Frans Krätzig im Aufwärm-Trikot des FC Bayern München
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Frans Krätzig im Aufwärm-Trikot des FC Bayern München

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Geplatzte Transfers beim FC Bayern: Chance für die Jugend?

Im Kader des FC Bayern München klaffen nach der Sommertransferperiode große Lücken. Was die sportlichen Ziele in Gefahr bringt, könnte die große Chance für die Nachwuchsspieler sein. Doch gibt es Talente, denen man diesen Sprung zutrauen könnte?

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Drei Innenverteidiger, drei zentrale Mittelfeldspieler, ein wettbewerbsfähiger Rechtsverteidiger: Nach den gescheiterten Verpflichtungen von João Palhinha, Armel Bella-Kotchap und Trevo Chalobah am letzten Tag der Transferperiode ist der FC Bayern München so dünn besetzt wie seit Jahren nicht mehr. Mindestens bis zur Winterpause kann Trainer Thomas Tuchel nur auf einen sehr kleinen Kader zurückgreifen - und muss inständig hoffen, dass sich niemand auf den prekären Positionen verletzt.

Dreesen: Tuchel muss "ein bisschen kreativer sein"

"Ich erlebe Thomas Tuchel immer noch optimistisch. Es ist auch immer eine Chance, für junge Spieler", sagte CEO Jan-Christian Dreesen. Tuchel müsse nun "ein bisschen kreativer sein. Das ist sein Job", fügte Dreesen an, dessen Job es allerdings gewesen wäre, für einen Kader zu sorgen, der die hohe Belastung von drei Wettbewerben bestmöglich überstehen kann. Doch mit 23 Spielern hat der FC Bayern den kleinsten Kader der gesamten Bundesliga.

Die Chance, das zu verändern, haben die Verantwortlichen spektakulär vertan, indem sie zwar zum Schluss der Transferperiode jede Menge Leistungsträger verkauften, doch keinen Ersatz verpflichteten. "Wir gehen mit sechs gelernten Defensivspielern für die Viererkette in die Saison, das ist auf Kante genäht", gab Tuchel seine Unzufriedenheit bei Sky zu Protokoll.

Nun bleibt dem Trainer des deutschen Rekordmeisters nichts anderes übrig, als den Nachwuchskader des FC Bayern noch besser kennenzulernen, als ihm womöglich lieb ist. Für die Nachwuchsspieler bei den Münchner bietet sich durch die verpatzte Transferperiode eine seltene Chance auf Einsatzzeiten im Profikader.

Krätzig und Pavlovic auf der Ersatzbank

Beim 2:1-Sieg über Borussia Mönchengladbach standen mit Aleksander Pavlovic (19) und Frans Krätzig (20) die beiden Spieler mit dem vielleicht größten Potenzial im Kader des FC Bayern. Beide haben die gesamte Vorbereitung mit den Profis absolviert, kamen in jedem Spiel zum Einsatz. Und besonders Krätzig hinterließ einen positiven Eindruck, als er im Spiel gegen Liverpool eine Halbzeit lang stark aufspielte und in der 91. Minute einen langen Ball per Direktabnahme von der Strafraumkante zum 4:3-Endstand versenkte. Einer der ersten Gratulanten: Pavlovic.

Krätzig durfte sich daraufhin kurz über verbale Streicheleinheiten von seinen prominenten Teamkollegen freuen. Doch Krätzigs größtes Problem: Er spielt Linksverteidiger, ausgerechnet die Defensiv-Position, auf der die Münchner mit Alphonso Davies und Raphael Guerreiro gut besetzt sind - zumindest wenn Guerreiro wieder fit ist. Doch der gebürtige Nürnberger, der seit sechs Jahren beim FC Bayern spielt und durch Geschwindigkeit und gute Technik beeindrucken konnte, kann auch im zentralen Mittelfeld auflaufen.

Dort wäre er ein direkter Konkurrent zu Pavlovic. Der 19-Jährige ist ein klassisches Eigengewächs. Geboren in München, seit seinem siebten Lebensjahr im Verein. 1,88 groß, beidfüßig, für einen 19-Jährigen mit einer beeindruckenden Physis. Findet Tuchel also die gewünschte "Holding Six" in den eigenen Reihen? Aktuell scheint Tuchel von Pavlovic einiges zu halten, doch einen Einsatz in einem engen Spiel wie gegen Gladbach wird er ihm noch nicht zutrauen.

