Trikots der deutschen Fußball-Nationalmannschaft EM 2024
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Daniel Karmann

Nicht mehr oft werden die Spieler der Fußball-Nationalmannschaft in Trikots von Adidas auflaufen. Ab 2027 werden sie von Nike ausgestattet.

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Adidas: Die Hintergründe für den Wechsel des DFB zu Nike

Der Deutsche Fußball-Bund beendete völlig überraschend nach 70 Jahren praktisch über Nacht die Partnerschaft mit Adidas. Stattdessen werden ab 2027 die Nationalelf und viele Nachwuchsteams von Nike ausgestattet. Welche Hintergründe es geben könnte.

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Adidas war offenbar ahnungslos: Der Deutsche Fußball-Bund beendet nach 70 Jahren praktisch über Nacht die Partnerschaft zugunsten des US-Konkurrenten Nike: "Wir sind vom DFB heute (21. März) darüber informiert worden, dass der Verband ab 2027 einen neuen Ausrüster haben wird" teilte ein Adidas-Sprecher auf dpa-Anfrage mit.

Bis Ende 2026 werden die Nationalelf und viele Nachwuchsteams noch von Adidas ausgestattet, dann ist der Rivale Nike an der Reihe - der größte Sportartikelhersteller der Welt.

Wettbewerb der Ausstatter - um Superstars und Top-Vereine

Längst vorbei sind die Zeiten, in denen Adidas zumindest den Fußball dominierte, während Nike sich auf Laufschuhe und andere Sportarten wie Basketball beschränkte und man sich kaum ins Gehege kam. Auch für deutsche Fußballfans zählt inzwischen, ob Messi oder Ronaldo von Adidas, von Nike oder vielleicht auch von Puma ausgestattet werden und wer dabei welche Fußballschuhe trägt.

Nationalmannschaft verliert zunehmend an Bedeutung bei Fans

Bayern oder Dortmund, Barcelona oder Paris St. Germain? Das ist vielleicht die nächste Frage, die sich Fans stellen. So kann die Werbung für einen Champions League-Teilnehmer wichtiger sein als für eine Nationalmannschaft. Der Fußball-Markt ist europäisch und zum Teil sogar global aufgestellt und spielt sich nicht mehr so stark wie in vergangenen Jahrzehnten in nationalen Größenordnungen ab, gerade auch wegen der sozialen Medien und der internationalen Internetpräsenz einzelner Stars und Vereine. Von einer solchen Entwicklung kann der Deutsche Fußball-Bund kaum profitieren.

Mehr DFB-Präsenz mit Nike und TikTok als mit Adidas?

Die deutsche Nationalmannschaft und der Sportartikelhersteller aus Franken waren Jahrzehnte praktisch unzertrennlich. Unvorstellbar wäre es gewesen, dass die deutschen Fußballspieler auf der internationalen Bühne nicht in den drei Streifen aus Herzogenaurach aufgelaufen wären. Man denke nur an die Zeit eines Franz Beckenbauer oder von Lothar Matthäus als Kapitän der DFB-Auswahl. Doch die Zeiten haben sich geändert. Es scheint, als versprächen sich die DFB-Chefs von Nike und TikTok mehr Präsenz der Nationalmannschaft in den Medien und sozialen Netzen.

Welche Rolle spielen fehlende sportliche Erfolge bei EM und WM?

Andererseits haben DFB und Nationalmannschaft in den vergangenen Jahren wegen ausbleibender sportlicher Erfolge seit dem WM-Titel von 2014 an Ansehen verloren und in Teilen der Fangruppen so etwas wie ein Verlierer-Image bekommen. Das wirkt sich auf die Attraktivität für Sponsoren aus.

So hätte sich die Nationalelf für die Europameisterschaft in Deutschland womöglich nicht aus eigener Kraft qualifizieren können. Der DFB verzichtete auf eine freiwillige Teilnahme an der Qualifikation, um "flexibler bei den Terminen" zu bleiben bei der Auswahl der Testspiele wie gegen Frankreich. Die deutsche Nationalelf darf ja auf jeden Fall mitspielen, weil sie die Mannschaft des gastgebenden Landes ist.

DFB-Affären wirken noch nach

Außerdem hat der DFB ernsthafte wirtschaftliche Probleme wegen diverser Affären und dem Rückzug einiger Sponsoren. So wollten große Brauereien, die sonst immer vorne mit dabei waren, zuletzt für Werbung mit dem DFB nicht mehr die gewohnten Summen aufbringen. Bier und Fußball, auch das ist eine alte Allianz, die zumindest bei der Nationalmannschaft inzwischen teilweise infrage steht.

Fehlt dem DFB die nötige Integrität, um ein guter Werbepartner zu sein? Bis heute ungeklärt sind die näheren Umstände der WM-Vergabe von 2006 nach Deutschland mit dem Vorwurf der Bestechlichkeit. Trotz zahlreicher Rücktritte beim DFB drohten deshalb steuerliche Nachforderungen von den Finanzbehörden bis hin zum Entzug der Gemeinnützigkeit.

