aber richtig. Und natürlich also ein Impfregister wird auch sicherlich kommen."

Bewertungen sind nicht öffentlich zugänglich

Ein weiterer Punkt, an dem Kritiker ansetzen: Die Datenkommunikation des PEI und der EMA.

In den Sicherheitsberichten werden die Verdachtsmeldungen kumulativ nach verschiedenen Kategorien dargestellt, auch in der EMA-Datenbank werden sie bereits zusammengefasst angegeben. Es kann nicht auf einzelne pseudonymisierte Meldungen zugegriffen werden und bestimmte Informationen sind nicht öffentlich zugänglich.

Und auch die Bewertungen des PEI sind von außen eine ziemliche "Black Box". Zwar werden im Sicherheitsbericht die Ergebnisse ausgewählter Observed-versus-Expected-Analysen veröffentlicht –eine eigene Auswertung durch Außenstehende wie etwa Medien ist anhand der veröffentlichten Daten aber nicht möglich. Die in den Sicherheitsberichten zusammengefassten Bewertungen und Risikosignale können zudem nicht in der Datenbank der EMA nachvollzogen werden. Aus den öffentlichen Informationen dort ist nicht ersichtlich, welche möglichen Nebenwirkungen bereits ausgeschlossen wurden und welche genauer untersucht werden. Auch deshalb werden daraus immer wieder falsche Rückschlüsse gezogen.

Verdachtsmeldungen: Zu komplex für simple Veröffentlichung?

Das PEI und die Experten, mit denen der #Faktenfuchs gesprochen hat, begründen das Vorgehen erneut anhand der Natur der Daten. Sie enthielten viele zusätzliche Informationen, die oft nicht eindeutig kategorisiert werden könnten –die ärztlichen Befunde, Umstände oder Begleiterscheinungen seien zu individuell.

AdkÄ-Vorsitzender Ludwig sagt: "Deshalb sind genau die Bewertungen, die das Paul-Ehrlich-Institut veröffentlicht, entscheidend." Auch der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, Bernd Salzberger, hat Zweifel am Nutzen einer simplen Veröffentlichung aller Verdachtsmeldungen. Denn damit daraus wirklich "nützliche" Daten würden, müssten sie zunächst einmal überprüft werden. "Und dazu muss man aber auch viele dieser Ereignisse noch mal genau mit den behandelnden Ärzten diskutieren und werten."

Entsprechend hat das PEI auch auf die #Faktenfuchs-Anfrage keine weiteren Daten zu den Impfnebenwirkungen zur Verfügung gestellt – eine Sprecherin verweist auf die Sicherheitsberichte. Aber auch über die Verdachtsmeldungen hinaus ist die Datenkommunikation des PEI zurückhaltend. So wurde etwa im Juni 2021 eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IfG) gestellt, einen Zwischenstand der Ergebnisse aus der SafeVac App 2.0-Beobachtungsstudie öffentlich zugänglich zu machen. Über die SafeVac App sammelt das PEI Daten zur Impfung und möglichen Beschwerden nach der Impfung von Freiwilligen, als Ergänzung zu den Spontanmeldungen. Das PEI hat die IfG-Anfrage abgelehnt: "Die Ergebnisse veröffentlicht das Paul-Ehrlich-Institut nach Abschluss der Studie in wissenschaftlichen Publikationen. Eine vorherige Herausgabe der Daten ist nicht möglich."

Meldesystem stößt an Grenzen

Was ist mit den verunsicherten Patienten und Patientinnen?

Auf die Frage, ob Ärzte und Ärztinnen den Nebenwirkungen ihrer Patienten nicht genug Aufmerksamkeit schenken oder zögern, Symptome als Impfkomplikation einzuschätzen, antwortet Wolf-Dieter Ludwig: "Es wird sicherlich passieren, aber ich denke, da sollte man sehr vorsichtig sein, das zu quantifizieren." Ärzte müssten bei ihrer Meldung immer bereits entscheiden, ob es sich bei den Symptomen wirklich um eine Nebenwirkung oder um eine erwartbare Impfreaktion handelt.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) antwortet auf die Anfrage des #Faktenfuchs, ob es Unterschiede in der Bereitschaft von Ärzten gäbe, Nebenwirkungen der Corona-Impfung zu melden: "Die Medizinerinnen und Mediziner urteilen nach medizinisch-wissenschaftlichen Vorgaben bei der Meldung, so auch beim Coronavirus."

Dass Patienten ihre Fälle nicht in den Sicherheitsberichten wiederfinden, kann etwa daran liegen, dass es Komplikationen waren, die nur vereinzelt auftraten. Infektiologe Bernd Salzberger sieht aber auch, dass das System der aufwendigen Prüfung in der Pandemie an seine Grenzen stößt. "Ich glaube bei der Menge von Impfungen, die im letzten Jahr nun wirklich unter die deutsche Bevölkerung gebracht worden ist, reicht das Personal des Paul-Ehrlich-Instituts für diese Aufgabe einfach nicht aus", sagt Salzberger.

