Bahnhof Flughafen Düsseldorf
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#Faktenfuchs: Nein, Fliegen ist nicht billiger als Zugfahren

Es könne nicht sein, dass auf bestimmten Strecken Fliegen weniger kostet als Bahnfahren: Der Vorstoß von Umweltministerin Schulze wurde auf BR24 diskutiert. Ist Fliegen wirklich so günstig? Der #Faktenfuchs zeigt: In Studien liegt die Bahn vorn.

"Fliegen ist die klimaschädlichste Art sich fortzubewegen", stellt das Umwelt-Bundesamt fest. Klimaschützer wie Greta Thunberg fahren bevorzugt mit dem Zug und der Begriff der Flug-Scham ist mittlerweile auch in Deutschland populär. "Es kann nicht sein, dass auf bestimmten Strecken Fliegen weniger kostet als Bahnfahren", erklärte Umweltministerin Svenja Schulze und sprach sich für eine Luftverkehrsabgabe aus.

Auch BR24-Nutzer diskutieren die Frage, ob Fliegen wirklich preisgünstiger ist als Zugfahren. "Wenn besonders billige Tickets offeriert werden, sind das nur einige wenige Tickets, der Rest ist alles andere als billig", behauptet zum Beispiel ein BR24-Leser in seinem Kommentar, "die billigen Tickets dienen in erster Linie Werbezwecken". Außerdem sei er auch schon mit der Bahn sehr günstig gereist. Ist das Fliegen so billig oder ist vielleicht sogar die Bahn günstiger? Der Faktenfuchs hat nachgefragt.

BDL: Besonders günstig vor allem Aktionspreise

Ein Flug von München nach Hamburg für 27 Euro oder von Berlin nach Malaga für 19,99 Euro: Eine einfache Suchmaschinen-Abfrage bringt in unserer Stichprobe etliche Ergebnisse in dieser Preisklasse. Wie kann das sein? Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) bestätigt unseren BR24-Kommentator:

"Flugtickets für wenige Euro sind nicht die Regel im Luftverkehr. Das sind vor allem Aktionspreise, um ansonsten übrig bleibende Restplätze zu verkaufen. Für jeden Passagier, der 19,99 Euro für ein Ticket bezahlt hat, sitzt auch jemand im Flugzeug, der ein Vielfaches davon bezahlt. Sonst wäre ein Flugzeug gar nicht wirtschaftlich zu betreiben", erklärt Nils Wigger, Pressesprecher beim BDL.

Billigairlines ab 50 bis 100 Euro kostendeckend

Auch wenn 20 Euro für den Urlaubsflug sehr wahrscheinlich einer Werbeaktion geschuldet sind, liegen die Preise bei Low-Cost-Airlines aber auch insgesamt sehr niedrig. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat in seinem "Billigfliegerreport" Flugpreise von Eurowings, Ryanair, Easyjet und Wizz unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Die Durchschnittspreise reichen von 50 Euro beim billigsten der vier Anbieter (Wizz) bis zu 106 Euro bei dem teuersten (Eurowings). Dieser Durchschnittspreis bezieht sich dabei auf den Bruttopreis für einen einfachen Flug aus einer repräsentativen Auswahl an Flugstrecken. Die Strecken hatten fast alle eine Entfernung zwischen 500 und 2.000 Kilometer.

Airlines mit dichtem Streckennetz: ab ca. 120 Euro kostendeckend

Auch Nils Wigger vom BDL erklärt, dass "Punkt-zu-Punkt-Fluggesellschaften" wie Ryanair oder Easyjet je nach Unternehmen zwischen 60 und 100 Euro bei Kurzstreckenflügen innerhalb Europas kostendeckend arbeiten können. Für Netzairlines liegt der Betrag höher. Die Lufthansa Group schreibt beispielsweise, dass auf Strecken bis zu 1.500 Kilometer der durchschnittliche One-Way-Ticketpreis bei 125 Euro liege.

"Punkt-zu-Punkt-Fluggesellschaften" bedeutet, dass anders als bei Netzanbietern kein flächendeckendes Netz mit Umsteigeverbindungen und häufigen Flugverbindungen unterhalten werden muss. Billiganbieter haben bei Non-Stop-Verbindungen nur jeweils einmal die Start- bzw. Landegebühren und Flughafennutzung zu begleichen und auch die reinen Flugzeiten als Kostenpunkt sind dadurch kürzer. Dies legt zum Beispiel das Branchenblatt airliners.de dar.

"Ein Flugpreis entsteht nicht durch die simple Addition der Kostenblöcke zu einem Gesamtpreis, sondern durch das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage“, erklärt Nils Wigger. „Dabei ist der Wettbewerbsdruck im Luftverkehr sehr hoch – und die Margen entsprechend niedrig, wenn man Luftverkehr mit anderen Branchen vergleicht."

Stichprobe: mit der Bahn nach Hamburg, dem Flugzeug nach Malaga

Nicht nur Flug- und Reiseunternehmen, auch die Bahn wirbt mit günstigen Angeboten - mit Flexpreisen, Sparpreisen und Supersparpreisen. Für oben genanntes Beispiel von München nach Hamburg bietet die Bahn während der Recherche zu diesem Artikel Tickets ab 19,90 Euro an. Damit wäre in unserer Stichprobe also die Bahn gerade günstiger als der 27 Euro Flug.

