Werbebild für das MMO-Spiel "The Crew"
Bildrechte: Ubisoft Ivory Tower

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Rechtmäßig? Abschalten von Rennspiel "The Crew" wirft Fragen auf

Der Publisher Ubisoft hat die Server für das Online-Game "The Crew" für alle Spieler abgeschaltet. Das passiert zwar immer wieder, doch eine Gamer-Initiative und die Piratenpartei stellen grundsätzlich infrage, ob das Vorgehen gegen Recht verstößt.

2014 hatte das Ubisoft-Studio Ivory Tower das Online-Rennspiel "The Crew" auf den Markt gebracht, im vergangenen Dezember gab es bekannt, die Server zum 1. April abzuschalten. Das heißt für alle, die das reine Online-Game in den vergangenen zehn Jahren gekauft haben, dass sie es seit Anfang des Monats nicht mehr spielen können.

Ende "nicht auf die leichte Schulter genommen"

In seiner Ankündigung, die Server abzuschalten, äußert Ivory Tower Verständnis für die mögliche Enttäuschung der Community, "aber aufgrund der kommenden Serverinfrastruktur und der Lizenzbeschränkungen" sei der Schritt unumgänglich geworden.

Offenbar nicht mehr wirtschaftlich

Aus Sicht der Studios ist es ein normaler Vorgang, ein Spiel abzuschalten, das nach zehn Jahren eine wahrscheinlich nur noch geringe Zahl von Gamern nutzt, das aber zugleich Kosten verursacht – zum Beispiel für Lizenzen wie Musik oder Automarken sowie den technischen Pflegeaufwand – und das unterm Strich nicht mehr wirtschaftlich ist.

Spielen nicht mehr möglich, Spielstände verloren

Spiele, die nicht nur online, sondern auch lokal spielbar sind, lassen sich nach einer solchen Abschaltung weiterhin nutzen. Doch reine Massively Multiplayer Online-Games (MMO), zu denen auch "The Crew" gehört, verschwinden mit dem Abschalten der Server und sämtliche erreichte Spielstände oder mögliche In-Games-Käufe sind verloren. Schon zuvor wurden MMO-Spiele wie "Star Wars Galaxies" oder "Warhammer Online: Age of Reckoning" abgeschaltet.

Spielerinitiative "Stop killing games"

Doch die Gamer-Initiative "Stop killing games" will das Abschalten von "The Crew" dafür nutzen, diese Praxis der Game-Studios zu beenden oder zumindest von nationalen Gesetzgebern überprüfen zu lassen. "The Crew" hätte eine Spielergemeinschaft von mindestens 12 Millionen Menschen gehabt, schreibt Ross Scott, Sprecher und Organisator der Initiative. "Aufgrund der Größe des Spiels und der starken Verbraucherschutzgesetze in Frankreich bietet dies eine der besten Möglichkeiten, einen Publisher für diese Aktion zur Rechenschaft zu ziehen", so Scott auf der Website der Initiative. Das könne Auswirkungen auf die Videospielindustrie haben.

Piratenpartei fragt bei EU-Kommission nach

Unterstützung erhält Scott von der Piratenpartei im europäischen Parlament. Der Abgeordnete Dr. Patrick Breyer hat eine offizielle Anfrage an die europäische Kommission gestellt. "Verstößt dieses Vorgehen gegen EU-Recht?" und "Welche Grenzen setzt EU-Recht allgemein den Herstellern von Computerspielen bei der Außerfunktionsetzung zuvor verkaufter Computerspiele?", will er von der Kommission wissen.

Abschaltung berührt Grundsatzfragen

Für Anja Hirschel, die Spitzenkandidatin der Piratenpartei für die Europawahl, berührt die Abschaltung von MMO-Spielen wie "The Crew" auch Grundsatzfragen. Es gehe um die Frage, "was mit Produkten und Werken geschehen soll, wenn der Eigentümer kein Interesse mehr daran hat." Hirschel könnte sich eine ähnliche Lösung vorstellen wie bei Schutzfristen im Urheberrecht. Sie würden nach dem Tod des Autors ablaufen und das hätte dafür gesorgt, dass bedeutende Werke der Literatur der Öffentlichkeit weiter zur Verfügung stehen könnten, "auch wenn längst kein nennenswerter wirtschaftlicher Nutzen mehr aus ihnen zu ziehen ist."

Forderung: "Verwaiste Software" öffentlich verfügbar machen

Entsprechend sollen auch Softwares als "verwaiste Werke" weiterhin nutzbar und frei öffentlich verfügbar werden. Auf Grundlage solcher Überlegungen könnte dann zum Beispiel eine Community aus Fans die Pflege und möglicherweise Weiterentwicklung eines solchen Spiels übernehmen.

Viele Fragen ungeklärt

Doch viele rechtliche Aspekte sind derzeit unklar. So werden beim Kauf eines Spiels nur die Nutzungsrechte erworben. In den AGB ist in der Regel davon die Rede, dass der Hersteller jederzeit das Recht hat, das Spiel zu verändern – und damit auch das Recht, es abzuschalten. Wenn in einem Spiel Marken- oder Urheberrechte verwendet werden, fallen dafür meist Lizenzgebühren an. Wer würde diese Kosten tragen, wenn das Spiel öffentlich verfügbar würde? Und was würde das Veröffentlichen für das Studio bedeuten, wenn möglicherweise viel internes Wissen über die Spielmechanik und die Nutzer öffentlich würde? Weitere Themen könnten Namensrechte sein oder Rechte, die Programmierer an Teilen der Software haben.

Verbraucherrechte von Gamern

Umgekehrt stellt sich beispielsweise die Frage nach der Gewährleistung für Gamer, die das Spiel Anfang Dezember 2023 gekauft haben, also noch vor der Ankündigung, dass es vier Monate später abgeschaltet wird. Ivory Tower verweist in der Ankündigung zum Abschalten der Server auf die Richtlinien zur Rückerstattung für den Ubisoft Store. Diese geben aber keine befriedigende Antwort.

Ende von "The Crew" möglicher Wendepunkt

Darüber werden wohl Politiker und möglicherweise auch Gerichte in nächster Zeit beraten und entscheiden. Letztlich könnte das Ende von "The Crew" auf diese Art ein Wende- oder zumindest der Ausgangspunkt einer Diskussion über die Rechte von Gamern und die Pflichten von MMO-Spiele-Anbietern werden.

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