Derweil gibt es mit Eyüp Aydin (19) und Noel Aseko Nkili (17) noch zwei weitere talentierte zentrale Mittelfeldspieler in der zweiten Mannschaft des FC Bayern. Paul Wanner, der etwas weiter vorne im Mittelfeld agiert, wurde kurz vor Transferschluss an den SV Elversberg verliehen.

Hoffen auf den "German van Dijk"

Antonio Tikvić, der als einziger Nachwuchs-Innenverteidiger die Einladung Vorbereitungsreise der Profis erhalten hatte und somit die Rolle des vierten Innenverteidigers hätte ausfüllen können, wurde am "Deadline Day" an Udinese Calcio verkauft.

Größeres Potenzial wird dem 18-jährigen Tarek Buchmann nachgesagt. Buchmann besitzt einen Profivertrag und zieht Vergleiche mit den größten ihres Faches auf sich. Ob "German van Dijk", wie er während der U-17-WM genannt wurde, Vincent Kompany (Danny Schwarz) oder Jérôme Boateng am FC Bayern Campus - Buchmanns Spielstil lädt zum Träumen ein. Er selber wirkt da etwas abgeklärter: "Ich würde sagen, dass ich für einen Innenverteidiger ziemlich schnell bin, aber auch sehr ruhig am Ball", sagte er bei Unterzeichnung seines Profivertrags.

Doch es gibt ein Problem: Buchmann hatte die Vorbereitung wegen einer Verletzung verpasst und musste nun am vergangenen Freitag beim Spiel der Regionalliga-Mannschaft gegen Memmingen erneut verletzt ausgewechselt werden. Damit hat auch der FC Bayern II aktuell nur zwei fitte Innenverteidiger im Kader - und Thomas Tuchel ein Problem mehr.

Salihamidzic oder Salihamidzic-Fehlgriff?

Den bekanntesten Namen im Kader des FC Bayern II trägt zweifelsohne ein Rechtsverteidiger: Nick Salihamidzic, Sohn des geschassten Sportdirektors Hasan. Doch ihm ist ein Sprung in den Profikader nicht zuzutrauen, konnte er sich weder bei seiner Leihe beim italienischen Zweitligisten Cosenza, noch bei der zweiten Mannschaft der Vancouver Whitecaps nachhaltig durchsetzen. So wird er kaum die durch die Leihe von Josip Stanisic und den Verkauf von Benjamin Pavard selbstgeschaffene Problemstelle rechts hinten bei den Münchner lösen können.

Vielleicht spielt ein Fehlgriff von dessen Vater im Laufe der Hinrunde noch eine Rolle: Bouna Sarr stand seit seiner Ankunft in München vor drei Jahren wettbewerbsübergreifend etwas mehr als 1.000 Minuten auf dem Platz - in der vergangenen Spielzeit waren es zwei Minuten. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Laimer oder Kimmich diese Position als Ersatz von Noussair Mazraoui besetzen werden. Der Bedarf nach einer "Holding Six" aus den eigenen Reihen wird dadurch noch größer.

Aus der Not eine Tugend machen

Sollte tatsächlich einer der Nachwuchsspieler den Durchbruch schaffen, es würde nicht nur Tuchel helfen, sondern auch einen lang ersehnten Wunsch beim FC Bayern erfüllen. Das letzte wirkliche Eigengewächs, das beim FC Bayern München den Durchbruch schaffte, ist mittlerweile 33 Jahre alt und heißt Thomas Müller.

Weder David Alaba noch Jamal Musiala wurden wirklich beim FC Bayern ausgebildet. Christoph Freund, der neue Sportdirektor des FC Bayern, ist mit der Mission angetreten, genau das zu ändern. Der Campus soll gestärkt werden, mit eigenen Talenten den rasant steigenden Transferpreisen ein Stück weit entkommen werden.

Eigentlich ein langfristiges Ziel. Aber vielleicht hilft ja ausgerechnet diese verpatzte Transferperiode schon jetzt dabei, endlich mal wieder einen eigenen Spieler in die erste Elf der Münchner zu hieven - viele andere Möglichkeiten bleiben Tuchel schließlich auch nicht. Zumindest nicht bis zum Winter.

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