Ein Hinweisschild, das den Weg zu einem Arzt weist.
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AOK: PKV-Studie zu Landärzten in Bayern "nicht nachvollziehbar"

Der PKV-Verband hat vorgerechnet, dass Privat-Honorare in Bayern auf dem Land eine wichtigere Rolle für die ärztliche Versorgung spielen als in Ballungszentren. Das Wissenschaftliche Institut der AOK sieht in der Studie aber grobe Fehler.

Über dieses Thema berichtet: Wirtschaft kompakt am .

"Die Mehrumsätze der Privatpatienten tragen nachweislich zu einer besseren medizinischen Versorgung bei" – Mit diesen Worten kommentiert der Verband der Privaten Krankenversicherung eine Studie, die sein Wissenschaftliches Institut (WIP) erstellt hat. Im "PKV-Regionalatlas Bayern" wird untersucht, welchen Anteil Privathonorare am Erlös von Arztpraxen ausmachen.

Das PKV-Institut kommt zu dem Ergebnis, in München betrage der "reale Mehrumsatz" durch Privatversicherte, den Arztpraxen über die Einnahmen aus der Behandlung von Kassenpatienten hinaus erzielen, durchschnittlich 47.405 Euro im Jahr. Im oberfränkischen Landkreis Wunsiedel liege der PKV-Mehrumsatz hingegen bei 81.755 Euro. Und im niederbayerischen Landkreis Regen hätten Praxen "sogar 90.483 Euro" "realen Mehrumsatz" durch Privatversicherte.

Der PKV-Verband zieht daraus den Schluss, die Privatversicherten würden einen sehr wichtigen Beitrag dazu leisten, dass auf ganz Bayern genug Arztpraxen verteilt sind. Denn "die Mehrumsätze, die es ohne Private Krankenversicherung nicht gäbe, stärken die Standortqualität insgesamt", so der PKV-Verband.

Ungleiche Verteilung

Der Spitzenverband der Privatversicherer räumt zwar selbst ein, dass es beispielsweise im oberfränkischen Landkreis Wunsiedel nur 147 Arztpraxen je 100.000 Einwohner gibt, während es im Großraum München 287 sind, also fast doppelt so viele. Doch der PKV-Verband gibt sich überzeugt: "Die geringere Zahl der Ärztinnen und Ärzte auf dem Land kann nicht an der Zahl der Privatversicherten liegen". Für die Standortentscheidungen der Praxisinhaber seien "andere Kriterien, wie zum Beispiel Urbanisierung maßgebend".

Scharfe Kritik vom AOK-Institut

Beim Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) löst diese Argumentation Kopfschütteln aus. Der Leiter des Forschungsbereichs Ambulante Analysen und Versorgung am WIdO, Hendrik Dräther, hat sich auf Anregung des BR den "PKV-Regionalatlas Bayern" genauer angeschaut. Sein Urteil: "Nicht nachvollziehbar." So ist ihm zum Beispiel unverständlich, warum die Statistiker des PKV-Instituts annehmen, dass Privatversicherte nur dort zum Arzt gehen, wo sie wohnen. Nur wenn das so wäre, würden sie an ihrem Heimatort durch Privathonorare die ärztliche Versorgung stärken.

Tatsache sei aber, dass Patienten aus ländlichen Regionen für Arzttermine oft in Ballungszentren wie München oder Nürnberg fahren, vor allem wenn es um die Behandlung bei Spezialisten geht. Arztpraxen in Großstädten profitierten also nicht nur von den Privatversicherten, die im jeweiligen Ballungsraum leben, sondern auch von Patienten, die von außen kommen, erklärt Dräther. In die Gegenrichtung, von der Großstadt aufs Land, gebe es hingegen kaum Bewegung.

Unverständlich findet der Mathematiker auch die Annahmen seiner Kollegen vom PKV-Institut über unterschiedliche Praxiskosten. So rechnet das PKV-Institut mit der allgemein anerkannten Tatsache, dass Mieten etwa in München oder Nürnberg höher sind als im Bayerischen Wald oder im Fichtelgebirge – auch die Praxismieten. Daraus schließt das PKV-Institut, dass Privatversicherte in ländlichen Regionen nach Abzug etwa von Mietkosten einen höheren Beitrag zum Umsatz einer Praxis leisten als in Großstädten.

Das aber setze die Annahme voraus, dass alle Arztpraxen quer durch Bayern gleich groß sind, kritisiert der WIdO-Forscher Dräther. Doch das sei "nicht haltbar". Denn die Erfahrung zeige, dass Praxisbetreiber in Großstädten versuchen, ihre Kosten zu begrenzen, etwa indem sie kleinere Praxen mieten.

Unsinnig findet Dräther es auch, bei Berechnungen alle ländlichen Regionen so zu behandeln, als ob es keine wirtschaftlichen Unterschiede zwischen ihnen gäbe: "Das darf man nicht machen." Im überdurchschnittlich wohlhabenden Landkreis Starnberg etwa ist die Arztdichte nach Daten der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns bei HNO-Ärzten rund doppelt so hoch wie im weniger reichen Landkreis Landshut. Bei Orthopäden und Kinderärzten ist die Arztdichte in Starnberg jeweils rund um die Hälfte höher als in Landshut. Beide Landkreise nach dem Kriterium "ländlich – nicht städtisch" zu behandeln, ergebe keinen Sinn, argumentiert Dräther.

Schädlich für wissenschaftliche Diskussion?

Der Forscher des AOK-Instituts findet die Berechnungen seiner Kollegen vom PKV-Institut daher "mindestens fragwürdig". Denn das WIP sei, wie auch schon bei einer Vorgänger-Studie, nach dem Prinzip vorgegangen, "Annahmen zu Ergebnissen machen." Wenn Forschungsinstitute der Krankenversicherer die gesundheitspolitische Diskussion voranbringen wollten, sei es aber wichtig, dass sie möglichst objektive Berechnungen vorlegen, findet Dräther.

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