Frau steht vor zwei Monitoren in einem Büro.
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Angela Trumheller, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei IHK FOSA Nürnberg prüft ausländische Berufsabschlüsse.

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Berufsanerkennung für Flüchtlinge: Spurensuche im Kriegsgebiet

Die Anerkennung ihrer Berufe erleichtert ausländischen Fachkräften den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt. Doch wie gelingt es, in einem Kriegsgebiet verifizierbare Behördenunterlagen zu beschaffen? Ein Einblick in die Arbeit der Profis.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Hier wird fast schon Detektivarbeit geleistet: Die IHK FOSA in Nürnberg ist ein bundesweites Kompetenzzentrum, das ausländische Berufsabschlüsse auf ihre Gleichwertigkeit mit Berufen der Industrie- und Handelskammern prüft. FOSA steht für Foreign Skills Approval – also die Anerkennung ausländischer Fähigkeiten. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter hier sind nach Ländergruppen aufgeteilt. Insgesamt sprechen sie 32 Sprachen. In der Regel beschäftigen sich Muttersprachler mit den Dokumenten.

Krieg erschwert Dokumentenbeschaffung in der Ukraine

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine stelle das Team vor neue Herausforderungen bei der Beschaffung und Prüfung erforderlicher Ausbildungs – oder Beschäftigungsnachweise, sagt Pavel Pokhorovsky, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter Anträge aus der Ukraine bearbeitet. Aktuell, erzählt er, befasse er sich mit dem Fall eines Antragstellers aus Mariupol. Der Ukrainer habe sein Arbeitsbuch als Arbeitsnachweis für seine Berufserfahrung geschickt. In dem Buch sei zwar das Einstellungsdatum eingetragen, das Enddatum der Beschäftigung fehle aber, so Pokhorovsky weiter.

Der Grund dafür sei, dass die Firma im Hafen von Mariupol, in der der Antragsteller gearbeitet hat, ausgebombt worden ist. Nach intensiver Suche sei es gelungen, den Arbeitgeber ausfindig zu machen und ein ordentliches Arbeitszeugnis zu bekommen. Dieser Nachweis sichert dem Antragsteller nun die volle Anerkennung seines Berufs als Elektroanlagenmonteur in Deutschland.

Einschätzung der Lage wird immer schwieriger

Die Anforderungen an die Mitarbeitenden änderten sich fast täglich, je nachdem, wie sich das Kriegsgeschehen entwickele – so beschreibt die Geschäftsführerin der IHK FOSA in Nürnberg, Heike Klembt-Kriegel die Arbeitssituation. Herausfordernd sei es inzwischen, bei Telefonaten mit ukrainischen Behörden zu erkennen, wer jetzt eigentlich gerade am anderen Ende der Leitung sitzt und das Gespräch entgegennimmt. "Wir müssen uns fragen, ist das noch unser bekannter Partner, mit dem wir vor dem Angriff gut zusammengearbeitet haben, den wir aus vielen Fällen vorher kennen oder sind da bereits institutionelle Einheiten geschaffen, die schon unter russischer Kontrolle sind und gefährden wir vielleicht Menschen, wenn wir Anfragen stellen", so Klembt-Kriegel.

Auch die Situation auf der Krim verändert sich

Heike Klembt-Kriegel schildert ein weiteres Fallbeispiel: "Auf der Krim, wo wir sehen, das war früher mal eine ukrainische Schule, jetzt wurde da plötzlich eine Schule übernommen, anderes Logo, andere Flagge drauf – wie gehen wir mit solchen Abschlüssen um? Ist es ein ukrainischer Abschluss, ist es ein russischer Abschluss vielleicht? Solche Rechtsfragen stehen gerade aktuell an". Fragen wie diese, so die Geschäftsführerin, könnten etwa in Kooperation mit dem Auswärtigen Amt gelöst werden. Fakt sei, dass die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr Zeit investieren müssen, um zu recherchieren, wo in der Ukraine man sich neue Ansprechpartner suchen könne. Zum Glück, so Klembt-Kriegel, verfüge man über langjährige Erfahrung mit ukrainischen Abschlüssen. Diese helfe dabei, den Zeitaufwand etwas zu kompensieren.

Trotz hohen Aufwands: Verfahrensdauer verlängert sich bisher nicht

Trotz intensiver Gespräche und Recherchen, die geführt werden müssten, können die beruflichen Anerkennungsverfahren aus der Ukraine in der Regel nach den üblichen drei bis vier Monaten abgeschlossen werden, sagt die Geschäftsführerin der IHK Fosa, Heike Klembt-Kriegel. Und Angela Trumheller vom Team Ukraine ergänzt, man könne auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen, da schon seit Gründung der IHK FOSA im Jahr 2012 ukrainische Berufsanerkennungsverfahren bearbeitet würden. "Wir haben ein gutes Wissensmanagement aufgebaut, eine gute Basis geschaffen, sodass wir die Informationen jetzt nutzen können, um das Anerkennungsverfahren in dem Bereich voranzutreiben", so Trumheller weiter.

Nachfrage nach Berufsanerkennung steigt

Die Zahl der Anträge auf Berufsanerkennung steige seit Gründung der IHK FOSA 2012 jedes Jahr, so Geschäftsführerin Heike Klembt-Kriegel. Höhere Zuwächse gab es 2020 wegen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes und 2022 wegen Putins Angriffskrieg auf die Ukraine. Da habe man 11.500 Anträge auf Berufsanerkennung bearbeitet, so Klembt-Kriegel weiter.

Es spricht sich herum, dass eine Berufsanerkennung ausländischen Arbeitskräften nicht nur einen schnelleren, sondern eben auch einen gleichwertigen Berufseinstieg in den deutschen Arbeitsmarkt ermöglicht. Die Jobchancen erhöhen sich vor allem deshalb, weil deutsche Arbeitgeber bei einer vollen Berufsanerkennung den Nachweis haben, dass der Bewerber aus dem Ausland einen Beruf erlernt hat, der einem deutschen Referenzberuf entspricht.

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