Gestiegene Preise und der Personalmangel machen auch Pflegeheimen zu schaffen - mit dramatischen Folgen für Heimbewohner.
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Gestiegene Preise und der Personalmangel machen auch Pflegeheimen zu schaffen - mit dramatischen Folgen für Heimbewohner.

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Pleitewelle: Pflegeheime in der Krise

Für Angestellte und Bewohner des Seniorenheims Fuchsenmühle in Ochsenfurt war die Insolvenz geradezu ein Schock. Und es ist nicht das einzige Heim, das in Schieflage geraten ist. Kritik gibt es dabei vor allem an profitorientierten Pflege-Ketten.

Über dieses Thema berichtet: mehr/wert am .

Das Seniorenheim Fuchsenmühle in Ochsenfurt: Wegen finanzieller Schwierigkeiten hatte der private Betreiber Curata für das Haus Insolvenz beantragt. Eigentlich sollte die Einrichtung erst Ende April schließen. Doch dann wurde das Aus um Wochen vorgezogen. Die letzten Heimbewohner mussten innerhalb von Stunden ausziehen.

Für den SPD-Landtagsabgeordneten Volkmar Halbleib ein Skandal, denn den Mitarbeitern wurde für April kein Gehalt mehr gezahlt, Heimbewohnern und ihren Angehörigen die Rückzahlung der bereits geleisteten Heimkosten verweigert. "Am Schlimmsten ist die Art und Weise, wie diese Insolvenz vollzogen wurde", resümiert Halbleib. "Ohne Rücksicht auf Verluste, ohne Rücksicht auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und vor allem ohne Rücksicht auf die zu Pflegenden und ihre Angehörigen."

Ehemalige Mitarbeitende: "Da könnte ich jetzt noch heulen"

Die Fuchsenmühle ist nur eines von mehreren Häusern der Curata-Gruppe, die nun geschlossen wurden. Christian Pohl und seine Frau Annette hatten in der Fuchsenmühle gearbeitet: Er als Koch, sie als Pflegekraft. Gemeinsam mit ihrer ehemaligen Kollegin Maria Elsner erinnern sie sich an den letzten Tag vor der Schließung. "Da könnte ich jetzt noch heulen, wie die Bewohner am Frühstückstisch gesessen waren und die gekommen sind und gesagt haben: 'In zwei Stunden muss das Haus geräumt sein!' Das war so traurig", erzählt Elsner. "Auch die Bewohner, die waren fix und fertig."

Alle drei haben kein April-Gehalt mehr bekommen, wie sie berichten. Doch ob sie ihre Ansprüche gegenüber Curata geltend machen können, ist fraglich. Es gehe um Gehalt, Urlaubstage und Überstunden. "Uns fehlt das Geld, wir stecken in einer Umfinanzierung vom Haus. Wir haben letztes Jahr zwei neue Autos gekauft. Und das ist jetzt einfach Geld, was fehlt. Das ist schlimm, da fühlt man sich einfach total verarscht", sagt Christian Pohl.

Die BR-Redaktion mehr/wert hat Curata um eine Stellungnahme zu den Gehaltsforderungen gebeten. Die knappe Antwort: Man halte sich an alle insolvenzrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben.

Wer steht hinter Curata?

Die Dachorganisation Curata Care Holding hat ihren Sitz in Berlin. Von dort aus betreibt das Unternehmen Dutzende Einrichtungen, mit rund 3.000 Mitarbeitern. Hinter Curata steht eine Immobilienfirma namens Capital Bay, die 2017 mehrheitlich die Dachorganisation der Curata übernahm. Anfang des Jahres kam dann die Nachricht, die bundesweit für Schlagzeilen sorgte: Curata sei in finanzielle Schieflage geraten, heißt es auf der Firmenwebseite, in Folge der Corona-Pandemie und explodierender Kosten. Acht von 30 Betreibergesellschaften der Curata haben inzwischen Insolvenz angemeldet, darunter auch die zuständige GmbH für das Seniorenheim Fuchsenmühle.

