Fußballmannschaft vor dem Tor.
Bildrechte: BR / Daniela Olivares

Erschöpft, aber glücklich: Die Blindenfußballer des FC Ingolstadt nach ihrem ersten Bundesliga-Spiel.

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Blindenfußball: Ingolstädter starten in Saison

Im Januar suchten sich noch Spieler, um in der Bundesliga der Blindenfußballer antreten zu können. Jetzt haben sie es geschafft. Am Wochenende sind die Spieler des FC Ingolstadt in ihre erste Bundesliga-Saison in Stuttgart gestartet.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Die Kabine ist voll besetzt. Trainer Peter Adrian verteilt die neuen Trikots an die Spieler. Dann werden die Fußballschuhe geschnürt und die Brillen aufgesetzt. Denn einige haben noch fünf Prozent Sehkraft, andere sind vollständig erblindet.

Mit den Brillen sehen alle gleich wenig. Nur der Torwart sieht während des Spiels. Einige sitzen wippend auf den Bänken. In einer guten halben Stunde geht es los. Ihr erstes Bundesliga-Spiel. Trainer Adrian macht nochmal Mut: "Bleibt am Ball, bietet euch an. Bei einer Ecke oder Freistoß, der muss in vier Sekunden gespielt werden. Macht euch da bereit." Die Spieler nicken. Der erste Gegner an diesem Spielwochenende in Stuttgart ist die Spielgemeinschaft PSV Köln / Fortuna 95 Düsseldorf.

"Wenn wir heute unser erstes Tor machen würden, wäre das natürlich toll", meint Trainer Peter Adrian. Aber alle wissen: Es wird schwer. Sie sind noch unerfahren. Doch einen Punkt mitnehmen - damit wären sie schon zufrieden. Die Spieler verlassen die Kabine. Es geht auf den Platz.

Erstes Bundesliga-Spiel in Stuttgart

Zu Beginn des Jahres waren die Ingolstädter noch auf der Suche nach Spielern. Immer das Ziel Bundesliga vor Augen. Jetzt hat es geklappt. Es geht los. Auf dem Weg zu Platz kommt ihnen die Mannschaft aus Marburg entgegen: Freundliches Klopfen auf die Schulter, Hände schütteln. "Viel Erfolg im ersten Spiel!", rufen sie den Ingolstädtern zu.

Dann steht die Mannschaft auf dem Platz. Leichtes warmlaufen. Ein paar Pässe spielen. In den Bällen sind Rasseln verbaut. Das Spiel verläuft komplett über Kommandos. Die Spieler rufen, wenn sie sich bewegen "voy". Dazu rufen Torwart und Trainer ihnen Informationen zu - so orientieren sich die blinden Spieler auf dem Platz. Eine Halbzeit dauert 15 Minuten. Der Torwart darf seinen Platz nicht verlassen.

"Die Anspannung ist jetzt schon da, aber die Vorfreude überwiegt", da sind sich die Spieler einig. Einige von ihnen sind erst seit wenigen Monaten im Team und freuen sich umso mehr auf den Saisonstart. "Wetter passt. Die Sonne scheint. Regen hätte es noch schwerer gemacht. Wir freuen uns jetzt alle riesig, dass es jetzt losgeht", meint Mannschaftskapitän Jan Adrian, der die Mannschaft bei FCI vor knapp zwei Jahren ins Leben gerufen hat. Und dann ertönt auch schon der Pfiff des Schiedsrichters. Es geht los.

Stolz auf das erste Spiel

Die ersten Minuten laufen gut. Die Ingolstädter kommen gut ins Spiel. Doch dann wird es fahrig. Sie verlieren den Ball. Der Gegner schafft es immer wieder, vor das Tor der Ingolstädter zu kommen. Und da passiert es: das erste Gegentor. "Unnötig", meint Trainer Peter Adrian. Er wechselt. Der erste Spieler kommt vom Platz. "Die Zweikämpfe sind viel härter als im Training. Und es gibt viel mehr Geräusche, da ist es viel schwerer, sich auf den Ball zu konzentrieren", meint er. Die erste Halbzeit ist geschafft. Torwart und Trainer machen nochmal Mut: "Nur ein Gegentor. Das ist nicht tragisch. Einfach immer mit nach vorn gehen." Die zweite Halbzeit fängt gut an. Die Ingolstädter schaffen es mit dem Ball vor das Tor des Gegners. Doch das letzte bisschen Glück fehlt am ersten Spieltag.

Schließlich heißt das Ergebnis 0:1. Ein bisschen enttäuscht gehen die Spieler vom Platz, doch der Stolz und die Freude überwiegen. "Ich bin wahnsinnig stolz auf die Jungs. Die haben das toll gemacht heute", meint Trainer Michael Stadik. "Das war unser erstes Spiel. Das Ergebnis ist okay. Klar wäre ein Unentschieden toll gewesen, aber wir sind zufrieden", meint Kapitän Jan Adrian. Und sie hätten eine Menge für die nächsten Spiele gelernt.

Ingolstadt einziges bayerisches Team

Die bundesweite Freude über den Einstieg der Ingolstädter in die Bundesliga ist groß. Sie sind das einzige bayerische Team. Auch Bundestrainer Martin Mania ist begeistert, dass die Ingolstädter jetzt auf dem Rasen stehen: "Sie haben das heute richtig gut gemacht. Nicht viele schaffen den Einstieg so gut." Dass es derzeit nur neun Teams bundesweit gibt, liege zum einen an den Einstiegshürden in die komplexe Sportart Blindenfußball, die sehr hoch seien, so ein Sprecher der Sepp-Herberger-Stiftung des DFB.

Zudem erfolge eine strategische Förderung der Jugend bislang nur im geringen Ausmaß. Und dass Sport vor Ort gelingen kann, liege auch am Engagement einzelner Sportler, die sich einbringen, heißt es vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband. Seit 2008 gibt es die Bundesliga, die von der Sepp-Herberger-Stiftung gemeinsam mit dem Deutschen Behindertensportverband und dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband gegründet wurde. Sie ist europaweit ein einzigartiges Ligaformat.

Unterstützung noch gesucht - vor allem ein weiterer Torwart

Am Sonntag stand dann gleich das zweite Spiel gegen Herta BSC an. Leider auch ohne Erfolg. Aber in knapp vier Wochen haben die Ingolstädter die Gelegenheit, am 2. Spieltag ihren ersten Sieg in der Bundesliga zu feiern. Da geht es für die Schanzer zum Spielwochenende nach Wolfsburg. Und sie können Unterstützung gebrauchen: Feldspieler und vor allem einen Torwart, der auch die volle Sehkraft haben kann. Auch Frauen können mitmachen. Die Spieler dürfen nicht mehr als 30 Prozent Sehkraft haben. Die Motivation und die Spielfreude sind auf jeden Fall groß bei der Ingolstädter Mannschaft und die Siege werden dann auch noch kommen.

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