In der Kardinal-Faulhaber-Straße in München steht das Erzbischöfliche Palais.
Bildrechte: BR/Christine Meder

In der Kardinal-Faulhaber-Straße in München steht das Erzbischöfliche Palais.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Wegen Missbrauchsvertuschung: Müssen Straßen umbenannt werden?

Den früheren Erzbischöfen Faulhaber, Döpfner und Wendel werden im Umgang mit sexuellem Missbrauch Fehler vorgeworfen. Deshalb sollen Straßen und Plätze, die in München nach ihnen benannt sind, nun auf den Prüfstand und womöglich umbenannt werden.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Das Erzbischöfliche Palais, der Amtssitz des Münchner Erzbischofs Reinhard Marx, steht in der Kardinal-Faulhaber-Straße. Nach Kardinal Joseph Wendel ist in München-Schwabing das Kardinal-Wendel-Gästehaus der Katholischen Akademie benannt.

Eine Büste erinnert an den früheren Münchner Erzbischof und in Johanneskirchen trägt eine Wohnsiedlung seinen Namen. Auch Kardinal Döpfner ist in der Münchner Innenstadt eine Straße gewidmet. Sollten Straßen und Plätze auch weiterhin nach jemandem benannt sein, dem Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchsfällen vorgeworfen wird?

Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauch

Kardinal Michael von Faulhaber war von 1917 bis 1952 Erzbischof von München und Freising. Ihm folgte Joseph Wendel im Amt bis 1960. Julius Döpfner leitete dann von 1961 bis 1976 das Erzbistum. Es folgten Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., Kardinal Friedrich Wetter und Kardinal Reinhard Marx. Seit den meisten der Erzbischöfe aber im Missbrauchsgutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl, veröffentlicht am 20. Januar 2022, Fehlverhalten im Umgang mit sexuellem Missbrauch vorgeworfen worden ist, gibt es Forderungen, die Straßen umzubenennen.

"Mit Blick auf die verstorbenen Erzbischöfe der 1940er Jahre bis in die 70er Jahre gehen wir nach den uns vorliegenden Erkenntnissen davon aus, dass diese während ihrer Amtszeit jeweils von einer nennenswerten Zahl von Missbrauchsfällen Kenntnis erlangt haben", sagte Martin Pusch von der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl bei der Präsentation des Gutachtens. "Betroffen davon sind demnach in erster Linie die Erzbischöfe Kardinal von Faulhaber mit vier Fällen, Kardinal Wendel mit acht Fällen und Kardinal Döpfner mit 14 Fällen."

Kommission zur Straßenumbenennung gegründet

Auch andere Namensgeber für Straßennamen stehen aktuell in der Stadt München auf dem Prüfstand. Da es in München bereits häufiger intensive Debatten um einzelne Straßennamen gab, hat der Münchner Stadtrat 2016 eine grundlegende Überprüfung von Straßennamen beauftragt.

Bei 45 Straßennamen sei "erhöhter Diskussionsbedarf" festgestellt worden. Es geht vor allem um Namensgeber, die in den Nationalsozialismus verstrickt waren und Personen, die der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit bezichtigt wurden, also die Diskriminierung und Ausgrenzung von Juden, Frauen und Behinderten unterstützt haben. Neben Kardinal Faulhaber sind auch Straßennamen in der Diskussion, die zum Beispiel nach dem Rassenhygieniker Max von Gruber, dem Schriftsteller und Antisemiten Ludwig Thoma und der Pianistin und Nationalsozialistin Elly Ney benannt sind.

Mitglieder des Münchner Stadtrats, darunter auch der Grüne Florian Roth, plädieren nun für eine Erweiterung der Liste streitbarer Namensgeber um katholische Würdenträger, von denen man seit der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens des Erzbistums München und Freising weiß, dass sie sexuellen Missbrauch wohl vertuscht oder zumindest nicht genug getan haben, um ihn zu verhindern. "Ein Straßenname ist dann fraglich, wenn man wirklich nachweisen kann, dass diese Art der Gewalt gegen Kinder und Heranwachsende geduldet wurde oder durch Nichthandeln sogar weiterhin ermöglicht wurde", sagt Florian Roth.