Man hätte personell massiv aufstocken müssen, sagt der Infektiologe vom Regensburger Universitätsklinikum. Aber auch das ginge seiner Einschätzung nach nur hypothetisch: "Ganz ehrlich gesagt, sie finden diese Leute im Augenblick gar nicht. Die gibt's auf dem Markt nicht." Salzberger betont, dass das PEI "eine große Arbeit und viel Arbeit in kurzer Zeit geleistet" habe. Man habe gesehen, dass das Institut bei schweren Nebenwirkungen sehr gut und schnell reagiere – wie etwa beim Astrazeneca-Impfstoff. Bei diesem hatte die Bundesregierung die Impfungen nach einer Empfehlung des PEI im Frühjahr 2021 ausgesetzt, nach einer auffälligen Häufung von Sinusvenenthrombosen.

"Bei den minderschweren Nebenwirkungen haben wir für Deutschland einen schlechteren Überblick glaube ich, was passiert", sagt Salzberger. Er kritisiert an dieser Stelle einen zu vorsichtigen Umgang mit dem Datenschutz – und das fehlende Impfregister, das auch aus Sicht von AdkÄ-Vorsitzendem Wolf-Dieter Ludwig und Gesundheitsminister Karl Lauterbach nötig wäre für eine wirklich gute Datenbasis zu den Covid-19-Impfnebenwirkungen.

Weltweite Daten sorgen für klares Bild – Deutschland profitiert

Eine eklatante Informationslücke sieht Salzberger dennoch nicht – auch anderen Ländern sei Dank. "Es gibt große internationale Studien, die auch wirklich mit sehr großem Aufwand gemacht worden sind, bei denen viele, viele tausend Menschen eingeschlossen worden sind und sehr, sehr intensiv befragt worden sind zu den Nebenwirkungen."

Zwar gebe es bei der Bevölkerung zwischen verschiedenen Erdteilen durchaus Unterschiede – grundsätzlich sollten Nebenwirkungen aber überall ähnlich aussehen. Deshalb kann Deutschland die Informationen nutzen. Salzberger sieht "mit Bewunderung", wie die Engländer und die Israelis mit Daten aus ihren Impfregistern arbeiteten. Auf die globalen Daten verweist auch das PEI.

Deutsche Datenversäumnisse: Impfregister und Krankenkassendaten fehlen

In den USA können laut Salzberger beispielsweise die Krankenkassendaten genutzt werden. In Deutschland gäbe es nicht nur kein Impfregister, auch wüssten die Krankenkassen nicht, wer von ihren Versicherten mit welchem Impfstoff geimpft oder wie oft er oder sie geimpft worden sei. "Das ist ein großes Versäumnis", so Salzberger.

Eine Untersuchung anhand von Krankenkassendaten war seitens des PEI geplant, wurde aber noch nicht durchgeführt. Eine Sprecherin des PEI schreibt auf #Faktenfuchs-Anfrage, eine Sicherheitsstudie für die COVID-19-Impfstoffe auf Basis anonymisierter Krankenkassendaten sei bereits im Jahr 2020 geplant und eine Finanzierung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zugesagt worden. Das Paul-Ehrlich-Institut hat die Daten nach eigenen Angaben angefragt. "Bislang stehen diese Daten von den Krankenkassen dem Paul-Ehrlich-Institut noch nicht zur Verfügung", so die Sprecherin des PEI.

Fazit

Die Überwachung der Nebenwirkungen der Covid-19-Impfungen durch das Paul-Ehrlich-Institut wird von Experten als ausreichend eingeschätzt – vor allem, wenn es um schwerwiegende Nebenwirkungen geht.

Das System ist allerdings nicht darauf ausgerichtet, statistische Informationen etwa zu den Häufigkeiten von Nebenwirkungen zu liefern. In der Corona-Pandemie wären solche Daten aber wichtig gewesen. Ein zentrales Impfregister hätte diese laut Experten liefern können – dass ein solches nicht im Zuge der Covid-19-Impfung eingeführt wurde, wird kritisiert. Auch, weil bei vielen Aussagen zu den Impfnebenwirkungen nun auf internationale Auswertungen und Studien zurückgegriffen werden muss.

Vergleiche der vom Paul-Ehrlich-Institut veröffentlichten Melderaten mit Daten aus anderen Umfragen und Auswertungen sind etwa aufgrund von Falldefinitionen, Methodik und der Natur des Meldesystems nicht seriös.

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