Der Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen versucht Medizinstudenten das Landleben schmackhaft zu machen.
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Weißenburg-Gunzenhausen wirbt um Medizinstudenten

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Landarztmangel: So werden Medizinstudenten aufs Land gelockt

Die Maßnahmen gegen den Mangel an Landärzten werden immer kreativer: Der Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen versucht nun Medizinstudenten mit einer Ferienakademie und Ausflügen in die Natur aufs Land zu locken.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit - Franken am .

Für die Teilnehmer der Ferienakademie steht ein präpariertes Stück Schweinebauch im Klinikum Gunzenhausen bereit. Fünf Medizinstudierende werden daran gleich üben, wie man eine Thoraxdrainage anlegt. Dieser Schlauch durch den menschlichen Brustkorb kann Leben retten. Er soll überflüssige Luft oder Flüssigkeit aus dem Lungenraum abtransportieren, damit sich eine verletzte Lunge wieder entfalten kann. "In einen Menschen reinzustechen, kostet Überwindung", sagt Oberarzt Thomas Sommerer in seiner Vorrede. "Manchmal muss man schnell und rabiat sein." Im Medizin-Studium haben die fünf Studierenden aus Marburg, Hannover und Erlangen die Thoraxdrainage bisher nur theoretisch kennengelernt.

"Medizinische Ferienakademie" will Mediziner aufs Land locken

Diese praktische Übung ist Teil der mehrtägigen Medizinischen Ferienakademie, mit der die "Gesundheitsregion" im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen seit 2016 angehende Ärztinnen und Ärzte aufs Land locken will. Celina Schneckenberg entdeckte das Angebot auf der Webseite der Uni Marburg und entschied sich, mitzumachen.

Besuche in rund 20 verschiedenen Arztpraxen stehen auf dem Programm: Beim Urologen, der Venenspezialistin, dem Augenarzt – aber auch in den beiden Kliniken und einer Allgemeinarztpraxis. Die praktischen Workshops kommen gut an und sind eine gute Ergänzung zum theoretischen Studium. "Ich habe in den zwei Tagen mehr Ultraschall geübt als in acht Semestern Studium", sagt Kursteilnehmerin Carlotta Ebert. "Die Schilddrüse, die Venen, die Blase, alles einmal durch."

Werbung fürs Landleben: Arzt redet offen

Oberarzt Thomas Sommerer redet sehr offen mit den fünf Studierenden. "Ich stamme aus der Gegend hier. Früher hätte ich gedacht, ich erschieß’ mich, wenn ich wieder hierhin zurückmuss", sagt er. Der Anästhesist und Notfallmediziner war lange in München und arbeitet jetzt am Klinikum Altmühlfranken in Gunzenhausen auf der Intensivstation. Die Arbeit im ländlichen Raum habe Vorteile. "In München interessiert sich keiner dafür, ob du da bist. Hier freuen sich alle."

Alle fünf Kursteilnehmer und -teilnehmerinnen dürfen nun am Schweinebauch üben: Die Haut aufschneiden, ein Loch zwischen die Rippen bohren, den Schlauch durchstechen, festnähen. "Man merkt, dass die Ärzte hier Lust haben, uns etwas beizubringen", sagt Celina Schneckenberg anschließend. "Im Uniklinikum hat man oft eher das Gefühl, man stört die Ärzte bei der Arbeit, wenn man etwas lernen will.“

Landarztprämie soll Jungärzte anlocken

Zum Programm der Medizinischen Ferienakademie gehört auch die Aufklärung über finanzielle Förderung. Junge Medizinerinnen können die sogenannte Landarztprämie in Höhe von 60.000 Euro beantragen, wenn sie sich im ländlichen Raum niederlassen. Derzeit werden im Landkreis Weißenburg dringend Kinderärzte und Kinder- und Jugendpsychiater gesucht. Es fehlen auch Hausärzte, ein Hautarzt und mindestens ein Gynäkologe.

An den beiden Standorten des Klinikums Altmühlfranken mit Häusern in Weißenburg und Gunzenhausen gibt es einen Personalbedarf von rund 120 Ärzten. "Derzeit sind alle Stellen besetzt", sagt Vorstand Christoph Schneidewin, fast ein bisschen erstaunt. Die Hoffnung ist, dass die jungen Medizinerinnen durch die Kontakte in die Region wiederkommen.

Studierenden gefällt es im Seenland

Die Studierenden schließen das nicht aus. Celina Schneckenberg will auf jeden Fall für einen Wanderurlaub zurückkommen und sich die hübschen Städtchen hier genauer ansehen. "Ich komme aus NRW und habe genug von plattem Land, Industriebrachen und hässlichen Städten", sagt sie. Das Fränkische Seenland lernen die Teilnehmer der Ferienakademie bei Ausflügen kennen: Klettern steht da auf dem Programm oder Kanufahren mit Ärzten auf dem Brombachsee. Den Anwärtern gefällt es, so umworben zu werden. "Es ist schön, willkommen zu sein", sagt Alexander Söltner aus Erlangen.

Werbung zeigt Wirkung: Medizinerin ist geblieben

Die Medizinische Ferienakademie im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen ist vom Bayerischen Gesundheitsministerium als gutes Beispiel ausgezeichnet worden. Vor der Corona-Zeit fand das Programm vier Mal statt, jetzt zum fünften Mal.

"Ich sehe immer wieder Leute aus der Ferienakademie in der Region, bei Praktika oder dem verpflichtenden Praxisjahr“, sagt die gebürtige Sächsin Franziska Büttner. Sie selbst war eine der ersten Absolventinnen. Jetzt arbeitet sie als Ärztin in einer Treuchtlinger Hausarztpraxis. Ihr gefällt, dass die Arbeit so vielseitig ist und sie ein gutes Verhältnis zu den Patienten hat. Und dass Medizinerinnen und Mediziner einen herzlichen Kontakt untereinander pflegen. Für Franziska Büttner ist klar: "Ich will nicht mehr weg."

Eine Medizinstudentin legt an einem Schweinebauch eine Thoraxdrainage, ein Arzt leitet sie an.
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Mit einer "Medizinischen Ferienakademie" will der Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen angehende Ärzte anlocken.

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