Die Fahrradfamilie Riedmann: Neu-Profi Linda und ihr Vater Robert vor dem heimischen Fahrradladen in Karbach.
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Die Fahrradfamilie Riedmann: Neu-Profi Linda und ihr Vater Robert vor dem heimischen Fahrradladen in Karbach.

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Fahrradverrückte Familie aus Karbach: Tochter bei Straßenrad-WM

Bei den Riedmanns dreht sich alles ums Fahrrad: Vater Robert war Radrennfahrer und hat jetzt einen Fahrradladen in Karbach. Tochter Linda ist seit kurzem Profi und startete nun bei der Straßenrad-WM in Glasgow. Ihr Bruder Jan war Bayerischer Meister.

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Linda Riedmann schiebt ihr sieben Kilogramm leichtes und rund 10.000 Euro teures Carbon-Rennrad in den Fahrradladen ihres Vaters. Vor der Trainingsfahrt durch den bergigen Spessart brauchen ihre Reifen noch etwas Luft. Diese Trainingsfahrten können bis zu 120 Kilometer lang sein und bis zu fünf Stunden dauern. "Der Trainingsaufwand hat sich schon erhöht, vor allem, weil auch die Rennen viel länger geworden sind. Also in der U17 und U19 waren sie bis zu 70 Kilometer lang, jetzt geht es schon bis 160 Kilometer."

Linda Riedmann: Junioren-Europameisterin und Jung-Profi

Linda Riedmann ist Radprofi. Seit 2022 fährt sie für das erfolgreichste holländische Radsportteam Jumbo Visma, vormals Rabobank. Nachdem die Karbacherin 2021 den Juniorinnen-Titel bei der Deutschen Meisterschaft und der Europameisterschaft gewonnen hatte, waren die Verantwortlichen des Teams auf die heute 20-Jährige aufmerksam geworden. Nach ein paar kurzen Emails wurde die Unterfränkin zu einem Probetraining eingeladen, dann folgte schnell der Profivertrag. Im Frühjahr 2023 fuhr Linda Riedmann einige Rennen in Belgien und Holland, sie war erstmals beim renommierten Kopfsteinpflaster-Rennen Paris-Roubaix dabei und beim Giro d’Italia.

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Linda Riedmann (vorne) beim Rennen Paris-Roubaix (8.4.2023)

Rennen bei der Straßenrad-WM in Glasgow

Mitte August startete Linda Riedmann bei der Rad-Weltmeisterschaft in Glasgow im Straßenrennen. Es reichte für Platz 44 insgesamt und den internen Platz 3 bei sechs deutschen Fahrerinnen. Die Gesamtdistanz waren 154 Kilometer. Vor dem Rennen erklärte der Jungprofi, es gehe darum, so lange wie möglich mitzuhalten: "Das wird auf jeden Fall ein hartes Rennen. Ich muss darum kämpfen, möglichst über die giftigen Anstiege drüber zukommen und vorne dabei zu bleiben", so Linda Riedmann gegenüber BR24. Robert Riedmann betrachtet stolz seine Tochter: "Das ist gut, was sie da macht. Sie darf weiterfahren!", lacht ihr Vater.

Robert Riedmann: Profi-Karriere gegen Fahrradladen getauscht

Das Talent und die Liebe für den Radrennsport hat Linda ganz klar von ihrem 55-jährigen Vater. Robert Riedmann fing im Alter von zehn Jahren mit dem Radsport im örtlichen Radsportverein Concordia Karbach an. Nach dem Gewinn mehrerer Jugendrennen fuhr Robert Riedmann für die Bundesligamannschaft des Landesverbandes Bayern. Daneben arbeitete er für ein Telekommunikationsunternehmen und im örtlichen Fahrradladen. Als ihm der Shop 1990 angeboten wurde, beendete er seine Karriere als Radprofi: "Es geht nicht alles. Wenn man richtig Radfahren will, dann ist das ein Vollzeitjob. Dann muss man sich entscheiden. Bei mir ist der Beruf vorgegangen. Ich bereue diese Entscheidung nicht."

Jan Riedmann: Tödlicher Unfall beim Straßentraining

Das Talent für den Radsport hatte aber auch Riedmanns Sohn geerbt, Lindas Zwillingsbruder Jan. Vater Robert setzte die beiden schon sehr früh auf Fahrräder. Den Weg zum Kindergarten radelten sie zusammen und machten auch erste gemeinsame Radtouren. Das Geschwisterpaar trat ebenfalls für den RV Concordia in die Pedale und fuhr für den Verein ab 2011 regelmäßig Rennen. 2019 wurde Jan Riedmann Bayerischer Meister. Im Folgejahr machte er den ersten Schritt zum Radprofi und wechselte ins Nachwuchsteam des deutschen Teams Bora-hansgrohe. Am 1. August 2020 kam Jan Riedmann bei einer Trainingsfahrt im mittelfränkischen Sugenheim ums Leben. Ein Auto hatte dem 17-Jährigen die Vorfahrt genommen. Trotz Helm starb Jan an seinen schweren Kopfverletzungen.

Radrennfahren potenziell lebensgefährlich, aber...

Linda denkt oft an ihren Zwillingsbruder, vor allem wenn sie beim Training aufs Rad steigt. "Wir haben früher immer zusammen trainiert, jeden Tag. Klar denke ich da viel an ihn." Dass Radrennfahren potenziell lebensgefährlich ist, sei ihr bewusst. Beim Training im Straßenverkehr fahre sie deshalb auch vorsichtig, meint die 20-Jährige. Nicht aber im Rennen. Vater Robert ergänzt: "Wenn man ein Rennen fährt, dann ist man jede Sekunde konzentriert. Man kennt die Strecke im Kopf, ist sie vorher abgefahren. Deshalb fährt man am Maximum, das ist einfach so." Aber auch Robert Riedmann erinnert sich ständig an seinen Sohn: "Wenn ich Linda sehe, denke ich oft: Da könnte Jan jetzt auch dabei sein", sagt er – und seine Stimme bricht.

Lindas Ziel: Tour de France

Umso mehr unterstützt Robert Riedmann jetzt den Traum seiner Tochter: "Sie soll so lange fahren, wie es geht und es ihr Spaß macht." Der Radsport biete Erfahrungen, die man sonst so nicht machen könne, betont der Profi. Linda Riedmann träumt davon, weiterhin die großen Radrennen zu fahren, vielleicht auch bald die Tour de France der Frauen. "Das ist das Rennen mit dem höchsten Niveau. Deswegen fahren dort auch die Besten aus dem Team. Ich hoffe, dass ich in den nächsten ein, zwei, drei Jahren vielleicht auch mal mitfahren darf. Aber bis jetzt bin ich noch zu jung." Danach schnappt sich Linda ihr Carbon-Rennrad und macht sich auf ihre Trainingsrunde durch den Spessart – ihre kurvige, bergige Heimat.

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