Die Netzstecker verschiedener Geräte sind in einem Wohnzimmer in eine Steckdosenleiste gesteckt.
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Die Deutschen kaufen gerade sehr viele Elektro-Heizgeräte.

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Ansturm auf elektrische Heizgeräte: Genug Strom im Winter?

In Deutschland gibt es gerade einen enormen Ansturm auf elektrische Heizgeräte für den Winter. Das könnte die Stromanbieter überfordern. Ein Stresstest soll Klarheit bringen, ob die Stromversorgung hält.

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In einem zweiten Stresstest soll die Sicherheit der Stromversorgung in Deutschland unter verschärften Bedingungen überprüft werden. Diesen Auftrag hat das Bundeswirtschaftsministerium den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern erteilt. Es gehe darum festzustellen, ob die Versorgungssicherheit im Stromsektor und der sichere Betrieb des Netzes unter verschärften Annahmen gewährleistet seien, teilte das Ministerium in Berlin mit. Mit Ergebnissen sei "in den nächsten Wochen" zu rechnen.

  • Zum Artikel: "Bayern fordert vom Bund sofortiges Ausrufen der Gasnotlage"

Elektrische Heizgeräte teilweise ausverkauft

Der Ansturm der Deutschen auf mobile elektrische Heizgeräte ist enorm – aus Furcht, dass es im Winter zu wenig Gas geben könnte. Diese Geräte waren bereits kurzzeitig ausverkauft, berichten Bau- und Elektromärkte. Das lässt für den nächsten Winter auf einen steigenden Verbrauch schließen und könnte für die Stromwirtschaft zu einer Belastungsprobe werden. Gerade in den kältesten Monaten, wenn Photovoltaik-Anlagen am wenigsten Strom liefern, ist der allgemeine Verbrauch ohnehin am höchsten. Das gilt insbesondere für Privathaushalte, die 70 Prozent ihres gesamten Energieverbrauchs für das Heizen aufwenden. Und der Strom könnte dabei wichtiger werden.

Bundesregierung fordert Stromwirtschaft zum zweiten Stresstest in kurzer Folge auf

Aufgerüttelt durch die zunehmenden Ausfälle zahlreicher französischer Atomkraftwerke führt die Bundesregierung erneut einen Stresstest für die deutsche Stromwirtschaft durch. Ein Ergebnis könnte sein, dass wie in Frankreich auch in Deutschland für den Winter viele zusätzliche Kohlekraftwerke wieder in Betrieb gehen müssten, damit es nicht zu einer Mangellage kommt mit drohenden Stromausfällen.

Zu dem erstmals wohl fehlenden französischen Atomstrom kommt die drohende Abschaltung von Erdgas aus Russland, das dann nicht mehr wie bisher zur Verstromung in deutschen Kraftwerken zur Verfügung stünde. Außerdem sollen Ende Dezember vor dem eigentlichen Winter die letzten deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet werden.

Verbraucher wollen mit Strom heizen statt mit Gas

Nur die wenigsten Haushalte können, statt mit Gas oder mit Öl zu heizen, beispielsweise auf Holz umsteigen, weil sie etwa einen Kaminofen zur Verfügung haben. Auf der Verbrauchseite ist also damit zu rechnen, dass viele Haushalte, um teures Gas zu sparen, im nächsten Winter zusätzlich verstärkt mit Strom heizen. Heizlüfter, Konvektoren oder Infrarotheizung kommen dann punktuell zum Einsatz, direkt wo sie gebraucht werden, statt flächenmäßig die ganze Wohnung damit aufzuwärmen.

Elektroautos: Ladestationen könnten von Strom-Einsparung betroffen sein

Im Fall einer Gasrationierung könnte der private Stromverbrauch sogar massiv zunehmen. Im Gegenzug müssten dann als erstes die Ladestationen für Elektroautos heruntergefahren werden. Deren Ladezeiten würden sich damit erheblich verlängern. Bei der Einrichtung einer Wallbox oder von anderen privaten Ladestationen behalten sich die Stromanbieter ein solches "Kürzungsrecht" in der Regel ausdrücklich vor. Falls es rund um den Ladepunkt zu Engpässen kommt, etwa in einer Tiefgarage oder in der Nachbarschaft, wird der Verbrauch hier gedrosselt.

