Symbolbild KI und Religion
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Beten wir bald zu einem KI-Gott?

Ein Roboter, der Menschen segnet, ein Chatbot, der Predigten schreibt und eine neue Kirche, die der KI huldigt: Technologie trifft auf Glauben. Werden wir bald einen KI-Gott anbeten?

"Möchten Sie von einer weiblichen oder männlichen Stimme gesegnet werden? Welchen Segen brauchen Sie?", fragt der Roboter. Dann gilt es, sich zu entscheiden: Benötigt man einen klassischen Segen, einen Ermutigungssegen oder einen Reisesegen? Dann hebt der BlessU—Automat die Arme und spricht per Zufallsgenerator einen Segen aus der gewählten Kategorie. Wer will, kann sich den Segen anschließend sogar ausdrucken lassen.

Ist der Robo-Segen wirklich ein Segen?

Den Segen holen sich Menschen immer noch lieber von anderen Menschen ab. Der Segensroboter ist ein Kunstwerk, der 2017 für die Weltausstellung Reformation in Wittenberg konzipiert wurde. Aber er regt zum Nachdenken an, etwa über die gar nicht so triviale Frage, was das überhaupt ist, so ein Segen.

Predigt per ChatGPT

Hier altehrwürdige Riten und Institutionen, dort moderne Technologie: Beides geht öfter eine Symbiose ein, als man vielleicht vermuten könnte. Auf dem evangelischen Kirchentag in Nürnberg im Juni 2023 konnten die Besucher einem Avatar zuhören, der eine von der Sprach-KI ChatGPT geschriebene Predigt vortrug. Einige Besucher fanden das Experiment interessant, bemängelten jedoch, dass der KI-Predigt die Emotion fehle und Gott nicht spürbar sei. Auch in München, genauer: an der evangelischen Hoffnungskirche in Freimann, hat der dortige Pfarrer bereits mit ChatGPT Predigten schreiben lassen. Das Ergebnis? Eher platt und oberflächlich.

Die frohe Botschaft der Tech-Evangelisten

Dass spirituelle und religiöse Menschen sich auch für KI interessieren, liegt nahe. Einer Technologie, der manche sogar zutrauen, eine Art von Bewusstsein zu entwickeln, eignet sich auch für metaphysische Projektionen. Es ist auch kein Zufall, dass diejenigen, die in der Öffentlichkeit neue Wunder-Gadgets anpreisen, auch als "Tech-Evangelisten" bezeichnet werden. Manche dieser Tech-Evangelisten verbreiten auch die frohe Botschaft, dass KI irgendwann in der Lage sein werde, sich selbst zu verbessern. Dies würde zu einem rapiden und exponentiellen Fortschritt in der Maschinenintelligenz führen, da jede Verbesserung die nächste KI noch schneller und effizienter ermöglichen würde.

Das Singularitäts-Nirvana

Diese selbstverstärkende Feedbackschleife könnte in sehr kurzer Zeit zu Maschinen führen, die eine Intelligenz besitzen, die die menschliche Intelligenz bei Weitem übertrifft. Soweit die Theorie. Vertreten wird diese These vor allem von Raymond Kurzweil, einem schillernden Erfinder und Futurologen, der bei Google als Technik-Chef angestellt ist. Der Moment, in dem die KI sich beginnt selbst zu verbessern und so eine Intelligenz-Explosion auslöst, nennt Kurzweil "Singularität". Und diese Singularität ist für viele Tech-Enthusiasten ein Sehnsuchtsmoment geworden, dass es fast schon religiös anmutet.

Musk: Mit KI beschwören wir einen Dämon herauf

Doch wo der Himmel so nah, da ist die Hölle nicht weit. Andere, darunter Tesla-Chef Elon Musk, befürchten, dass KI die Menschheit auslöschen könnte. Nicht unbedingt, weil die künstliche Intelligenz etwas gegen uns Menschen hat. Die Theorie, die vor allem der schwedische Technologie-Philosoph Nick Bostrom entwickelt hat, geht vielmehr davon aus, dass eine KI außer Kontrolle geraten könnte und die Menschheit als lästiges Hindernis ansehen könnte, eine Aufgabe möglichst effektiv bewältigen zu können.

Macht eine KI aus uns irgendwann Büroklammern?

Bostrums Gedankenexperiment geht so: Angenommen eine KI bekommt den Auftrag, möglichst viele Büroklammern zu fertigen, dann könnte es passieren, dass das System alle Ressourcen dieser Erde auf die Produktion von Büroklammern verwenden. Wir Menschen würden der Büroklammerproduktion nur im Wege stehen und irgendwann selbst zu Büroklammern verarbeitet werden. Das mag absurd erscheinen, aber man weiß auch, dass KI oft unkonventionelle Wege findet, um Probleme zu lösen, auf die wir Menschen, manchmal aus guten Gründen, nie kommen würden. Die Wege der KI sind eben unergründlich.

In den USA gab es schon eine KI-Kirche

Und so ist KI schon jetzt eine Religion: Der ehemalige Google-Mitarbeiter Anthony Levandovski beispielsweise gründete 2012 eine Kirche namens "Way of the Future". Levandowski glaubt, dass eine KI-Gottheit geschaffen werden wird, die intelligenter ist als Menschen und die Kontrolle über die Welt übernehmen wird. Ziel seiner Kirche war die Akzeptanz und Anbetung dieser KI-Gottheit. 2020 löste Levandovski "Way of Future" wieder auf. Aber viel spricht dafür, dass Gott eben nicht tot ist, sondern weiterlebt – mittels KI.

🎧 Wie schnell entwickelt sich KI weiter? Und welche Programme sind in meinem Alltag wirklich wichtig? Antworten auf diese und weitere Fragen diskutieren Gregor Schmalzried, Marie Kilg und Fritz Espenlaub jede Woche in Der KI-Podcast – dem neuen Podcast von BR24 und SWR.

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