Diesen Tag im Sommer 2004 wird Stephan Beinlich vermutlich nie vergessen. Auf einer Geburtstagsfeier lernt er seine Frau Sabine kennen und erfährt, dass sie einen sechs Jahre alten Sohn aus einer früheren Beziehung hat.
Für den bislang kinderlosen Stephan Beinlich war das kein Grund, sich nicht auf die Beziehung einzulassen. "Ich find's selbstverständlich, dass das kein Gedanke ist", sagt er rückblickend. Als Lebensgefährte der Mutter sei er in die Vaterrolle hineingewachsen.
So wie Stephan Beinlich "Ja" zu dem Sohn gesagt hat, der nicht von ihm ist, hat laut Bibel auch Joseph "Ja" zu Jesus gesagt. Obwohl er nicht dessen leiblicher Vater war, wie der biblische Evangelist Matthäus erzählt. Trotzdem sagt Bernhard Zottmann von der Männerseelsorge im Erzbistum München und Freising: "Ohne Joseph kein Jesus.
Joseph hätte auch anders reagieren können
Dabei hätte Joseph durchaus auch anders reagieren können, wie der Theologe erklärt, nämlich gemäß den gesellschaftlichen Konventionen: Seine Frau Maria soll Jungfrau gewesen sein, ist aber trotzdem schwanger. Das wäre in der damaligen Zeit Ehebruch gewesen und hätte für Maria die Todesstrafe bedeutet. Aber Joseph bleibt bei ihr und zieht Jesus mit ihr zusammen groß. "Also ich finde, das ist eine sehr moderne Figur, die da aufscheint", sagt Zottmann.
Der Männerseelsorger meint: Joseph kann ein Vorbild sein für Paare heute, speziell für Männer wie Stephan Beinlich, der mit seiner neuen Beziehung plötzlich auch ein Vater geworden ist. "Dieses Annehmen des Kindes mit voller Verantwortung" – nichts anderes habe ihr Mann Stefan getan, sagt Sabine Beinlich. In der Geschichte von Joseph, Maria und Jesus erkennt sie darum durchaus auch ihre eigene Familiengeschichte wieder.
Gelingende Beziehungen in Patchwork-Familien seien keine Selbstverständlichkeit, sagt Wolfgang Tutsch von der Münchner Insel, einer Krisen- und Lebensberatungsstelle der evangelischen und katholischen Kirche. Zu dem Sozialpädagogen kommen nicht selten Männer, die von heute auf morgen Ziehvater werden und an der neuen Rolle scheitern, zumal, wenn der leibliche Vater noch präsent ist.
Keine gute Idee: So tun, als sei man der leibliche Vater
Es gibt einige Fragen, die darüber entscheiden, ob das Miteinander in einer Patchwork-Familie gelingt, sagt Tutsch. Am Anfang stehe für den Partner ohne Kind die Entscheidung: "Will ich das und traue ich mir das zu?" Wenn man sich für die Beziehung entscheidet, sieht der Sozialpädagoge zwei Strategien, die häufig scheitern: so zu tun, als sei man der leibliche Vater des Kindes. Darauf reagieren Kinder häufig ablehnend, warnt Tutsch. Aber auch der Versuch, nur mit der Frau zusammen zu sein und das Kind zu ignorieren, funktioniere nicht.
"Das Beste wäre einfach eine freundschaftliche, akzeptierende Haltung gegenüber dem Kind als Teil der Frau, die man liebt", rät Tutsch. Dann findet sich der weitere Weg als Patchwork-Familie. "In alle Schwierigkeiten, die damit zusammenhängen, in die muss man hineinwachsen." In dem Punkt gebe es dann auch keinen Unterschied zu Familien, in denen beide Elternteile die leiblichen sind. Für die nötige Offenheit und Gelassenheit kann der biblische Josef durchaus eine Inspiration sein.
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