Freiburger Erzbischof hat Bilder von Vorgängern entfernt

In Freiburg ist man im Vergleich zu München schon einen Schritt weiter. Dort hat Erzbischof Stephan Burger bereits Konsequenzen aus dem dortigen Missbrauchsbericht gezogen und die Bilder seiner Amtsvorgänger Saier und Zollitsch entfernt. Auch dem inzwischen verstorbenen ehemaligen Papst Benedikt XVI. warfen die Münchner Gutachter Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchsfällen in seiner Zeit als Münchner Erzbischof vor. Im Freistaat gibt es an verschiedenen Orten Denkmäler, die an Benedikt erinnern, zum Beispiel ein Relief im Münchner Liebfrauendom. Sollte also auch dieses entfernt werden?

Der Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, der vor wenigen Tagen Missbrauchsbetroffene auf ihrer Radpilgerreise nach Rom getroffen hat, äußerte sich zurückhaltend zu einem generellen Abbau von Denkmälern oder einer Umbenennungen von Straßen. "Man muss zu den Taten und zu dem, was geschehen ist, stehen und Erläuterungen bringen. Aber auch in Freiburg hat der Erzbischof gesagt, er macht das nicht generell", sagt Kardinal Reinhard Marx. "Wir müssen sachlich bleiben und schauen, was ist genau gewesen. Bedeutet das, dass ein ganzes Lebenswerk damit ausgelöscht wird? Ist alles, was sonst geschehen ist, nicht mehr gültig?"

In der Nachkriegszeit hat man nicht genau hingeschaut

Für den Sprecher des Münchner Betroffenenbeirats, Richard Kick, der bei der Radtour zu Papst Franziskus ebenfalls dabei war, könnte eine Umbenennung von Straßen und Gebäuden ein Teil des Aufarbeitungsprozesses der Kirche sein. "Auch da müssen Gespräche stattfinden, auch da muss ein Bewusstsein geschaffen werden. Das ist auch für die Kirche nötig, das konsequent zu tun", sagt Kick.

Doch wo verläuft die Grenze? Wann ist das Fehlverhalten einer Person so gravierend, dass das Andenken an diese aus dem öffentlichen Raum entfernt werden muss? "Unbelastet ist gerade im politischen Bereich kaum jemand. Aber man muss natürlich abwägen. Wenn man die Geschichte der Stadt als ehemalige Hauptstadt der Bewegung sieht und bedenkt, dass man im Zeitgeist der 50er und 60er Jahre gar nicht genau hingeschaut hat, muss man heute mit neuen Erkenntnissen eben genauer hinschauen", kritisiert Stadtrat Florian Roth. Noch in diesem Jahr will die Kommission der Stadt München zu einem Ergebnis kommen und dann reden, auch mit der Kirche.

Umbenennungen bereits in Würzburg und München

In Würzburg etwa hatte sich die SPD-Fraktion im Stadtrat auch für die Umbenennung des Kardinal-Faulhaber-Platzes stark gemacht. Grund dafür war die Rolle Faulhabers in der NS-Zeit. Seit November 2022 heißt der Platz nun Theaterplatz. Und auch in München haben einige Straßen kürzlich einen neuen Namen bekommen. 2006 beispielsweise wurde die Von-Trotha-Straße, die an einen deutschen General in Afrika erinnerte, in Hererostraße umbenannt.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

Wie umgehen mit den Denkmälern katholischer Würdenträger? Darum geht es auch heute abend, um 19 Uhr, im BR Fernsehen und in der BR Mediathek. Die Sendung Stationen bringt die Reportage "Mit Wut in die Pedale" – neun Missbrauchsbetroffene radelten von München nach Rom, um den Papst zu treffen. Die Redaktion Religion und Orientierung war dabei.

Sie interessieren sich für Themen rund um Religion, Kirche, Spiritualität und ethische Fragestellungen? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Jeden Freitag die wichtigsten Meldungen der Woche direkt in Ihr Postfach. Hier geht's zur Anmeldung.