Das Zugticket von Berlin nach Málaga-Maria Zambrano (Hauptbahnhof) würde in unserer Momentaufnahme laut einer Internetplattform 557 Euro kosten, bei einer Kombi von Deutscher Bahn und der französischen SNFC. Sparmöglichkeiten durch eine Bahncard oder die Ersparnis, wenn Kinder bis 14 Jahren umsonst mitfahren, sind nicht mit einberechnet. Das 19,99 Euro-Flugangebot sind damit schwer zu toppen.

In umfangreicher Langzeitstudie liegt die Bahn vorne

Um eine zuverlässige Aussage zu treffen, ob Bahn oder Flug günstiger ist, hat die International Union of Railways (UIC) eine Dauererhebung beim unabhängigen Hamburger Marktforschungsinstitut Quotas GmbH in Auftrag gegeben. Von 2015 bis einschließlich 2017 hat das Institut mehr als 2.000 Ticketpreise auf verschiedenen Onlineplattformen erhoben – für die drei Reisetypen Geschäfts-, Wochenend- und Urlaubsreise sowie für verschiedene Zeitpunkte zwischen einem und 56 Tagen vor Reisebeginn.

"Die Untersuchungsergebnisse widerlegen den oftmals angenommenen Preisvorteil der Fluggesellschaften in der Kundenwahrnehmung. Bei den simulierten Buchungen war das Bahnangebot in allen Untersuchungszeiträumen mit jeweils über 80 Prozent deutlich günstiger. Im Jahr 2017 wurden fast 90 Prozent der Preisvergleiche durch die Bahn gewonnen", erklärt Quotas auf ihrer Webseite.
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Infografik zur Air-Rail-Price-Comparison Studie

Thomas Krautscheid, Abteilungsleiter Verkehr und Umwelt bei Quotas, hat auch beobachtet, wie sehr Bahn- und Flugangebot aufeinander reagieren. In Frankreich seien zum Beispiel Flugstrecken eingestellt worden, die der Hochgeschwindigkeitszug TGV in derselben Zeit bewältiget. Und nachdem die Bahn 2017 München – Berlin zur Schnellfahrstrecke ausgebaut hat, haben sich die Preise angeglichen, wie Krautscheid sagt. Der durchschnittliche Bahnpreis liege wenige Euro unter dem durchschnittlichen Flugpreis.

VCD-Studie: In 93 Prozent Bahn günstiger

Das Ergebnis, dass die Bahn vorne liegt, entspricht den Erfahrungen des ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD):

"Natürlich gibt es diese Fälle, in denen der Flugverkehr preiswerter ist, aber alle Studien, die ich gesehen und gelesen habe, kommen zum selben Schluss: Mehrheitlich ist die Bahn die preiswertere Alternative." VCD-Sprecher Philipp Kosok

Auch der Verkehrsclub hat schon Daten erheben lassen, für den "VCD Bahntest 2013/2014. Bahn-Flug-Preisvergleich im grenzüberschreitenden Verkehr". Das Ergebnis der Studie, die methodisch ähnlich aber weniger umfangreich war: "Bei 93 Prozent der untersuchten grenzüberschreitenden Städteverbindungen war die Bahn das preisgünstigere Verkehrsmittel."

Unterschiede in der Besteuerung

In der Debatte über Bahn- und Flugpreise wird oft das Thema "Steuern" thematisiert. Die Eckdaten: Kerosin wird nicht besteuert, der Strom, den die Bahn zum Betreiben der Züge benötigt, hingegen schon. Der Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent fällt bei innerdeutschen Flügen an, nicht aber bei internationalen Flügen. Fahrten mit der Deutschen Bahn unterliegen alle der Mehrwertsteuer.

Eine Kerosinsteuer würde das Fliegen in Deutschland mit einem Schlag verteuern. Neben einer Kerosinsteuer wird auch alternativ eine CO2-Abgabe bzw. Klimaschutzabgabe diskutiert. Frankreich will eine CO2-Steuer einführen.

Denkbar wäre, das klimafreundlichere Bahnfahren günstiger zu machen. Zwischen 20 und 30 Prozent, glaubt der VCD, wären drin. Das käme nicht nur Urlaubsreisenden, sondern auch vielen Pendlern zugute. Eine Reduzierung der Mehrwertsteuer sowie eine Übernahme der Trassenpreise durch den Bund, also die Gebühren für die Benutzung des Schienennetzes, könnten das ermöglichen.

Fazit:

Flüge können auf vergleichbaren Strecken punktuell günstiger sein als Bahnfahrten. Sehr günstige Flugpreise sind allerdings laut Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft vor allem Aktionspreise, um Restplätze zu verkaufen. Für einen kostendeckenden Betrieb liegen die Ticketpreise für innereuropäische Kurzstreckenflüge bei Billigfluglinien etwa zwischen 50 und 100 Euro. Das geht aus dem DLR-Billigfliegerreport hervor. Für Fluglinien, die komplette Flugnetze mit Umsteigemöglichkeiten und hoher Flugfrequenzen betreiben, liegt der entsprechende Preis bei ca. 120 Euro. In einer aktuellen Langzeitstudie, die der Weltverband der Eisenbahnen bei einem unabhängigen Institut in Auftrag gegeben hat, schneidet die Bahn preislich besser ab als das Flugzeug. Die Daten wurden hierbei für vielfrequentierte innereuropäische Strecken erhoben.

Eine startende Lufthansa-Maschine
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Wenn es nach Bundesumweltministerin Svenja Schulze geht, soll Fliegen teurer werden