Habeck verweist auf ersten erfolgreichen Stresstest

Ein erster Stresstest, der von den beauftragten Stromversorgern vom März bis zum Mai dieses Jahres durchgeführt wurde, kam zu dem Ergebnis, dass die Versorgungssicherheit im kommenden Winter gewährleistet ist. Das sollte auch schon für den Fall gelten, dass russische Gaslieferungen ausfallen, der Gaspreis dadurch stark ansteigt und zugleich einige französische Atomkraftwerke nicht am Netz wären. Daraus schloss Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck (Grüne):

"Fakt ist: Wir haben ein Gasproblem. Beim Strom sieht es anders aus. Die Versorgungssicherheit im Strombereich ist auch unter verschärften Bedingungen gewährleistet, wie der erste Stresstest zeigt. Um die Vorsorge weiter zu stärken, haben wir jetzt einen zweiten Stresstest veranlasst. Er betrachtet noch mal zugespitzte Szenarien." Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck (Grüne)

In Bayern Versorgungslage schwieriger als in anderen Bundesländern

Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, außerdem werde man die Sondersituation in Süddeutschland diesmal besonders in den Blick nehmen. Es gebe in Bayern zwar Gaskraftwerke, aber wenig Kohlekraftwerke und auch wenige Windkraftanlagen. Die bayerische Staatsregierung ist deshalb gegen die geplante Abschaltung der letzten deutschen Kernkraftwerke zum Ende des Jahres. Es fehlen außerdem die neuen Stromtrassen, die den Freistaat im Süden mit der Überproduktion von Strom aus norddeutschen Windkraftanlagen versorgen könnten. In der Summe produziert Bayern zwar viel Strom selbst, vor allem auch mit Photovoltaik-Anlagen. Der Verbrauch ist wegen der starken Wirtschaft und Industrie aber umso höher, so dass Bayern unterm Strich beim Strom besonders stark am Tropf der anderen hängt, sowohl im Inland als auch im Ausland.

In der Tat hat sich seit Ende des ersten Stromstresstests im Mai schon wieder einiges getan bei der Versorgungslage. So ist inzwischen unklar, ob und wann Russland die Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 wieder aufnimmt, und ob Putin dieses Druckmittel nicht weiter nutzen wird und den Gashahn eines Tages ganz abdreht.

Frankreich überraschend in Stromversorgungskrise geraten

Die französischen Atomkraftwerke, von denen zeitweise mehr als 50 in Betrieb waren, galten immer als eine Art Rückgrat der europäischen Stromnetze, vor allem bei der sogenannten Grundlast, also im Dauerbetrieb rund um die Uhr, wo die Energie gleichmäßig und ständig zur Verfügung stehen sollte.

Doch extreme Temperaturen und eine Trockenheit in weiten Teilen des Landes setzen in diesem Jahr den französischen Flüssen zu. Die Folge sind Niedrigwasser und erhöhte Wassertemperaturen, die eine zusätzliche Verwendung als Kühlwasser für Atomkraftwerke mancherorts unmöglich machen.

Warmes Klima und unerwartete Pannenserie bei französischen AKW

Hinzukommen eine überraschend hohe Zahl von Schwachstellen, die bei der diesjährigen Sommerwartung einiger AKW zum Vorschein kamen und nun langwierige Reparaturen erforderlich machen. Ein Großteil dieser Kernkraftwerke wird wohl im anstehenden Winter noch nicht wieder voll betriebsbereit sein.

Aus diesen Gründen musste Frankreich in den letzten Wochen auf dem europäischen Markt so viel Strom zukaufen, dass die kurzfristigen Marktpreise für Großabnehmer stark gestiegen sind. Stromimporte aus dem Ausland verteuerten sich dadurch rasant und bescherten dem staatlichen französischen Energiekonzern EDF (Electricité de France) Milliardenverluste. Der Konzern darf diese hohen Einkaufspreise nach dem Willen der Regierung nicht an die Verbraucher weitergeben.

Aus Gas-Krise könnte eine Strom-Krise werden

Die Regierung in Paris hat die Strompreise gedeckelt und schnürte zugleich ein staatliches Rettungspaket für EDF einschließlich Verstaatlichung der restlichen Aktien, um dem wichtigsten Versorger direkt helfen zu können. Nach der Gasknappheit könnte in Europa also auch Strom knapp und teuer werden.

Dabei schneiden Deutschland und Frankreich trotz aller beschriebenen Probleme noch vergleichsweise gut ab bei der Versorgungslage. Schließlich könnten beide Länder kurzfristig zahlreiche Kohlekraftwerke wieder in Betrieb nehmen und damit fehlenden Strom aus Gas- und Atomkraftwerken ersetzen. Es gibt nämlich Länder wie die Schweiz, die nicht einfach zusätzliche Kapazitäten reaktivieren können, um mögliche Engpässe zu überbrücken.

Schweizer Regierung rechnet bereits mit möglicher Notlage

Bei der Regierung in Bern gibt es bereits Krisenszenarien, wonach die Eidgenossen Strom sparen und Handelsketten wie Migros oder Coop einen Großteil ihrer Filialen schließen müssten. In letzter Konsequenz ist in dem Schweizer Krisenplan sogar von Powercuts, also bewussten Abschaltungen des Stroms in abwechselnden Bereichen und Regionen die Rede. Doch dazu muss es noch lange nicht kommen. Feststeht aber: Ohne Gas aus Russland und Stromimporte von französischen AKW könnte die Schweiz ihre Stromproduktion nicht genügend hochfahren, um ihre Bevölkerung ausreichend zu versorgen. Das ist in Deutschland und Frankreich anders.

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