Das alles hat Spuren hinterlassen. In den Sog negativer Veröffentlichungen und von schlechter Publicity war auch Franz Beckenbauer geraten, der im Vorfeld der Weltmeisterschaft von 2006 ein Jahrzehnt lang weltweit für die Vergabe intensiv geworben hatte. Inwieweit die Kritik an Beckenbauer gerechtfertigt oder überzogen war, blieb offen.

DFB: "Haben Adidas sehr viel zu verdanken"

Zu der überraschenden Ankündigung des Wechsels von Adidas zu Nike noch vor der anstehenden Europameisterschaft äußerte sich DFB-Präsident Bernd Neuendorf in einer Erklärung: "Bis Dezember 2026 werden wir uns mit aller Kraft für den gemeinsamen Erfolg mit Adidas engagieren", dem Unternehmen habe der deutsche Fußball seit mehr als sieben Jahrzehnten sehr viel zu verdanken.

Außerdem gab der DFB gleichzeitig bekannt, die Zusammenarbeit mit der Internet-Plattform TikTok vertiefen zu wollen, um die Außendarstellung der deutschen Spieler rund um das Team der Nationalmannschaft zu verbessern. Der Fußball-Bund will vom Erfolg der Plattform TikTok profitieren.

Nike bot deutlich mehr – vielleicht zu viel?

Aber, so die DFB-Mitteilung weiter, Nike habe das "mit Abstand beste wirtschaftliche Angebot abgegeben und zudem mit seiner inhaltlichen Vision überzeugt, die auch ein klares Bekenntnis für die Förderung des Amateur- und Breitensports sowie die nachhaltige Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland beinhaltet."

Erstaunlich ist, dass Adidas laut DFB den deutschen Fußball in seiner Breite mit Millionen von Vereinsmitgliedern offenbar nicht genauso gut hätte fördern können wie der US-Hersteller Nike.

"Follow the Money"

Wenn es stimmt, was die BILD-Zeitung berichtet, dann hängt die Entscheidung mit einem Angebot von Nike zusammen, das die DFB-Bosse um Präsident Neuendorf bekamen. Es soll sich um mehr als 100 Millionen Euro jährlich im Zeitraum von 2027 bis 2034 handeln. Ein Betrag, von dem offenbar bekannt war, dass Adidas so viel niemals bieten würde.

Zudem ist bekannt, dass der DFB inzwischen knapp bei Kasse ist. So hat der Bau der großen Fußball-Akademie Frankfurt nicht wie ursprünglich einmal geplant 77 Millionen Euro gekostet, sondern bisher das Doppelte verschlungen.

Nike auch wesentlich finanzstärker als Adidas

Der Deal sei nicht nur bitter für den neuen Adidas-Chef Björn Gulden, der seit einem Jahr dabei ist, vieles zu erneuern, heißt es im Manager Magazin. Der Deal zeige auch, wie es um den deutschen Fußball bestellt sei, so das Blatt.

In der Tat hat – anders als der deutsche Vereinsfußball, der weiterhin boomt – gerade der DFB und eben auch die Nationalmannschaft in den vergangenen Jahren viel an Ansehen verloren. Mit diesem Image hat Adidas zum unverhofften Abschied ein wenig gespielt, indem man der Nationalelf ein unkonventionelles Auswärts-Trikot in den Farben Pink und Lila verpasste.

Grundsätzlich ist Nike vom Börsenwert und der Finanzkraft her mit großem Abstand die Nummer eins. Der Marktwert der Nike-Aktien lag zuletzt bei 153 Milliarden Dollar, das war fast viermal so viel wie bei Adidas. Die internationale Medienpräsenz, die von einer Fußball-EM oder WM ausgeht, ist für Nike vielleicht auch am wichtigsten. Bei der Frage, welche Teams in Adidas-, Nike- oder vielleicht auch in Puma-Trikots auflaufen, können sich die US-Amerikaner auf jeden Fall den größten Werbe-Etat leisten.

Puma: volle Konzentration auf Vereinsfußball bei RB Leipzig

Bei Puma, dem fränkischen Lokalrivalen von Adidas, der sich stellenweise immer noch gut gegen dessen Dominanz behaupten kann, ging es in der Vergangenheit um die vermeintlich "kleineren" Fußballnationen wie etwa aus afrikanischen Ländern. So wurde 2023 erst eine langfristige Vereinbarung mit der Confédération Africaine de Football (CAF) erneuert.

Zuletzt sponserte Puma auch die israelische Fußball-Nationalelf. Dieser Werbevertrag läuft jedoch 2024 aus und war bereits 2022 beendet worden, was daher keine Reaktion auf den aktuellen Konflikt zwischen Israel und der Hamas im Gaza-Streifen sein kann.

Auch in Indien tritt Puma verstärkt als Trikotsponsor auf, wie beim Erstligisten Royal Challengers Bangalore (RCB). In Deutschland wäre bei Puma vor allem der RB Leipzig zu nennen, wo die Franken ab der Spielzeit 2024/25 neuer Ausrüster sein werden. Auch im Frauenfußball will Puma-Chef Arne Freundt anscheinend ebenfalls neue Akzente setzen.

Allerdings scheint mit der DFB-Entscheidung für Nike klar zu sein, dass der US-Konzern aus dem US-Bundesstaat Oregon sich auch in Deutschland als mindestens ebenbürtig zu den fränkischen Traditionsherstellern Adidas und Puma positionieren kann.

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