Heimbewohner sind die Leidtragenden

Emmi Bollinger ist eine der Leidtragenden der Insolvenz. Jahrelang hat sie als Heimbewohnerin in der Fuchsenmühle gelebt. Dort hat sie auch Rainer, ihren Lebensgefährten, kennengelernt. Die plötzliche Schließung des Seniorenheims bedeutet ein jähes Ende ihres Liebesglücks: Die beiden werden getrennt, Rainer in einem anderen Heim untergebracht. "Das war schlimm, das ist jetzt noch schlimm. Ich habe ihn jetzt auch, glaube ich, schon seit zwei, drei Tagen nicht gesehen", sagt Emmi Bollinger.

Emmi Bollinger – nur ein Schicksal von vielen. Sie ist mittlerweile im Seniorenzentrum im unterfränkischen Röttingen untergebracht. Auch dieses Heim war lange in der Hand einer privaten Pflegekette. Damals gab es immer wieder Klagen über pflegerische Mängel. Nach langen Verhandlungen konnte das Kommunalunternehmen des Landkreises Würzburg das heruntergewirtschaftete Altenheim vor einem Jahr übernehmen.

Ruf der Einrichtung war beschädigt

Marcel Hendricks leitet seitdem die Einrichtung. Unter dem privaten Träger herrschte große Unruhe im Haus. Ständig gab es neue Führungskräfte, die vor allem sparen mussten. "Es wurde an allen Ecken gespart", berichtet Hendricks. "Es fing an bei dem Inkontinenzmaterial, bei den Bettdecken, die nicht ausreichend da waren, bei den Kopfkissen, es wurde Obst rationiert, es waren keine Joghurts für die Bewohner da. Das sind alles so Sachen gewesen." Mittlerweile gibt es wieder ausreichend Material und die pflegerischen Mängel sind längst beseitigt. Doch noch immer hat das kommunale Seniorenzentrum mit seinem Ruf zu kämpfen.

Forderung: Nur gemeinnützige private Träger zulassen

Es sind Geschichten wie diese, die den Vorsitzenden des Bundesverbandes der Kommunalen Senioreneinrichtungen, Alexander Schraml, immer wieder umtreiben. Er fordert, private Träger nur dann zuzulassen, wenn sie gemeinnützig arbeiten. "Die Pflegeheime werden zu einem ganz großen Teil aus Pflichtbeiträgen durch die Pflegeversicherung finanziert. Und es kann nicht sein, dass aus Pflichtbeiträgen Gewinne abgezogen werden, die nicht wiederum den Pflegeheimen zugutekommen oder den ambulanten Pflegediensten (…). Das muss der Gesetzgeber so regeln, dass das nicht passieren darf." Das bayerische Gesundheitsministerium räumt ein, dass der gesetzliche Rahmen privater Pflegeketten auf den Prüfstand gehöre. So heißt es: "Die Länder haben (…) den Bundesminister für Gesundheit gebeten, die Grundlagen der Einnahmenerzielung von (…) Pflegekonzernen einer Überprüfung zu unterwerfen."

Juristisch legal, für Betroffene hart

Zurück zum ehemaligen Seniorenheim Fuchsenmühle in Ochsenfurt. Nach der Insolvenz dort plant Curata schon wieder ein neues Heim in der Gegend. "Das zeigt die Masche dieser großen privaten Ketten", kritisiert der SPD-Landtagsabgeordnete Halbleib. "Das ist eigentlich unerträglich: Hier an dieser Stelle in dieser Art zu schließen und gleich ums Eck ein neues Pflegeheim mit einer neuen GmbH aufzumachen." Juristisch ist das alles legal. Mitarbeiter und Heimbewohner aber bleiben ohnmächtig zurück.

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